Sieben Fragen an Guido Dieckmann

Das Foto zeigt Guido Dieckmann anlässlich seiner Lesung aus "Die Stadt der schwarzen Schwestern" am 16. Mai 2013 im Kulturhaus Käfertal. Foto: © Claudia Schmid, Kriminetz

Der Schriftsteller Guido Dieckmann lebt mit seiner Familie in der Nähe der Deutschen Weinstraße. Der gebürtige Heidelberger studierte an der Mannheimer Schloss-Universität und in Jerusalem Geschichte und Anglistik. Mittlerweile hat Guido Dieckmann dreizehn Romane veröffentlicht, zusätzlich viele Kurzgeschichten in Anthologien und Gemeinschaftswerke mit anderen Autoren. Luther, sein Roman zum Film, wurde ein in mehrere Sprachen übersetzter Bestseller. Auch zum Film Albert Schweitzer. Ein Leben für Afrika schrieb er den Roman. Beim Lesen seiner Bücher spürt man die akribisch genaue Recherche, die detailreich in seine Bücher einfließt.
Für die Studiengemeinschaft Darmstadt betreut Guido Dieckmann einen Lehrgang, in dem verschiedene Techniken des kreativen Schreibens vermittelt werden. Der Schriftsteller ist Mitglied im Autorenkreis Quo Vadis, einer Arbeitsgemeinschaft, die sich für den historischen Roman einsetzt. Er ist Vorstand im Literarischen Forum Neustadt.
Der historische Kriminalroman Die Stadt der schwarzen Schwestern ist dieser Tage bei Rowohlt erschienen.

Für Kriminetz beantwortete Guido Dieckmann sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast Geschichte studiert. Gibt es eine Lieblingsepoche, mit der du dich besonders gerne auseinander setzt?

Guido Dieckmann: Ich finde große Umbrüche in der Geschichte spannend, Ereignisse, durch die sich etwas grundlegend verändert hat, z. B. weil Entdeckungen gemacht wurden und neue Ideen auftauchten. Und damit auch eine neue Art zu leben. Das 16. Jahrhundert, in dem sich das Mittelalter verabschiedet, um ganz behutsam der frühen Neuzeit Platz zu machen, ist eine Zeit kolossaler Umwälzungen, mit der ich mich besonders gern beschäftige. Auch meinen neuen Kriminalroman habe ich deshalb im 16. Jahrhundert angesiedelt.

Kriminetz: Dein neuester Roman handelt in den Niederlanden bzw. Flandern. Wie aufwändig war die Recherche-Arbeit? Lagen alle Quellen in deutscher Sprache vor?

Guido Dieckmann: Ich recherchiere immer mehrere Monate, um den historischen Hintergrund sowie die kulturellen Aspekte des Landes, in dem die Geschichte spielt, möglichst gut kennenzulernen. Nur so entsteht ein authentisches Bild der Epoche. Mich interessiert, was die Menschen damals aßen, wie sie gekleidet waren, was sie glaubten und welche Probleme sie hatten. Für „Die Stadt der schwarzen Schwestern“ war es auch nötig, ein wenig Niederländisch zu lernen, damit ich verschiedene Quellen lesen konnte, die es nicht in deutscher Sprache gab. Aber gerade das hat mir großen Spaß gemacht. Ich glaube, durch die Beschäftigung mit der Sprache meiner Figuren bin ich ihnen noch näher gekommen.

Kriminetz: Bist du für deine Recherchen viel auf Reisen?

Guido Dieckmann: Ich schaue mir gern Originalschauplätze an, wenn ich für ein Buch recherchiere und der Meinung bin, dass ich die Atmosphäre des Ortes auf mich wirken lassen muss. Es ist immer ein schönes Gefühl, sich vorzustellen, wie eine Romanfigur gerade aus einer Kirche oder einem anderen historischen Gebäude kommt, das man selbst besichtigt hat. Natürlich sollte man hier besonders sorgfältig vorgehen und sich davon überzeugen, dass alles, was man beschreibt, zur damaligen Zeit auch zu sehen war. Mehr Zeit als auf Reisen verbringe ich daher am Schreibtisch, um alte Karten zu studieren, zeitgenössische Bilder zu betrachten und Register auszuwerten. Aber die hübschen flämischen Städte sind allesamt Schmuckkästchen und immer eine Reise wert.

Kriminetz: Griet, die sich in „Die Stadt der schwarzen Schwestern“ auf die gefährliche Suche nach den verschwundenen Ordensfrauen begibt, hat einen Schutzbrief auf die Reise zurück aus dem Exil der Frauen ausgestellt, beinahe ihr gesamtes Vermögen steckt da drin. Wurden damals die Versicherungen erfunden?

Guido Dieckmann: Griet kommt auf eine clevere Idee, um sich in der von spanischen Truppen besetzten Stadt Oudenaarde ihren Lebensunterhalt zu sichern. Der Handel mit Schutzbriefen ist tatsächlich eine frühe Form der Versicherung. Solche Geschäfte mit der Ware Sicherheit gehen in der Geschichte sehr weit zurück. Man kennt sie schon aus dem Italien des 14. Jahrhunderts. Zu der Zeit, in der mein Roman spielt, wurde vermutlich die erste Lebensversicherung abgeschlossen, was damals aber noch eher den Charakter einer Wette hatte.

Kriminetz: In deinen Romanen gibt es immer wieder weibliche Hauptfiguren, die noch mehr Reglementierungen unterworfen waren als ihre männlichen Zeitgenossen. Wie schwer fällt es dir, dich in sie hineinzuversetzen?

Guido Dieckmann: Vielleicht gehe ich als Autor hier ähnlich vor wie ein Schauspieler, der sich auf eine schwierige Rolle vorbereitet. Ich schlüpfe vorübergehend in einen anderen Menschen, bemühe mich, ihm Gedanken und Gefühle zu geben. Ich beobachte gern Menschen in meiner Umgebung, ergründe ihr Verhalten. Spreche mit ihnen. Ziehe Vergleiche. Wenn ich dann auch noch weiß, was zur damaligen Zeit erlaubt und gebräuchlich war und was nicht, finde ich es nach einer Weile gar nicht mehr so schwierig, mich einzufühlen. Es gibt ja auch viele Autorinnen, die männliche Hauptfiguren wählen. Es wäre sicher interessant zu erfahren, ob sie ähnlich vorgehen.

Kriminetz: Du hast in Mannheim und in Jerusalem studiert. Was hat dich dazu bewogen, eine Weile in Jerusalem zu leben? Hast du etwas „mitgenommen“ aus dieser Zeit?

Guido Dieckmann: Gegen Ende meines Studiums in Mannheim hatte ich den dringenden Wunsch, noch einmal ins Ausland zu gehen. Naheliegender wären sicher die USA gewesen oder England, da ich außer Geschichte auch Anglistik studiert habe. Aber mich lockte der geheimnisvolle Orient. In Israel gab es anlässlich des Jubiläums 3000 Jahre Jerusalem eine überwältigende Anzahl von kulturellen Programmen und Angeboten für Studenten, so beschloss ich, mich an der Hebräischen Universität zu bewerben. Da die Seminare in englischer Sprache unterrichtet wurden, konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mitgenommen habe ich eine große Liebe für Land und Leute, welcher Herkunft und Religion sie auch sein mögen, und ein tiefes Verständnis für die Bewahrung von Geschichte und Kultur. Vielleicht schreibe ich heute historische Romane, weil ich damals beobachtet habe, mit wie viel Mühe und Sorgfalt man die Vermächtnisse der Vergangenheit aus dem Wüstensand gräbt, damit sie weitergegeben werden können.

Kriminetz: Wie muss ein Thema beschaffen sein, damit es dich einige Monate lang fesselt?

Guido Dieckmann: Eine Frage, die mich nachts um den Schlaf bringt, eine faszinierende Person, ein Ereignis, das Spuren hinterlassen hat. Es gibt so viele interessante Themen, aber nicht alle liefern auch eine Geschichte, die man über mehrere Monate erzählen kann. Es ist immer ein Zusammenspiel verschiedener günstiger Faktoren. Wichtig ist, dass der Funke überspringt, und ich schon früh erkenne, ob es einen starken Konflikt gibt. Für mich ist auch ein persönlicher Bezug zum Thema wichtig. In einigen meiner Bücher spielt z.B. die frühe Heilkunde eine wichtige Rolle, und weil ich in einer Apotheke aufgewachsen bin, fand ich so ganz schnell Anknüpfungspunkte. „Die Stadt der schwarzen Schwestern“ spielt in Oudenaarde in Flandern, wo einer meiner Vorfahren gelebt hat. Meine Hauptfigur trägt seinen Familiennamen. Solche kleinen Details helfen, mich zu fesseln.

Vielen Dank, Guido Dieckmann, für die Beantwortung der Fragen.

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