Eine Insel für Kriminelles - Das Juister „Tatort Töwerland Stipendium“

Rainer Wittkamp liest im Restaurant Küchenwerkstatt

Im Bereich Genreliteratur gibt es wenige Auszeichnungen für Autorinnen und Autoren, die meisten davon zudem undotiert. Bei den Stipendien sieht es noch schlechter aus. Nachdem das Wiesbadener Krimistipendium seit 2012 nur noch an Einzelpersonen vergeben wird, stellt das Tatort Töwerland Stipendium die rühmliche Ausnahme dar. Ausrichter dieser Förderung speziell für Krimiautoren ist eine kleine Gruppe krimiinteressierter Menschen auf der Insel Juist, die das Stipendium jährlich in Zusammenarbeit mit dem SYNDIKAT vergibt, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur. Das Stipendium umfasst einen 14-tägigen Aufenthalt auf der ostfriesischen Insel, die Unterkunft (Hotel oder Ferienwohnung) wird gestellt, für Verpflegung und Fährfahrt ist gesorgt. Insgesamt vier Autoren jährlich können das Stipendium erhalten und sich auf Juist zwei Wochen lang ganz dem Schreiben widmen.

Juist versteht sich als die deutsche Krimiinsel und das zu Recht. Dieses Jahr findet dort vom 29. bis 31. August zum neunten Mal das Krimifestival Tatort Töwerland statt. Antriebsmotor hinter dem Festival und dem Stipendium ist Thomas Koch, der die einzige Buchhandlung auf Juist leitet. Gemeinsam mit der Schriftstellerin Sandra Lüpkes, die ihre Kindheit und viele Erwachsenenjahre hier verbrachte, hat er das Stipendium aus der Taufe gehoben. Tatort Töwerland - so hieß auch der erste Juist-Krimi von Jan Zweyer, der dem Festival und Stipendium den Namen gab. "Töwerland" lässt sich etymologisch aus dem mittelniederländischen Wort töver herleiten, das „Zauber“ bedeutet. Und dass Juist eine zauberhafte Insel ist, wird jeder bestätigen, der sie einmal besucht hat.

Die Erwartungen an die Stipendiaten sind überschaubar. Die Autorin/der Autor soll an einem Kriminalroman arbeiten, wobei das Thema des Buches nichts mit der Insel Juist zu tun haben muss. Die Stipendiaten verpflichten sich, eine unbezahlte Lesung durchzuführen und ihren Aufenthalt auf Juist im Vor-, oder Nachwort des entstehenden Buches zu erwähnen. Interviews und Fotoaufnahmen sind gegebenenfalls kostenfrei zu gewähren. Bewerben können sich nur AutorInnen, die bereits mindestens einen Roman oder mehrere Kurzgeschichten in professionellen Verlagen veröffentlicht haben. Publikationen in Druckkostenzuschuss- oder Selbstverlagen werden nicht akzeptiert. Die Stipendiaten müssen ohne Anhang anreisen und auf der Nordseeinsel an ihrem Buch arbeiten. Der Aufenthalt sollte in der Vor- bzw. Nachsaison stattfinden.
Der Ansprechpartner für interessierte AutorInnen ist Thomas Koch. An ihn ist auch das Bewerbungsschreiben mit Angabe des ungefähren Wunschtermins, eine Vita und Bibliografie zu senden. Das Buchprojekt sollte durch ein Exposé, eine Leseprobe und eventuell der Kopie des vorliegenden Verlagsvertrages vorgestellt werden (Bitte keine Bewerbungsunterlagen per Email einreichen, da die Unterlagen nicht zurückgeschickt werden):

Thomas Koch
Stichwort "Tatort Töwerland"
Friesenstraße 23
26571 Juist

Eine Jury entscheidet autonom und (gewollt) subjektiv über die Zulassung, ihre Entscheidung ist unanfechtbar und muss nicht begründet werden. Einsendeschluss für die nächstjährige Bewerbung ist jeweils der 30. September.

„Vierzehn Tage auf engstem Raum, ohne Fluchtmöglichkeit - Schiffe gehen, wenn überhaupt, einmal am Tag - zwanghafte Ruhe (statt Autos nur Kutschen und Fahrräder), eingeschränkter Täterkreis (etwas mehr als 1000 grimmige Insulaner) …

Dies ist todsicher ein ideales Umfeld zum Schreiben eines spannenden Kriminalromans oder einer -geschichte.“ - so steht es auf der Homepage des „Tatort Töwerland“ - und das trifft es recht gut. Ich war dieses Jahr der erste Stipendiat und habe geradezu ideale Schreibbedingungen vorgefunden. Im Mai letzten Jahres hatte ich mich für das Stipendium mit einem Exposé beworben, das die Grundlage für den dritten Roman meiner Reihe mit dem Berliner LKA-Ermittler Martin Nettelbeck bilden sollte. Ende November erhielt ich dann von Thomas Koch die Zusage, die Insel vom 03. bis zum 17. April zu besuchen.

Das Fährschiff, das mich von Norddeich Mole nach Juist brachte, fuhr die ganze Zeit durch dichten Nebel, erst kurz vor dem Anlegen sah ich die Insel zum ersten Mal. Thomas Koch erwartete mich am Kai und brachte mich zum Hotel Friesenhof, wo mich Hoteldirektor Hans-Georg Peters sehr warmherzig willkommen hieß. Es stimmte vom ersten Moment alles: Mein Zimmer, das freundliche Hotelpersonal, die vorzügliche Küche – nichts hätte besser sein können. Ich schrieb jeden Tag sechs Stunden im Salon, mit Blick auf die Hauptstraße, da mir ein abgeschiedenes Arbeiten in meinem ruhigen Zimmer nicht gelegen hätte. Von Berlin her bin ich nun mal an einen bestimmten Geräuschpegel gewöhnt. Das Schreiben lief sehr gut und da das Wetter noch sehr ruppig war, unternahm ich nur kurze Strandbesuche und besuchte stattdessen jeden Tag das Meerwasserschwimmbad. Also nicht nur Arbeit, sondern Erholung pur.

Meine Lesung im Restaurant „Küchenwerkstatt“ fand gegen Ende des Juistaufenthaltes statt. Sie war gut besucht, da am Wochenende zuvor die Ferien in NRW begonnen hatten und viele Touristen auf die Insel gekommen waren. Es herrschte richtiger Trubel - für Juister Verhältnisse. Sogar einen Sonnenbrand habe ich vier Tage vor der Abreise noch bekommen. Meinen Plan, während des Stipendiums die Privatstränge für den nächsten Kommissar-Nettelbeck-Band, also die Nummer 3 zu schreiben, habe ich erfüllt. Und das in äußerst entspannter Atmosphäre, woran Thomas Koch großen Anteil trägt. Er ist für uns Kriminalautoren wirklich ein Glücksfall: Er liebt Krimis, kennt sich in der Genregeschichte bestens aus und - da seine Familie bereits in der fünften Generation mit Büchern zu tun hat - ebenfalls im Buchgeschäft. Außerdem kann er auch die eine oder andere Anekdote zum Besten geben. Als Fazit meiner Zeit auf Juist kann ich eins sicher sagen: Die Kombination von Insel und Mord ist einfach perfekt und ich bin überzeugt, dass noch viele andere KriminalautorInnen diese Erfahrung machen werden und dürfen.

Zur Autorenwebsite hier klicken

Ankündigung der Lesung von Rainer Wittkamp auf Juist im Rahmen des Tatort Töwerland-Stipendiums
Rainer Wittkamp mit Judith Merchand und Thomas Koch
Impression von Juist