Sieben Fragen an Erol Yesilkaya

Drehbuchautor Erol Yesilkaya im Sommer 2016 beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Erol Yesilkaya hat in Marburg einen Magister Artium in Neuere Deutsche Literatur und Medien erworben. Er lebt und schreibt in Berlin, wo er in der Bürogemeinschaft Schreibkombinat Kurt Klinke arbeitet. Gemeinsam mit Michael Proehl, der das Drehbuch zum Murot-TATORT „Im Schmerz geboren“ verfasste, schrieb er den HR-TATORT „Das Haus am Ende der Straße“, der auf dem Max Ophüls-Filmfest seine Premiere hatte.
Beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen wurde der neue HR-TATORT mit Ulrich Tukur Es lebe der Tod erstmalig in der Öffentlichkeit gezeigt, für den Erol Yesilkaya das Drehbuch schrieb. Seine Filmografie umfasst des Weiteren die Drehbücher zu „Hinter dem Spiegel“, „Alle meine Jungs“, „Die 13. Wahrheit“ und „Gonger“. Gerade fertiggestellt wird der neue Münchner Tatort „Die Wahrheit“.

Für Kriminetz beantwortete Erol Yesilkaya sieben Fragen.

Kriminetz: Sie sprachen in Ludwigshafen davon, dass Sie mit Michael Proehl im selben Büro sitzen. Darf man sich das als Gemeinschaft von mehreren Kreativen vorstellen?

Erol Yesilkaya: Richtig. Michael sitzt zusammen mit vier weiteren Autoren, einer Autorin und mir in einem netten Kellerbüro im Herzen Berlins und dort arbeiten wir in wechselnder Besetzung, (oft) gemeinsam an unseren Projekten. Um das Kind beim Namen nennen zu können, haben wir uns „Schreibkombinat Kurt Klinke“ genannt. (Kurt Klinke war ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, der in dem Haus gelebt hat, in dem wir unser Büro haben.) Wenn man sich für unsere filmischen Missetaten interessiert, kann man uns auf unserer Facebook Seite ein wenig stalken. Schreibkombinat Kurt Klinke auf FB

Kriminetz: Von wem kam die Idee zum HR-TATORT „Es lebe der Tod“ und wie haben Sie sich dem Stoff angenähert?

Erol Yesilkaya: Die Idee stammt von mir und entstand unmittelbar nach einem Telefonat mit HR Redakteur Jörg Himstedt. Er rief an und fragte, ob ich Zeit und Lust hätte „den neuen Tukur Tatort zu schreiben.“ Eigentlich wollte ich ablehnen – nicht nur weil ich an ein anderes Projekt gebunden war, sondern weil die Vorstellung, nach zwei so bekannten und gefeierten Tatorten wie „Wer bin ich?“ und vor allem Im Schmerz geboren zu laufen, einen sehr unter Druck setzt. Die Erwartungshaltung der Tatort-Fans und der Presse ist so hoch, dass man eigentlich nur scheitern kann. Also bat ich Jörg Himstedt um etwas Bedenkzeit.

Aber kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, war die Idee von „Es lebe der Tod“ einfach in meinem Kopf. Peng. Von ganz allein. Anscheinend wollte diese Geschichte erzählt sein.
Ich sprach daraufhin mit meinem Regisseur Sebastian Marka über die Idee. Wir waren uns sofort einig, dass wir uns stilistisch und inhaltlich genau entgegengesetzt zu den letzten beiden Tukur Tatorten verhalten wollten. Keinen abgefahrenen Metafilm, sondern zurück zum Erzählkino – zum düsteren Psychothriller. Da fühlen wir uns wohl.

Kriminetz: Welche Figuren sind generell für Sie am Interessantesten zu gestalten?

Erol Yesilkaya: Das kann man so generell nicht sagen. Es zeigt sich oft erst beim Schreiben welche Figuren man wirklich liebt und welche weniger.
Aber wenn ich mit vorgehaltener Pistole antworten müsste, dann wären die interessantesten Figuren wohl der Protagonist und der Antagonist – also Held und Bösewicht. Wenn diese beiden Figuren in ihrem Charakter ähnlich sind, in ihren Zielen aber so unterschiedlich wie möglich, dann hat man schonmal einiges richtig gemacht – meiner Meinung nach.

Kriminetz: Haben Sie die Hauptdarsteller getroffen, bevor Sie sich an die Arbeit machten?

Erol Yesilkaya: Ja. Ich habe mich in kleiner Runde mit der Redaktion, dem Regisseur und den Haptdarstellern Ulrich Tukur und Barbara Philipp getroffen. Dort haben wir den Darstellern das Konzept von „Es lebe der Tod“ erläutert. Daraufhin hat Ulrich Tukur mich dazu genötigt Froschschenkelsuppe zu probieren – zum Glück. Das war lecker.

Kriminetz: Was ist das Besondere an den Tatorten mit Ulrich Tukur? Was unterscheidet ihn von anderen Filmen der beliebten Sonntagabend-Reihe?

Erol Yesilkaya: Jeder Tatort hat seine eigene Farbe, weckt beim Zuschauer eine bestimmte Erwartung. Im Tatort Münster erwartet man Humor, bei Herrn Schweiger in Hamburg darf es ordentlich krachen, bei Herrn Milberg in Kiel ist psychologischer, düsterer Thrill im Stil von Henning Mankell angesagt, usw. Und in Wiesbaden mit Tukur und Philipp darf man das Unerwartete erwarten. Da ist Platz für erzählerische und stilistische Experimente. Und man genießt eine große kreative Freiheit, die man den Filmen auch ansieht.

Kriminetz: Was macht für Sie den Reiz aus, in Berlin zu leben? Haben Sie einen Lieblingsort in der Stadt?

Erol Yesilkaya: Ich liebe es, dass man in Berlin die Hippster anhand ihrer Kleidung kaum von den Bettlern unterscheiden kann. Ich liebe es, dass man in Berlin alles finden kann, wonach man sucht - egal ob Menschen, Dinge, oder Zustände. Und natürlich gefällt es mir extrem gut, dass sehr viele gleichgesinnte, also Kreative in Berlin leben.
Die Frage nach dem Lieblingsort finde ich toll. Da gibt es eine Menge wunderbare Orte. Und man sollte sich beeilen, sie zu sehen, weil alles sich so schnell verändert. Den wundervollen Biergarten Heinz Minki gibt es schon längst nicht mehr. Genauso wenig wie die legendäre Bar 25. Dafür gibt es jede Menge andere Orte. Ich nenne sie, wie sie mir einfallen: Die Primitiv Bar in der Simon Dach Straße, der Cassiopeia Sommergarten in der Revaler Straße, die Monster Ronson Karaoke Bar. Der Comicladen Modern Graphics, in der Oranienstraße, ist absolut essenziell. Die Weiße Villa in Friedrichshagen ist unter der Woche gut zum Arbeiten und Schnitzel essen. Aber meine beiden Lieblingsorte im Sommer sind momentan Die Borke am Müggelsee und unser Kellerbüro vom Schreibkombinat Kurt Klinke – da ist es auch an richtig heißen Tagen schön kühl.

Kriminetz: Welchen „Wunsch-Stoff“ würden Sie gerne in einem Drehbuch umsetzen?

Erol Yesilkaya: Ich hätte nur zu gern Ottfried Preußlers „Krabat“ adaptiert, aber der Zug ist bereits abgefahren. Mich würde außerdem eine Adaption von Angela Sommer-Bodenburgs „Der kleine Vampir“ reizen. Aber die Rechtelage ist schwierig. An Original Stoffen wäre ein Sci-Fi-Projekt ganz wunderbar (weniger Raumschiffe, die im Weltall Krieg führen, sondern eher etwas im Stil von Rainer Erler). Und ein Horrorfilm wäre ein Traum.

Kriminetz: Vielen Dank, Erol Yesilkaya, für die Beantwortung der sieben Fragen!