Sieben Fragen an Bernhard Aichner

Das Foto zeigt Bernhard Aichner. Foto: © fotowerk aichner

Der österreichische Schriftsteller Bernhard Aichner erhielt am 1. November den Burgdorfer Krimipreis 2014. Die Jury begründet die Vergabe an ihn folgendermaßen: "Bernhard Aichner treibt seinen Krimi rasant voran. Dabei setzt er irrwitzige und sprachlich völlig überraschende Dialoge zwischen den beiden liebenswerten Antihelden ein. Vor allem dies hat die Jury überzeugt. Dieses stilistische Experiment ist rundum gelungen und macht Leichenspiele zu einem ganz besonderen Leseerlebnis." Damit ist eigentlich schon viel gesagt. Bleibt noch anzumerken, dass er 1972 in Innsbruck geboren wurde und bereits einige Preise erheilt: 1995 den ÖH Literaturpreis, 1998 den Brachland Literaturpreis, 2002 den Kunstpreis der Stadt Innsbruck, 2006 den Christoph Zanon Literaturpreis, 2008 das Österreichische Staatsstipendium für Literatur sowie 2008 das Tiroler Landesstipendium für Literatur.
Nach mehreren Romanen, darunter die Max-Broll-Reihe im Haymon-Verlag, erschien in diesem Jahr sein Thriller Totenfrau bei btb. Die Rechte dafür sind bereits in mehrere Länder verkauft, ebenso sind die Filmrechte verkauft.

Neben seinen Romanen hat Bernhard Aichner auch Theaterstücke und Hörspiele veröffentlicht.

Für Kriminetz beantwortete Bernhard Aichner sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast für Recherche-Zwecke ein halbes Jahr als Bestatter gearbeitet. Mit allem was dazuhört? Könntest du nun „eine schöne Leich’“ nach allen Regeln der Kunst herrichten?

Bernhard Aichner: Ja, das könnte ich wohl. Die Arbeit in der Bestattung war eine sehr tolle und demütige Erfahrung für mich, dem Tod so nahe zu kommen, zu spüren, was es heisst, wenn das Leben nicht mehr da ist. Ich habe bei der Versorgung der Verstorbenen, die zur Verabschiedung am offenen Sarg vorbereitet werden, mithelfen dürfen. Da gehört alles dazu, ich habe wohl nichts ausgelassen. Und wie gesagt, schön war´s. Jedesmal wenn ich mit der Arbeit fertig war bin ich hinaus in den Tag und dachte mir, oh, wie schön ist doch dieses wunderbare Leben.

Kriminetz: In deinem Thriller „Totenfrau“ adoptiert ein Bestatter-Ehepaar ein Mädchen und richtet sie regelrecht ab für ihren zukünftigen Beruf. Zuneigung gibt es für sie keine. Keiner befreit sie aus diesem elendigen Leben, niemand hilft ihr. Gab es etwas, was dich zu diesem Teil deines Plots angeregt hat?

Bernhard Aichner: Es gibt so viel Leid da draußen. Im Grunde lesen wir jeden Tag in der Zeitung von solchen Schicksalen, von Kindern, die nicht das Glück hatten in eine schöne, funktionierende Familie hineingeboren worden zu sein. Es gibt so viele Kinder, die leiden, die Dinge tun müssen, die unerträglich sind, es gibt Missbrauch vor unserer Haustür, im Nachbarhaus, Kinder werden geschlagen und gedemütigt, Leben werden zerstört. Jeden Tag, überall, Inspiration gab und gibt es also genug, um sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen.

Kriminetz: In deinen Max-Broll-Krimis ermittelt ein Totengräber. Totengräber rangierten früher in etwa auf derselben hierarchischen Ebene im Gemeinleben wie der Henker. Also eigentlich ziemlich unten. Max Broll scheint dies ganz gelassen zu nehmen?

Bernhard Aichner: Ich wollte einen Helden schaffen, der zutiefst menschlich ist, einen, der nicht heraussticht, einen, der absolut durchschnittlich ist. Einen Gemeindearbeiter, der einen Job macht, den sonst niemand machen will. Max Broll wird im Dorf nicht besonders beachtet, im Gegenteil, man macht sogar einen Bogen um ihn, weil er mit dem Tod zu tun hat. Und dem Tod geht man bekanntlich aus dem Weg. Niemand beneidet diesen Mann, er kann frei und unbeschwert sein Leben leben und es genießen. Das hat Vorteile. Und was seinen Job betrifft: Max liebt ihn, er ist ständig an der frischen Luft, er betätigt sich körperlich, spart sich das Fitnessstudio und niemand sagt ihm, was er wie zu tun hat. Eigentlich ein Traumjob. :-)

Kriminetz: Du hast den Burgdorfer Krimipreis für „Leichenspiele“ erhalten. Darin wird Max dazu verführt eine Leiche am Friedhof verschwinden zu lassen, es geht um Transplantationstourismus, die Ermittlungen führen in eine Schönheitsklinik. Das Buch ist nicht grade ein Plädoyer dafür, einen Organspendeausweis, wie man ihn in Deutschland bräuchte, bei sich zu führen?

Bernhard Aichner: Es ist ohnehin so, dass Organspendeausweise unnötig sind, es werden hierzulande jedem ohne Zustimmung, legal Organe entnommen. Jedem, der keine Verfügung erstellt hat, dass er das nicht möchte. Also im Grunde ist jeder ein Organspender und das ist auch gut so, denke ich. Man kann Leben retten. Dass es aber auf dieser Welt Wege gibt, den normalen Weg zu umgehen und die Dinge zu beschleunigen, ist beängstigend. Für einen Sack voll Geld kann man sich heute nahezu alles kaufen. Man mietet sich in Indien in einer schönen Klinik ein und fährt zwei Wochen später mit einer neuen Niere nach Hause. So ist einfach ist das. Woher die Niere kommt, danach fragt niemand...

Kriminetz: Du hast sehr viele Lesertermine. Genießt du es, auf deine Leser und Leserinnen zu treffen? Was bedeutet für dich die Begegnung mit Publikum? Nimmst du etwas daraus mit?

Bernhard Aichner: Ich liebe es zu lesen. Zum einen, weil ich Sprache liebe, den Rhythmus, mit dem ich meine Bücher schreibe, den Klang. Zum anderen, weil es mir große Freude macht, zu sehen, wie dieser Klang bei den Menschen ankommt. Ob sie mitgehen, ob ich sie mit meiner Sprache und meinem Sound fesseln kann. Toll ist das. Vorlesen ist wie, ein Instrument zum klingen zu bringen. Meine Wörter klingen dann, und das ist wunderschön.

Kriminetz: Du bist auch als Fotograf tätig. Was verbindet die beiden Berufe? Ist ihnen irgendetwas gemeinsam?

Bernhard Aichner: Es ist wohl das genaue Hinsehen, das Beobachten, das schnelle Erfassen eines Bildes, einer Szenerie. Ich habe durch die Fotografie gelernt, Bilder schnell zu erzählen, knapp, präzise. Ich verzichte auf den Schmuck, konzentriere mich auf das wesentliche.

Kriminetz: Ist Erfolg planbar?

Bernhard Aichner: Erfolg hat mit Fleiß zu tun, mit Hartnäckigkeit, mit Liebe zu dem, was man macht, mit Leidenschaft, mit Feuer. Ich bin davon überzeugt, dass wenn man etwas unbedingt will, wenn man bereit ist, alles dafür zu geben, dass man es auch erreichen kann. Erfolg passiert nicht von heute auf morgen, er wächst. Erfolg ist wohl wie eine Pflanze, wenn man sie nicht gießt, geht sie ein, wenn man sie liebevoll pflegt und immer für sie da ist, wächst sie.

Vielen Dank, Bernhard Aichner, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Link zur Website von Bernhard Aichner