Sieben Fragen an Fenna Williams

Fenna Williams. Foto: © Marion Hoy – Glamourotix

Fenna Williams ist das Pseudonym der Schriftstellerin Ute Mügge-Lauterbach. Sie studierte an der Freien Universität Berlin Amerikanistik/Anglistik, Lateinamerikanistik und Niederlandistik. Stipendien ermöglichten ihr Auslandsaufenthalte in Kanada, Brasilien, USA und Belgien. Bereits während ihres Studiums war sie als Studien-Reisebegleiterin tätig. Heute organisiert die Schriftstellerin eigene Studienreisen zu speziellen Themengebieten: Literatur und Wein in Venedig und Venetien, Whisky in Schottland und Shakespeare in Stratford-upon-Avon und London.

Sie studierte Creative Writing am Bellevue Community College/Seattle, USA, belegte Creative Writing Courses im Morley College von London und absolvierte ein 12monatiges ScriptLab (Drehbuchentwicklungsprogramm) am Filmhaus Frankfurt/Main.

Neben Werken, die sie alleine verfasst, ist sie auch Teil des Autorenduos Auerbach & Keller. Gemeinsam mit Brenda Stumpf ist so die erfolgreiche Reihe um Pippa Bolle entstanden, eine COMIC-CRIME-SERIE, die bei List erscheint. Mit zwei weiteren Kolleginnen betreibt sie außerdem den Blog Genussliga.de in dem die Autorinnen alles, was das Leben zufriedener und genussreicher macht mit Leidenschaft beschreiben.

Für Kriminetz beantwortet Fenna Williams sieben Fragen.

Kriminetz: Deine Texte sind mit feinsinnigem englischem Humor geschrieben. Was inspiriert dich?

Fenna Williams: Alles! Vom Aufstehen bis zum Einschlafen höre, sehe, rieche, schmecke ich frische Ideen. Ich trage immer ein Notizbuch bei mir, damit ich die spannendsten Dinge sofort aufschreiben kann. Das muss überhaupt nichts mit dem zu tun haben, was mir gerade passiert, sondern mit dem, was meine Phantasie daraus macht.
Einer meiner Wahlsprüche: Leben ist Recherche – Recherche ist Schreiben.

Ich bin Recherchejunkie. Wenn mir ein Ort besonders gut gefällt, setze ich mich so lange mitten hinein, in seine Kneipen, in seine Cafés, in seine Museen, in seine Ämter, an seine Bushaltestellen, in seine Schwimmbäder und Saunen, bis er mir die Geschichte erzählt, die ich über ihn aufschreiben darf.
Dabei liefert mir der Ort alle seine Gerüche und Farben, Besonderheiten und Eigenwilligkeiten – und seine größte Attraktion: seine Menschen.
Ich fahre nie nur mit einer fertigen Idee im Kopf nach Hause, sondern auch mit neuen Freunden.
Großartiger Beruf – und so nachhaltig. :-)

Kriminetz: Pippa Bolle. Was hat diese Ermittlerin, was andere nicht haben?

Fenna Williams: Zunächst einmal: Pippa ist eine ganz normale Frau von rund 40 Jahren und hat von Ermittlertätigkeit keine Ahnung. Dafür besitzt sie aber jede Menge Neugier, Menschenkenntnis und den Mut, Fehlurteile zu revidieren und wieder von vorn anzufangen. Der Unterschied: Sie lässt sich von ihren Gefühlen leiten und sie macht Fehler – allerdings nicht in ihrem Hauptberuf. Da ist sie Übersetzerin und Betreiberin einer eigenen Haushüter-Agentur. Zwei Tätigkeiten, die sie gerne miteinander verbindet. Während sie ihre Aufträge ins Englische, Deutsche oder Italienische in den Häusern übersetzt, die sie hütet, geschehen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Verbrechen, die ihre Neugier und ihren Schnüfflerinstinkt wecken. Da man sie wechselweise für harmlos, naiv oder besonders vertrauenswürdig hält, bekommt sie häufig bessere Hinweise, als die professionellen Ermittler. Sie selbst glaubt, dass es klüger ist, mit all denen zusammenzuarbeiten, die den Mikrokosmos kennen, in den sie für den Fall eindringen muss. Bisher hat Pippa stets hervorragend mit der ermittelnden Polizei harmonisiert ... ob das immer so sein wird, wage ich allerdings zu bezweifeln.

In jedem Fall: Pippa Bolle ist eine ›Nebenher-Ermittlerin‹ des klassischen Cocktails aus einem Schuss Mord und 2-3 Spritzern Komik. Häufig gut durchgeschüttelt – aber nicht immer ganz ohne Rührung.

Kriminetz: Worauf stößt Pippa Bolle als Nächstes? Wird da schon ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert?

Fenna Williams: Pippa ist zu einer Hochzeit nach Schottland eingeladen und wird gebeten, die Whiskybrennerei während der Betriebsferien bzw. der Flitterwochen der Besitzer zu hüten. Dummerweise wird sie schon bei der Anreise unfreiwillig Zeugin eines tragischen Unfalls, der sich nach ihrer Ankunft als kein Einzelfall erweist. In diesem Krimi spielen keltische Heilige, Dudelsäcke, das älteste Kino Schottlands und selbstverständlich jede Menge Single Malt Whisky eine Rolle. Also alles das, was Brenda Stumpf, Pippa und mir an Schottland besonders gefällt.

Kriminetz: Wohin reist du am liebsten?

Fenna Williams: Ich habe zwei Listen: eine enthält, wohin ich in meinem Leben noch reisen möchte und die andere, wohin ich mich zurücksehne.

Je öfter ich einen Fleck besuche, desto intensiver ist für mich das Erleben. Und wenn dieser Platz obendrein noch Futter für meine Leidenschaften bietet, hat er die Chance auf eine dritte, ganz besondere Liste zu kommen, die ich ›Heimaten‹ nenne. Auf dieser Liste steht Shakespeares Geburtsort Stratford-upon-Avon, wo ich so oft wie möglich Theateraufführungen der Royal Shakespeare Company bestaune,
Venedig, weil sie meine Stadt der Schritte ist, in der ich auf meine eigene Geschwindigkeit zurückgeworfen bin und die Zeit wieder eine würdige Dimension einnimmt,
Seattle, weil ich dort Kreatives Schreiben studieren durfte und danach meine Schreibleidenschaft zum Beruf gemacht habe,
Toulouse und die Montagne Noir, weil sie die Lieblingsgegenden meines Mannes sind,
Capri, weil wir die Insel beide gleich gern mögen
und Campbeltown in Schottland, weil ich dort ankomme, als käme ich zu mir nach Haus.

Kriminetz: Du schreibst neben Romanen auch Drehbücher. Was macht mehr Spaß?

Fenna Williams: Spaß macht mir immer das, woran ich gerade arbeite. Ist es eine Kurzgeschichte, wende ich ebenso viel Recherche und Sorgfalt auf, wie für eine wissenschaftliche Dokumentation oder eine romantische Komödie. Mein Ziel ist immer, eine Geschichte zu schaffen, die nur mit diesen Protagonisten und an diesem Ort, zu dieser Zeit spielen kann, damit sie authentisch und packend ist. Ich möchte meinen Lesern und Zuschauern die Welt der Geschichte so anschaulich zeigen, dass sie das Gefühl haben, dabei zu sein und mitzuwirken. Da diese Menschen meiner Arbeit dankenswerter Weise nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch ihre wertvolle Zeit schenken, will ich sie belohnen: mit der Sehnsucht, die Spielorte (so gut wie) selbst zu sehen, in ihr wunderbare Freunde zu finden und so genussreiche, spannende, fröhliche Momente wie nur möglich zu erleben.
Insofern ist es mir also ganz gleichgültig, in welchem Medium ich arbeite: Mein Wunsch all dies zu erreichen, ist immer derselbe.

Da ich aber selbst viel mehr Ideen habe und Dinge erzählen möchte, als sie in die großen Formen Roman oder Drehbuch passen, habe ich mit den Kolleginnen Tania Jerzembeck und Leila Emami unseren Blog Genussliga.de gegründet, in dem wir alles vorstellen, was unserem Leben Genuss bereiten könnte.

Wenn ich deine Frage also ehrlich beantworte, dann hieße die Antwort: Am liebsten schreibe ich, woran ich selbst Freude habe. Hauptsache, ich brenne für mein Thema und für den Text!

Kriminetz: Auf deiner Website sind einige ungewöhnliche Jobs aus deiner Studienzeit aufgelistet, darunter auch Hundefängerin in Kanada. Ist dir ein Erlebnis aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?

Fenna Williams: Ohhhh, ja! Ich war die einzige Frau in unserem Geschwader, das nicht nur streunende Hunde fing, pflegte und nach einem Verhaltenstraining weiter vermittelte, sondern auch säumige Hundesteuerzahler mit einem persönlichen Besuch beehrte, um das fehlende Geld einzutreiben. Als Neuling hatte ich keinerlei Ahnung, wer die Zahlung einfach nur vergessen hatte oder es als seine Pflicht ansah, den Staat zu betrügen.

Meine Kollegen spielten sich gegenseitig gerne Streiche, sorgten aber immer dafür, in der Nähe zu sein, damit diese nicht aus dem Ruder laufen konnten. Ohne das ich es wusste, standen deshalb alle schon parat, als sie mich an einem glühend heißen Augusttag 1982 in das Haus eines bekannten Mafiabosses in Vancouvers Little Italy schickten, der seit sieben Jahren eine Dobermannzucht betrieb, aber noch nie einen Cent Steuern darauf gezahlt hatte. Ich hielt damals weder Dobermänner für gefährlich, noch hatte ich davon gehört, dass die Nachbarn auf die gegenüberliegende Straßenseite wechselten, wenn sie an diesem Haus vorbei mussten. Meine lieben Kollegen hatten die berüchtigte Adresse seit Jahren nicht mehr aufgesucht und beschlossen, mich in seliger Ahnungslosigkeit an dieser Haustür klingeln zu lassen.

Ein Bär von einem Mann öffnete mir, musterte mich von oben bis unten, als ich mein Sprüchlein aufsagte, das ich bis heute auswendig kann: »Guten Tag, ich bin vom Tierheim Vancouver und verkaufe die Hundesteuerlizenzen. Es ist uns aufgefallen, dass Sie sieben Hunde besitzen und bisher nicht die Zeit gefunden haben, im Tierheim vorbeizuschauen und die entsprechende Steuer für ihre Tiere zu entrichten. Wir verstehen, unter welchen Zeitdruck unsere Kunden stehen, deshalb bieten wir den besonderen Service an, das Geld von Ihnen direkt an der Tür zu kassieren: 1247 Dollar, bitte.«

Kanadisch-deutsches Understatement traf damit auf einen gelangweilten Bodyguard, der eine Show in seinem Sinne witterte. Der Mann schob mich grinsend in die Lobby des Hauses, das von einem riesigen braunen Sofa dominiert wurde, auf dem ein völlig unbekleideter Mann lag, links und rechts flankiert von zwei Dobermannprachtexemplaren.

Als ehemalige Bewohnerin einer Berliner WG der frühen 80iger Jahre beeindruckte mich zwar die große Wohnung, nicht aber sein Adamskostüm. Auf seine Handbewegung hin sagte ich noch einmal meinen Spruch auf. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, ich habe den Mann verblüfft, denn alles was er daraufhin sagte, war: »Ich? Bezahlen? Hundesteuer? Wie stellen Sie sich das vor?«
Ich: »Als Bargeld oder Scheck!«

Da bei der Anzahl der Hunde und der nicht gezahlten Jahre ja eine wirklich eindrucksvolle Summe zusammengekommen war, sagte er: »Das kann ich unmöglich zahlen!«

Für eine Studentin, die selbst einen Hund hatte und ihr Bafög mit diesem Job aufbesserte, konnte ich seine Lage gut verstehen und antwortete: »Verstehe ich. Bei Ihnen geht alles für Hundefutter drauf. Sie haben ja nicht mal was Richtiges anzuziehen. Deshalb mache ich Ihnen einen Vorschlag: wir nehmen einen der Dobermänner mit ins Tierheim und verkaufen ihn. Der Erlös geht dann in die Kasse und Sie sind ihre Schulden los. Ihre Tiere sind ja gut in Schuss, die bringen bestimmt die erforderliche Summe.«

Den verdutzten Gesichtsausdruck des Mannes ob meines Vorschlages kann ich heute noch genau beschreiben. Dann lachte er, schnippte mit den Fingern und flüsterte seinem Bodyguard etwas zu. Der zog das größte Bündel Scheine aus der Tasche, das ich je gesehen hatte und begann das verlangte Geld abzuzählen, während sein Boss sagt: »Mein Freund zahlt für mich.«

Als ich völlig zufrieden mit mir aus dem Haus kam, formierten sich meine Kollegen gerade zu einer Kampftruppe, bereit, das Haus zu meiner Rettung zu stürmen. Als sie mir erzählten, wen ich da gerade besucht hatte, bekam ich weiche Knie, denn ich war nicht abgebrüht - ich war einfach total naiv. Aber: Da wir für sämtliche eingetriebenen Steuern ein Erfolgshonorar kassierten, hatte ich ein ganz schönes Sümmchen für mich auf die Seite gebracht und kann seit dem die alte Regel bestätigen: Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.

Kriminetz: Vollende bitte den Satz: „Für ein ausgezeichnetes Glas Whisky würde ich …“

Fenna Williams: ... denjenigen, der es mir einschenkt zu einer Romanfigur machen ... am besten zu einer Person, die mir in dem Buch ein ausgezeichnetes Glas Single Malt Whisky einschenkt, damit ich sie dann zu einer Romanfigur mache, die mir in dem Buch ein ausgezeichnetes Glas Single Malt Whisky einschenkt ...

Kriminetz: Vielen Dank, Fenna Williams, für die Beantwortung der Fragen.

Noch mehr zu Fenna Williams: Das Romanbüro