Sieben Fragen an Anna Schneider

Das Foto zeigt Anna Schneider. © Foto: Marcella Merk

Die Schriftstellerin Anna Schneider ist eine der diesjährigen Gewinnerinnen des Juist-Krimi-Stipendiums. Juist gilt als DIE Krimi-Insel, auf der alljährlich das Krimifestival Tatort Töwerland stattfindet. Bis zu vier KrimiautorInnen werden jährlich für zwei Wochen eingeladen, bei freier Kost und Logis. Im Gegenzug verpflichten sie sich zu einer Lesung während ihres Aufenthaltes auf der Insel.
Anna Schneider hat mit Blut ist im Schuh einen Jugendthriller und etliche Kurzkrimis veröffentlicht. Sie gewann 2008 den Women’s Edition Kurzkrimi-Preis, eine weitere ihrer Kurzgeschichten wurde für einen österreichischen Krimipreis nominiert. Die Schriftstellerin hat sich von ihrem Leben als Managerin verabschiedet und lebt heute als Freischaffende mit ihrer Familie in München.

Für Kriminetz beantwortete Anna Schneider sieben Fragen.

Kriminetz: Die Bewerbung für das Krimiinsel-Stipendium ist mit einem Projekt verbunden. Für welches Projekt hast du den Zuschlag erhalten?

Anna Schneider: Den Zuschlag bekam ich für ein noch unveröffentlichtes Manuskript eines Jugendthrillers, das sich mit dem Thema erste große Liebe und Cybermobbing beschäftigt. Da mir diese Geschichte sehr am Herzen liegt, habe ich mich unglaublich gefreut, dass ich damit die Jury überzeugen konnte. Auf Juist habe ich erneut daran gearbeitet und hoffe nun, dass sie bald bei einem Verlag eine Heimat findet, damit auch meine Leser sie kennenlernen können.

Kriminetz: Konntest du die zwei Wochen ohne die alltäglichen Verpflichtungen, die einen zuhause umgeben, so richtig genießen und mehr schreiben als sonst?

Anna Schneider: So ganz einfach war das für mich nicht. Ich hatte mir für meinen Aufenthalt vorgenommen, an einem Krimi für Erwachsene zu arbeiten. Aber schon die Fahrt zur Insel, die ich in einem Schlafwagenabteil verbrachte, war so abenteuerlich, dass sie meine Fantasie beflügelte. Und so ging es mir eigentlich dauernd: Nach jedem Spaziergang über die Insel kam ich mit Fotos zurück, auf denen ich Dinge festgehalten habe, die mich faszinierten: der Dünenfriedhof, der Hammer See, der Hafen usw. Als schließlich der Orkan „Christian“ über die Insel wütete, wurde die Idee für einen neuen Jugendthriller geboren, in dem einige der fotografierten Orte eine Rolle spielen ...
Die Insel war insofern absolut inspirierend. Das routinierte Schreiben, bei dem ich mich jeden Tag auf die Geschichte einlassen und in eine andere Haut schlüpfen muss, gelingt mir in meinem gewohnten Umfeld allerdings besser. An meinem Schreibtisch gibt es nicht so viel Ablenkung.

Kriminetz: Was war deine ungewöhnlichste Begegnung in diesen Wochen?

Anna Schneider: Da gab es unendlich viele, die ich tatsächlich alle notiert habe. Erzählen möchte ich aber von einem abendlichen Besuch einer Kneipe, in der mir die Geschichten verschiedener Bewohner der Insel erzählt wurden. So erfuhr ich, dass der Bestatter der Insel, der auch zu Gast in dem Wirtshaus war, noch einen zweiten Beruf hat: Seenotretter.
Da geht natürlich gleich meine kriminelle Fantasie mit mir durch: Wenn das ein Bösewicht wäre – was der Mann sicher nicht ist - dann würde er sich bei jedem Notfall auf See fragen: „Retten oder Bestatten“. Da bekommt Baywatch auf Juist eine ganz besondere Note.

Kriminetz: In deinem Jugendthriller „Blut im Schuh“ geht es auch um Stalking. Was hat dich dazu bewogen, dich mit diesem Thema literarisch auseinander zu setzen?

Anna Schneider: Die Vorstellung, permanent von jemandem aus dem Verborgenen heraus beobachtet zu werden, ist für mich der absolute Horror. Schwierig ist es natürlich gerade dann, wenn man ein unbestimmtes Gefühl, jedoch keinen konkreten Verdacht hat. Ein Stalker, der sich zu erkennen gibt, gegen den kann ich etwas ausrichten. Ganz anders, wenn derjenige sich keine Blöße gibt. Ich denke, jeder hat solche Ängste – und genau damit kann ich dann wunderbar in meinen Büchern spielen.

Kriminetz: Vollende bitte den Satz: Schreiben bedeutet für mich …

Anna Schneider: ... die Welt mit den Augen eines anderen zu sehen, in eine völlig andere Haut zu schlüpfen und immer wieder neue Geschichten zu erleben.

Kriminetz: Du hast eine Dissertation in Betriebswirtschaftslehre verfasst. Verrätst du uns das Thema? Und hast du manchmal Sehnsucht nach deinem Leben als Personalberaterin in einer Frankfurter Großbank?

Anna Schneider: Aber natürlich! Das Thema lautete „Betriebsräte vor neuen Aufgaben“, wobei es sich um eine empirische Untersuchung der Arbeitsgebiete und -strukturen der betrieblichen Interessenvertretung in modernen Organisationen handelte.
Ich denke immer noch sehr gerne an meine Zeit in der Bank zurück, denn ich hatte dort einen interessanten und verantwortungsvollen Beruf, ein Büro im 35. OG eines Hochhauses und tolle Kollegen. Wären wir nicht aus Frankfurt weggezogen, würde ich sicher auch heute noch dort arbeiten.
Mein Familien-Alltag lässt sich jedoch mit einer freischaffenden Tätigkeit besser vereinen und Schriftstellerin zu sein war schon immer mein Traum. Ich bin insofern unglaublich froh und dankbar, dass ich es gewagt habe, mich noch einmal beruflich neu zu orientieren und hoffe sehr, dass ich diesen Beruf noch lange ausüben darf.

Kriminetz: Juist – mal wieder eine Reise wert?

Anna Schneider: In jedem Fall! Thomas Koch, der Inhaber der Inselbuchhaltung hat mich sehr herzlich empfangen und auch alle anderen Bewohner der Insel waren so nett und zuvorkommend, dass ich gar nicht anders konnte, als mich dort wohlzufühlen. Allein die Tatsache, dass es dort keine Autos gibt, entschleunigt den Alltag ungemein. Das habe ich wirklich sehr genossen. Und da ich schon immer ein Nordsee-Fan war und es mich seit einigen Jahrzehnten immer wieder an die Küste zieht, bin ich sicher, dass es nicht mein letzter Aufenthalt dort war.

Vielen Dank, Anna Schneider, für die Beantwortung der Fragen.

Link zur Website von Anna Schneider

Am Strand der Krimiinsel Juist. © Foto: Anna Schneider
Verschlungene Wege auf Juist. © Foto: Anna Schneider
Impression auf der Krimiinsel Juist. © Foto: Anna Schneider