Beginnt dort, wo ein Krimi aufhört: »Schuld sind immer die Anderen«

Der Schauspieler Edin Hasanovic erzälte von den Dreharbeiten zu »Schuld sind immer die Anderen«
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Eine junge Frau (gespielt von Julia Brendler) wird in ihrem Auto an einer Ampel von zwei vermummten Jugendlichen überfallen und gezwungen, an einem Geldautomat 500 Euro abzuheben. Als ihr das Geld auf den Boden fällt, wird einer der Jungs (dargestellt von Edin Hasanovic) so wütend, dass er sie zu Boden wirft und ihr brutal in den Bauch tritt. Dann verschwinden die beiden mit dem Auto des Opfers. Die Ermittler tappen im Dunkeln. Die Täter werden nie gefasst.

So beginnt der Film »Schuld sind immer die Anderen«, der auf dem Ludwigshafener Filmfestival im Wettbewerb um den Filmkunstpreis 2012 und den Publikumspreis 2012 läuft. Es geht darin um die Fähigkeit, die eigene Schuld zu begreifen und anderen ihre Schuld zu vergeben. Also um genau die Probleme, die der »normale Krimi« in der Regel auslässt. Ist der Täter erst einmal gefasst, ist der Krimi zu Ende. Wie es mit dem Täter und dem Opfer weiter geht, bleibt außen vor. Nicht so bei diesem Film, der genau da ansetzt und sich mit der Täter-Opfer-Beziehung auseinandersetzt.

Wie bei der Persönlichkeit von Ben, dem Schläger aus der Eingangsszene nicht anders zu erwarten war, findet sich dieser kurze Zeit später wegen einer anderen brutalen Tat im Gefängnis wieder, bekommt aber die einmalige Chance, an einem Resozialisierungsprojekt im »Waldhaus« teilzunehmen. Noch immer ist er sich keiner Schuld bewusst, denn: Schuld sind immer die Anderen, die ihn zu seinen Taten provozieren. Im Waldhaus erlebt er erstmals einen geregelten Tagesablauf kennen – strenge Ordnung kombiniert mit harter Arbeit – und lernt mühsam die Grundegeln eines zivilisierten Lebens kennen. Als dann die Hausmutter Eva nach längerer Abwesenheit zurückkehrt, erkennt er in ihr das Opfer von dem Überfall an der Ampel wieder. Und dann erfährt er, dass Eva damals durch die Tritte in den Bauch ihr Kind verloren hat. Erstmals beginnen in ihm Schuldgefühle zu keimen …

Mit diesem Film nach dem Buch von Anna Maria Praßler ist es Regisseur Lars Gunnar Lotz auf eindrucksvolle Weise gelungen, die schwierige Aufgabe der Sozialarbeiter zu zeigen, die sich oft selbst verleugnen müssen, um bei den jugendlichen Straftätern etwas zu erreichen. Wie geht Eva, die plötzlich zum Opfer derer wird, für die sie sich einsetzt, mit der Situation um? Beginnt sie an Ihren Idealen zu zweifeln? Und wird Ben seine Schuld bekennen? Ist ein Täter-Opfer-Ausgleich überhaupt möglich?

Präsentiert wurde der Film in Ludwigshafen vom Hauptdarsteller Edin Hasanovic, dem Regisseur Lars Gunnar Lotz und der Producerin Franziska Specht, die nach der Vorführung beim Filmgespräch den beiden Moderatoren Dr. Josef Schnelle und Julia Teichmann Rede und Antwort standen. Entstanden ist die Idee zu diesem Film laut Regisseur Lars Gunnar Lotz in Gesprächen mit Sozialabeitern aus seinem Freundeskreis, deren Arbeit in den üblichen Krimis regelmäßig unterbewertet und oft auch falsch dargestellt wird. Daher suchte er zusammen mit der Autorin Anna Maria Praßler nach einem besonderen Ansatz, der auch spannend sein sollte. Durch Zufall stießen die beiden dann auf das »Seehaus Leonberg«, eine einzigartige Einrichtung des Freien Vollzugs, das die Vorlage für das »Waldhaus« aus dem Film werden sollte. Es folgten mehrere Besuche dort und viele Gespräche mit den jugendlichen Straftätern. Schließlich verbrachte das ganze Team einen Tag dort.

Die Producerin Franziska Specht berichtete von den vielfältigen Problemen eines Filmprojekts und der intensiven Suche nach einem geeigneten Drehort, der schließlich auf der schwäbischen Alb gefunden wurde, während der Hauptdarsteller Edin Hasanovic mit viel Witz erzählte, wie er sich auf die Rolle vorbereitet hat: Er habe angefangen, die Jugendlichen auf den Straßen von Berlin zu studieren und nachzumachen, was ihm auch gut gelungen zu sein scheint. Denn sowohl die jugendlichen Straftäter als auch die Sozialarbeiter fanden sein Auftreten im Film »total cool« als sie den Film schon vorab sehen durften.

Doch eines war dem jungen Schauspieler, der während der Dreharbeiten gerade in den Vorbereitungen auf sein Abitur steckte wichtig: Er kann zwar verstehen, wie sich die Figur des Ben verhält, er hat aber kein Verständnis für dessen Verhalten und keinerlei Sympathie für die Figur. Hier müsse klar zwischen der Figur und dem Schauspieler unterschieden werden, meinte der Darsteller, der zu Drehbeginn bereits in zwei Staffeln des »Kriminaldauerdienstes« mitgemacht hatte und auch in den beiden Tatort-Folgen »Die Heilige« (2010) und »Der Wald steht schwarz und schweiget« (2012) mitgespielt hat.

Filmgespräch zu »Schuld sind immer die Anderen«: Moderator Josef Schnelle, Producerin Franziska Specht, Hauptdarsteller Edin Hasanovic, Regisseur Lars-Gunnar Lotz, Moderatorin Julia Teichmann. Foto: © kriminetz.de
Die Producerin Franziska Specht koordinierte das Filmprojekt »Schuld sind immer die Anderen«. Schauspieler Edin Hasanovic spielte darin den Ben. Foto: © kriminetz.de.