Holger Joos mit Ludwigshafener Drehbuchpreis 2014 ausgezeichnet

Holger Joos erhielt für seine Vorlage zum Film "Ein offener Käfig" den Drehbuchpreis 2014. Foto © Jürgen Schmid

Der in Frankfurt lebende Autor Holger Joos erhielt am 2. Juli beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen den Drehbuchpreis 2014 für sein Buch zum Film Ein offener Käfig. „Ein Drehbuch, das uns begeistert hat hinsichtlich seiner Tiefe und Glaubwürdigkeit, auch seiner Menschlichkeit jenseits allen Kitschees – denn wie im wirklichen Leben ist es eben nicht so einfach, zu sagen, welche Seite Recht hat.“ So Laudator Dr. Michael Kötz in seiner Rede. Holger Joos zitierte Billy Wilder, nach dem es drei Zutaten bräuchte für ein guten Film: erstens ein Drehbuch, zweitens ein Drehbuch, drittens ein Drehbuch. Holger Joos ergänzte, für einen guten Film bräuchte man noch einen Produzenten und einen Redakteur und zusätzlich viele Menschen, die aus seinen Seiten einen Film machen: Maskenbildner, Kameraleute und viele andere mehr. Er bedankte sich bei allen Menschen, die gemeinsam diesen Film möglich gemacht haben.

Ein offener Käfig beginnt mit dem, was eine Gesellschaft am meisten schützen soll: Kinder. Mitten in das Fest des Autohauses, bei denen Kinder auf Bobbycars um die Wette eifern, platzt ein Anruf für den Besitzer Robert Döhring. Und jetzt ist nichts mehr, wie es für den angesehenen Bürger der Kleinstadt vorher war. Ein Sozialarbeiter teilt ihm mit, er solle seinen Halbbruder Georg bei sich aufnehmen. Robert hatte noch nicht mal seiner Lebensgefährtin und deren Tochter von dessen Existenz erzählt. Und nun soll ausgerechnet Georg, der fünfzehn Jahre Gefängnis und anschließende Sicherheitsverwahrung wegen dreier brutaler Vergewaltigungen hinter sich hat, für sechs Wochen in seinem Haus wohnen. Ein Haus, das auch Georg zur Hälfte gehört. Dementsprechend frostig fällt das Wiedersehen zwischen den Brüdern aus. Dargestellt werden die beiden von dem als Tatort-Kommissar bekannten Oliver Mommsen und Martin Feifel, der oft in Filmen den Psychopathen mimt.

Das Unvermeidbare geschieht, die Bewohner der Kleinstadt finden heraus, wer da heimgekommen ist und es beginnt mächtig zu brodeln, denn sie wollen Georg nicht hier haben. Und plötzlich kocht sie über, die Angst um die Ehefrauen und Töchter, viele haben große Bedenken, Georg könne rückfällig werden. Auch Roberts Lebensgefährtin hat Angst um ihre Tochter aus einer früheren Beziehung und fordert ihn auf, dafür zu sorgen, dass sein Bruder das Haus verlässt. Die Nachbarn protestieren derweil vor der Haustür. Aber was ist eigentlich los zwischen den beiden Brüdern?

Einer trage des anderen Last

Der Konflikt zwischen Brüdern ist bereits mit dem ersten biblischen Brüderpaar beschrieben worden, der allerdings mit einem Mord endete. Kain erschlug Abel. Davon sind Georg und Robert weit entfernt. Aber etwas steht zwischen beiden, oder ist es nicht eher etwas Verbindendes, etwas, das die beiden verhängnisvoll aneinanderkettet? So dass der eine nicht von dem anderen lassen kann? Denn auch Robert frägt sich, weshalb Georg wieder zurück kommt in ausgerechnet dieses Vaterhaus, in dem er geschlagen und gedemütigt wurde, in dem der als kleiner Junge die Szene mit anschauen musste, als die Mutter erniedrigt wurde. Danach gefragt, antwortet er „Braucht es einen Grund, um nach Hause zu kommen?“

Robert stellt sich die Frage nach seiner eigenen Schuld. Aber man driftet leicht ab in küchenpsychologische Weisheiten und Erklärungen, die Georg selbst ratlos vom Tisch wischt. „Was ist, wenn ich einfach nur ein böser Mensch bin?“

Am Ende ist es Georg, der los lässt. Der Film präsentiert jedoch keine Lösung für ein Problem, das sich nicht mit einer goldenen Regel lösen lässt: die Wiedereingliederung von Sexualstraftätern in die Gesellschaft, deren zivilisatorische Regeln sie selbst so brutal verletzt haben.

Holger Joos zeichnet differenzierte Bilder seiner Personen. Seine feinfühligen psychologischen Porträts haben einen Film mit Tiefgang entstehen lassen. Der Film hinterlässt nachdenkliche Zuschauer, die sich auch selbst fragen müssen, ob sie „neben einem solchen“ wohnen möchten, zumal, wenn sie Kinder haben.

Im Anschluss an den Film und die Preisverleihung fand ein Publikumsgespräch unter der Moderation von Julia Teichmann und Günter Minas gemeinsam mit Michael Schmidl, Fernsehredakteur des SWR, und Holger Joos statt.

Holger Joos erzählte von seinem Schreibtisch, an dem er in einer idealen budgetfreien Welt seine Fantasie entfaltet. Doch dieses unendliche Budget kann bei einer Produktion nicht aufgewendet werden. Der Autor sieht sich selbst als kleines Teil eines Ganzen, in dem der Regisseur so etwas wie der Koch sei, der die Zutaten mixt. Ob er mehr oder weniger Salz dazu mengt, entscheide der Regisseur. Mit dem SWR-Redakteur Michael Schmidl hat er bereits zum dritten Mal zusammen gearbeitet.
Der Film stelle Fragen, worauf wir keine Antwort haben. Es sei einfach zu sagen, die Täter bekommen eine zweite Chance. Es bleibe jedoch die Frage, wo dies stattfinden soll. Auch die Straftäter seien auf der Flucht: Vor ihrer Vergangenheit, vor ihren Trieben und vor der nächsten Tat. Am besten würden sie in der Anonymität einer Großstadt leben, wo sie keiner kennt.
Es ginge ihm als Autor bei dem Film um den Konflikt zwischen den beiden Brüdern, wobei der ältere Bruder es genießt, das Machtgefühl über den jüngeren auszuleben. Sein Stoff funktioniere aus den Figuren heraus.
Michael Schmidl bestätigt, es sei ein unlösbarer Konflikt, wo die Täter nach Verbüßung ihrer Haftstrafen leben sollen. Die im Fall erwähnten Statistiken seien real, die Rückfallquote der Täter läge bei ungefähr zehn Prozent.

Ein Interview mit Holger Joos könnt ihr hier lesen.

„Ein offener Käfig“ wird am 4. Juli mit dem Medienkulturpreis 2014 ausgezeichnet. Am Film Beteiligte: Regisseur Johannes Grieser, Kamera Jürgen Carle, Schnitt Sabine Garscha, Musik Jens Langbein und Robert Schulte Hemming, Ton Tom Doepgen. Produzenten: Sabine Tettenborn und Oliver Lehmann. Die Redaktion lag bei Michael Schmidl und Dr. Manfred Hattendorf, beide SWR.

Sendetermin im Fernsehen: In der Reihe Mittwochsfilme am 10. September, ARD, 20.15 Uhr. Begleitend zum Film wird eine Dokumentation zum Thema ausgestrahlt.

Auf der Insel ist der Film noch an folgenden Tagen zu sehen: 3. Juli, 22.00 Uhr und am 4. Juli, 18.00 Uhr.

Zum Gesamtprogramm des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen

Preisträger Holger Joos mit Laudator Michael Kötz. Foto © Jürgen Schmid
Beim sich an den Film und die Preisverleihung anschließenden Publikumsgespräch befragten Günter Minas (li.) und Julia Teichmann Michael Schmidl und Holger Joos. Foto © Jürgen Schmid