Die Geschichte der getrennten Wege
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Es sind die turbulenten siebziger Jahre und die beiden inzwischen erwachsene Frauen. Lila ist Mutter geworden und hat sich befreit und alles hingeworfen - den Wohlstand, ihre Ehe, ihren neuen Namen - und arbeitet unter entwürdigenden Bedingungen in einer Fabrik. Elena hat ihr altes neapolitanisches Viertel hinter sich gelassen, das Studium beendet und ihren ersten Roman veröffentlicht. Als sie in eine angesehene norditalienische Familie einheiratet und ihrerseits ein Kind bekommt, hält sie ihren gesellschaftlichen Aufstieg für vollendet. Doch schon bald muss sie feststellen, dass sie ständig an Grenzen gerät.
Ganze Welten trennen die Freundinnen, doch gerade in diesen schwierigen Jahren sind sie füreinander da, die Nähe, die sie verbindet, scheint unverbrüchlich. Würde da nur nicht die langjährige Konkurrenz um einen bestimmten Mann immer deutlicher zutage treten.
Spannendes Gesellschaftspanorama
„Die Geschichte der getrennten Wege“ ist Band drei der Neapolitanischen Saga der italienischen Schriftstellerin, die ihre Werke unter dem geschlossenen Pseudonym Elena Ferrante veröffentlicht.
Lila und Elena sind zwei Freundinnen seit Kindertagen und ihr Leben lang. Die beiden bleiben sich nahe, auch wenn Elena schließlich aus Neapel wegzieht und Lila dort bleibt. Beide stammen sie aus einfachen, bildungsfernen Verhältnissen, in denen Studieren als „ein Trick der pfiffigsten jungen Leute zur Vermeidung harter Arbeit“ (S. 62) gilt. Beide Frauen überwinden soziale Schranken. Die leicht spöttelnde Lila, die sich allen zu entziehen scheint und sich auch von ihren Männererfahrungen nicht brechen lässt und dann noch einmal ganz unten landet. Diese Lila, die ihren Mann verlassen hat, lässt sich auch nicht ein auf die permanenten sexuellen Belästigungen in der Wurstfabrik, wehrt sich, muckt dagegen auf. Sie kapiert das Prinzip der Unterdrückung, das System, das dahintersteckt. Auch Elena lässt es sich nicht als ihre „Befreiung“ erklären, sexuell verfügbar zu sein. „Warum sollte ich mich … anfassen lassen, … was sollte ich beweisen, was wollten sie beweisen?“ (S. 97) Der Sexismus ist allgegenwärtig, beide Frauen sind ihm ausgesetzt.
Die Nähe der beiden Frauen, die keine räumliche Nähe braucht, um zu bestehen, sondern Distanz aushält, ist unergründlich. Wie zwei rivalisierende Schwestern, von denen eine größer als die andere sein will und doch hängen sie an der Zuneigung der anderen, können nicht ohne den Wert, den sie in den Augen der anderen abzulesen bemüht sind, bestehen.
Nino zieht sich durch den Roman, als Mann, der sich allein durch seine Treulosigkeit auszuzeichnen scheint und eine unverständliche Projektionsfläche für Sehnsüchte verkörpert.
Elena, die sich auf ihre Ehe freute, landet in einer lieblosen Beziehung. „Um ihn nicht zu reizen, lernte ich auch, meine Meinung nicht zu sagen.“ (S. 353) Am Ende entschließt sie sich für einen überraschenden Weg, auf dessen Weitergang im nächsten Band ich sehr gespannt bin.
Neben all diesem werden die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, der Kampf der ausgebeuteten Arbeiter in den 60er und 70er Jahren im Italien des letzten Jahrhunderts erzählt, mit exemplarischen Einzelschicksalen verwoben und so ein spannendes Gesellschaftspanorama der Zeit mit Einblicken in verschiedene Schichten entworfen.
Hilfreich ist neben der Figurenauflistung zu Beginn des Romans der kleine Einleger in Lesezeichengröße, auf den die Namen der Romanfiguren aufgelistet sind. Die beiden Hauptfiguren haben drei Namen. So die Erzählerin Elena, die Lenuccia oder Lenú genannt wird. Ihre beste Freundin bringt es ebenfalls auf drei Namen: Raffaella, genannt Lina oder Lila.
Ein Roman über den ganz eigenen Platz in der Welt, den jede/r für sich selbst sucht und den sich die Hauptfiguren kompromisslos erkämpfen. Und natürlich ist es ein Roman über die Liebe, denn was, wenn nicht sie oder zumindest der Glaube daran, hält uns am Leben?