Sieben Fragen an Ines Thorn

Die erfolgreiche Schriftstellerin Ines Thorn hat mit "Gierige Naschkatzen" einen Kriminalroman bei Brandes & Apsel veröffentlicht.

Die Schriftstellerin Ines Thorn lebt in Frankfurt. Die gebürtige Leipzigerin arbeitete in verschiedenen Berufen wie Buchhändlerin, Werbetexterin und Journalistin, bis sie dann 1992 nach ihrem Umzug in die Mainmetropole Germanistik und Slawistik studierte.
Sie veröffentlichte mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane, wie Die Pelzhändlerin, Die Silberschmiedin, Die Wunderheilerin und Die Galgentochter, um einige zu nennen. Mit Gierige Naschkatzen hat sie nun einen Kriminalroman um die Privatdetektivin Eva Sandmann geschrieben.

Für Kriminetz beantwortete Ines Thorn sieben Fragen.

Kriminetz: Nach erfolgreichem Historischem nun Kriminelles, das in der Gegenwart handelt. Wie kam es dazu?

Ines Thorn: Eigentlich sind meine historischen Romane ja Romane im historischen Gewand mit zeitgenössischen Themen. Ich denke, wir können uns heute nur sehr schwer in die Psyche eines mittelalterlichen Menschen hineindenken. Wie fühlt sich eine schwangere Frau, die Angst haben muss, im Kindbett zu sterben? Oder ein Kaufmann, der mit Pferd und Wagen durch die Lande ziehen muss? In meinen Büchern geht es meist um Identität, ein Thema, das im ausgehenden Mittelalter nicht wichtig war. Deshalb schien mir der Sprung von der Vergangenheit in die Gegenwart gar nicht so schwierig. Überdies ist ja im Mai auch noch ein historischer Krimi, „Satanskind“, bei Rowohlt erschienen.

Kriminetz: In „Gierige Naschkatzen“ gehst du nicht ganz ernsthaft mit den Sehnsüchten von Eltern nach einer Hochbegabung ihres Nachwuchses um. Folgt man Elterngesprächen in Grundschulkreisen, kann man aber schon schnell den Eindruck gewinnen, der Anteil der Hochbegabten in der Gesamtbevölkerung habe sich drastisch erhöht?

Ines Thorn: Oh, ja. Ich kenne beinahe nur hochbegabte Kinder (lacht). Aber ich glaube, dahinter steckt eher die Angst der Eltern, dass das Kind versagen könnte, dass es einen schlechteren Start ins Leben hat, wenn es einfach nur mittelmäßig ist. Es reicht ja eigentlich nicht mehr aus, „normal“ zu sein. Auf allen Gebieten werden Höchstleistungen erwartet und gefordert. Die Eltern geraten dadurch unter einen immensen Druck und geben diesen an ihre Kinder weiter.

Kriminetz: Deine Privatdetektivin Eva Sandmann verdient sich ein Zubrot im Supermarkt „Vollkorn“ und du schilderst sehr humorvoll verschiedene Käufertypen mit verschiedenen Ansprüchen. Laufen einem in Frankfurt solche Typen auch „im echten Leben“ über den Weg oder sind die alle rein fiktiv?

Ines Thorn: Oh, nein. Die Frankfurter Bergerstraße scheint mir ein Sammelort von originellen Menschen zu sein. Eigentlich ist ganz Frankfurt so. Das liegt, so glaube ich, an der Weltoffenheit der Stadt. Jeder darf sein, wie er mag. Ich liebe das sehr. Gestern traf ich auf der Straße eine Frau, deren Hund laut bellte. Sie blieb stehen, schaute den Hund streng an und sprach: „Nicht in diesem Ton!“ Solche kleinen Erlebnisse habe ich beinahe jeden Tag.

Kriminetz: Du hast eine ganze Reihe historischer Romane veröffentlicht. Wie näherst du dich einem historischen Thema? Beginnst du mit einer Reise oder erfolgt zuerst der Gang in Archive?

Ines Thorn: Zuerst ist da die Idee. Bei meinem letzten Roman „Satanskind“ geht es ja um Geld. Irgendwann hatte ich bemerkt, dass ich gar keine Ahnung von Geld habe. Was ist ein Wechsel? Wie funktioniert die Börse? Was sind Optionen? Also habe ich mir ein Buch gekauft, in dem das Wesen und die Geschichte des Geldes erklärt wurden. In einem Kapitel bin ich auch die mittelalterlichen Geldschneider gestoßen, und hatte sofort ein Thema für einen historischen Roman. Ich habe das Glück, mich für alles Mögliche interessieren zu können, ich bin wirklich anstrengend neugierig. Und dabei stoße ich immer wieder auf Romanstoffe. Manchmal reicht ein Fernsehbeitrag, ein Zeitungsartikel oder ein belauschtes Gespräch in der U-Bahn. An anderen Themen denke ich seit Jahren herum. Aber wie auch immer: Zuerst ist da die Idee, dann beginnt die Recherche und somit der Gang in die Archive.

Kriminetz: Was muss ein Thema für einen Roman an sich haben, so dass du dafür brennst?

Ines Thorn: Ich muss es vor mir sehen. Worte müssen sich auf der Stelle in Bilder, in kleine Filme verwandeln. Um bei dem Geldschneiderei-Beispiel im „Satanskind“ zu bleiben: Da habe ich gleich einen Mann in einer mittelalterlichen Frankfurter Werkstatt gesehen, der mit einer Feile Späne von einem Silbertaler abfeilt und sie danach einschmilzt. Bei den „Gierigen Naschkatzen“ war der Auslöser ein veganer Supermarkt. Ich wusste bei vielen Dingen gar nicht, wozu diese dienen, hatte noch nie von Quinoa und Chlorella gehört, aber die Besucher des Supermarktes kauften diese Dinge mit einem beinahe heiligen Ernst. Der Glaube an die Wirksamkeit der Produkte, der Glaube daran, dass man Schönheit, Jugendlichkeit und Gesundheit kaufen kann, führte zu einem Kopfkino mit einem Keksriegel, der außerdem noch Begehren verspricht.

Kriminetz: Weshalb ist Lesen für Schriftsteller so wichtig?

Ines Thorn: Ich glaube, das Lesen ist für uns Schriftsteller eine Art Fortbildung. Ein Autor versteht es hervorragend, Spannung aufzubauen. Also schaue ich, wie er das macht. Eine Autorin schreibt wunderbare Dialoge. Und wieder schaue ich, wie sie das macht. Warum macht mich ein bestimmtes Buch traurig und ein anderes fröhlich? Welche Dramaturgie steckt hinter einem Roman? Das führt manchmal dazu, dass ich bestimmte Bücher mit dem Rotstift im Kopf lese. Bücher, die ich sehr mag, lese ich bis zu fünf Mal hintereinander. Und bei den richtig guten Büchern gelingt es mir selbst dann noch nicht, hinter ihr Geheimnis zu kommen.

Kriminetz: Der nächste Roman, der am Entstehen ist: Historisch oder Kriminell?

Ines Thorn: Ein bisschen kriminell sind meine Bücher eigentlich alle. Zumindest gibt es in allen Romanen Tote. Derzeit denke ich an einem Thema herum, dass sowohl historisch als auch kriminell ist. Aber ich brauche noch ein bisschen Zeit, ehe ich darüber reden mag. Im Augenblick freue ich mich erst einmal über die vielen Reaktionen, die ich schon zu den „Gierigen Naschkatzen“ und dem „Satanskind“ bekommen habe, mache mir Gedanken über die Kritiken und baue im Kopf neue Plots zusammen.

Vielen Dank, Ines Thorn, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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