Sieben Fragen an Jörg Schmitt-Kilian

Jörg Schmitt-Kilian: Autor, Drogenfahnder, Kriminalhauptkommissar i.R. Foto: © Larissa Schmid, Kriminetz

Jörg Schmitt-Kilian - Autor, Drogenfahnder, Kriminalhauptkommissar i.R. - hat mehr als 20 Bücher (Jugendromane, Ratgeber, Krimis, Reiseführer) geschrieben; u.a. den SPIEGEL Bestseller Vom Junkie zum Ironman, der mit Uwe Ochsenknecht verfilmt wurde. Der Autor organisiert mit seiner Band BOP Benefizkonzerte für bedürftige deutsche Familien und Flüchtlingskinder und ist Gitarrist bei HANDS UP & THE SHOOTING STARS, die weltweit einzigen Band in der nur Krimiautoren musizieren und Kurzkrimis zu den Songs geschrieben haben.

Jörg Schmitt-Kilian bietet neben Krimi-Lesungen insbesondere Schulen sucht- und gewaltpräventive Projekte, Studientage und Elternseminare an. Seine Fortbildungsveranstaltungen mit dem Ratgeber „Gefahr erkannt- Gefahr gebannt (?)“ zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen werden von vielen Jobcentern, Einrichtungen und Behörden zum Thema „Sicherheit am Arbeitsplatz“ gebucht. Über 50 Fernsehsendungen, Rundfunkbeiträge und mehr als 600 Artikel in den Printmedien spiegeln die positive Resonanz auf seine Bücher, Filme und das Konzept IMPULSE. Viele Module des Konzepts wurden in Fortbildungsprogramme von Bildungseinrichtungen und Organisationen (u.a. Adenauer-Stiftung, Lions-/Rotary-Clubs, Europaschulen sowie in Belgien, Kroatien, Luxemburg, USA, Österreich) integriert.

Jörg Schmitt-Kilian ist Mitglied im Syndikat, dem Verband deutscher Schriftsteller und der International Police Association und schreibt für „Deutsche Polizei“ das Themenheft „Drogen und Kriminalität“.

Kriminetz: Wie war dein Weg vom Drogenfahnder zur Suchtprävention?

Jörg Schmitt-Kilian: Ich erlebte als Drogenfahnder immer wieder die Ohnmacht, Angst, Wut von verzweifelten und hilflosen Eltern, wenn sie erfahren haben, dass ihr Kind Drogen konsumiert, bin vielen jungen Drogenkonsumenten begegnet und einige von ihnen wurden kurze Zeit später tot auf einer Parkbank oder von den Eltern im Kinderzimmer aufgefunden.

In solchen Situationen habe ich mich gefragt: Wer hätte diese Drogenkarriere - ein seltsames Wort bei diesen tragischen Ereignissen – verhindern können? Da meine Kinder seinerzeit auch in einem „gefährdeten Alter“ waren und die Drogentoten meist aus „normalen“ Familien stammten hat mich diese Frage besonders bewegt. Die Bearbeitung von „Leichensachen“ – insbesondere wenn junge Menschen sterben – mit der Obduktion geht an keinem Polizisten spurlos vorüber, auch wenn wir nicht offen mit den verwaisten Eltern mitleiden können, gefühlsmäßige Distanz bewahren und unseren Job als Todesermittler zu Ende bringen müssen. Aber man legt solche Ereignisse nicht einfach mit der Jeansjacke ab, nimmt sie gedanklich mit nach Hause in die Familie, zu den Kindern, aber man spricht nicht darüber. Damals habe ich mein erstes Buch „Drogen gefährden unsere Kinder“ geschrieben, eine Mischung aus wahren Geschichten und einem Eltern-Ratgeber. Ich wollte auch die Eltern stark machen, denn je rechtzeitiger sie den Drogenkonsum erkennen und zeitnah reagieren, desto größer ist die Chance, dass diese jungen Menschen nicht in den Strudel der Abhängigkeit hinunter gerissen werden. Für mich hatte das Schreiben auch eine Ventilfunktion: Ich habe mir die belastenden Ereignisse im wahrsten Sinne des Wortes „von der Seele geschrieben“. Die Therapeuten betonen immer wieder, dass diese Bilder irgendwann verschwinden, aber das stimmt nicht. Zumindest nicht in den Fällen, in denen man zwangsläufig an Orte des Geschehens zurückkehrt. Dann tauchen diese Situationen wie ein „Blitzlicht“ auf und es scheint, als sei dies alles erst gestern passiert.

Kriminetz: Wie haben deine Kollegen damals bei der Polizei reagiert, als du deinen ersten Kriminalroman veröffentlichtest?

Jörg Schmitt-Kilian: Als ich meinen ersten Krimi veröffentlicht habe, spürte ich im erweiterten Kollegenkreis den Neid, habe andererseits von meinen engsten Kollegen erfreulich positive Rückmeldungen erfahren. Man kann nicht everybodys darling sein, denn dann ist Man(n) irgendwann everybodys Depp, wie Franz-Josef Strauß es einst sehr treffend formuliert hat. Ich erhalte von der Behördenleitung vom Präsidenten bis zum Innenminister bis zum heutigen Tage erfreulich oft Unterstützung bei meinen Projekten, zuletzt beim Krimitag am 8.12. in Andernach. Ob die Zahl der Neider dadurch steigt, ist mir egal. Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man geschenkt. What shall`s?

Kriminetz: Die Kommissarin in deinen Krimis heißt Lena Lieck. Weshalb hast du dich für eine weibliche Hauptperson entschieden?

Jörg Schmitt-Kilian: Meine Romane basieren ja meist auf wahren Begebenheiten und daher schreibe ich auch sehr nahe an existierenden Menschen und dicht an der Realität. In einem meiner ersten Romane habe ich die Geschichte einer Kommissarin geschrieben, die nach der Vernehmung in einem sehr tragischen Fall von jahrelangem Kindesmissbrauch nicht mehr arbeitsfähig war. Mir ist es wichtig auch die Gefühle von Frauen und Männern im Polizeidienst zu skizzieren und steigende Gewalt gegen Polizisten zu thematisieren. Hinter jeder Uniform stecken Menschen wie Du und ich und das gerät meist in Vergessenheit.

Kriminetz: Du schreibst gemeinsam mit einer Kollegin an einem Kriminalroman. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und worum geht es in eurem Krimi?

Jörg Schmitt-Kilian: Da dieses Manuskript mit dem Arbeitstitel DER RÜCKKEHRER momentan von unserer Agentin den Verlagen angeboten wird, sollte ich momentan noch nicht zu viel verraten. Es geht aber wieder um ein aktuelles Thema: die Bedrohung durch den IS. Jutta Siorpaes und ich haben nicht nur die Gefahr durch radikale Islamisten, sondern in einem weiteren Erzählstrang auch die Problematik des Ehrenmords auf der Basis einer wahren Begebenheit verarbeitet. Auch in diesem Fall war ich, ebenso wie bei der Bewertung des Falles der ermordeten Polizistin in Heilbronn „meiner Zeit voraus“, denn ich habe in meinem Part bereits vor den schrecklichen Ereignissen in Paris ein vergleichbares Szenario beschrieben, als unsere Romanfigur, der Rückkehrer Ali, einen Anschlag plant. Als ich diese Szene schrieb, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein ähnliches Szenario bald Realität werden würde und beim Gedanken daran spüre ich wieder die Gänsehaut.

Kriminetz: Du schreibst auch Kulturreiseführer. In „Von Koblenz zu Rhein und Mosel“ stellst du 11 Burgen vor. Verrätst du deine Lieblingsburg?

Jörg Schmitt-Kilian: Obwohl Burg Eltz sehr bekannt ist – meine Lieblingsburg ist Burg Thurant über dem idyllisch gelegenen Moselort Alken.

Kriminetz: Was erwartet die Gäste deiner Lesungen?

Jörg Schmitt-Kilian: Ich biete den Veranstaltern verschiedene Module an, die diese, orientiert an der Erwartungshaltung ihres Publikums, miteinander kombinieren können. Hier nur eine kleine Auswahl meiner Lesungen, die ich meist mit Fotos, Videoclips und Originalfunksprüchen und Hinweisen auf den wahren Kommissars-Alltag garniere:

„Das gibt`s doch nur im Fernsehen oder nicht?“ ist einer meiner Titel, den ich auch als Vortrag auf der CRIMINALE in Marburg halten werde.

Ein Hauptkommissar und Krimi-Autor blickt zurück auf lustige, spannende, dramatische Stories aus dem realen Polizistenleben und liest Szenen aus seinen Romanen, garniert mit Fotos, Sprachaufnahmen und Video-Clips.
Bei allen Lesungen erzähle ich kurz von meinen Erfahrungen als Drogenfahnder und nenne sehr persönliche Gründe für meinen späteren „Berufswechsel“. Ich vergleiche an einzelnen Beispielen von Szenen aus (meinen) Filmen die „Arbeitsweise“ der Fernsehkommissare mit dem richtigen Kriminalisten-Alltag und verrate, warum ich mir am Sonntagabend statt TATORT lieber Frau PILCHER „reinziehe“.

Meist präsentierte ich einen kurzen Fernsehbeitrag des SWR über meinen Krimi SPURENLEGER auf der Basis der wohl spektakulärsten Mordserie in Deutschland und beschreibe Probleme nach dem Erscheinungstermin dieses Kriminalromans, der sich mit der Pressemeldung überschnitt, dass die mysteriöse DNA-Spur nicht von dem vermeintlichen Phantom sondern von einer Frau bei der unsachgemäßen Verpackung der Wattestäbchen bereits in der Fabrik gelegt wurde. Ich hatte lange vor dieser Enthüllung die Vermutung geäußert, dass es sich vermutlich um eine Verschmutzung des DNA-Materials und evtl. auch um einen terroristischen Anschlag handeln könnte.
So wurde die Fantasie des Autors zu einem späteren Zeitpunkt traurige Realität. Ich lese den Prolog aus SPURENLEGER, garniert mit Aufnahmen des polizeilichen Funkverkehrs (Auslösung einer Ringalarmfahndung) und präsentiere dem Publikum mehrere Tatverdächtige. Der Mann, der die Polizistin „eigentlich“ töten wollte, wurde an diesem Abend nicht zum Mörder. Wer hat die junge Polizistin in ihrem Streifenwagen durch einen Kopfschuss getötet? Das Publikum darf raten...

Auf der Jagd nach den Tätern in LEICHENSPUREN (zweiter Band der Trilogie) entführe ich den Zuhörer ins sommerliche Südfrankreich, in die Region Salon-de-Provence und zeige Fotos von „Original-Schauplätzen“, wo Kommissarin Lena Lieck sich nach „Burn-out“ im Mas ihrer Freundin Claire Groube von den traumatisierenden Begegnungen bei den Mordermittlungen erholt. Zuvor kommt es in der Nähe des Tatortes zu einer unheimlichen Begegnung zwischen Kommissar Tom Schneider und dem Mörder, der noch einmal an den Ort des tragischen Geschehens zurückkehrt.

Wenn Lesungen aus den Drogenromanen gewünscht werden, schildere ich dramatische Begegnungen mit Dealern, Konsumenten und besorgten Eltern aus SHIT und DIE DEALERIN UND DER KOMMISSAR (vom SWR verfilmt als TV-Film JENNY) und dem SPIEGEL-Bestseller VOM JUNKIE ZUM IRONMAN (auch als Kinofilm mit Uwe Ochsenknecht, Max Riemelt u.a.) Neben spektakulären Aktionen aus den Büchern und meinen Ermittlungen in der Drogenszene gewähre ich auch einen Blick hinter die Kulissen polizeilicher Strategien und beschreibe die Macht der Kartelle und die Ohnmacht der Strafverfolger. (Hatte ich auf der CRIMINALE in Büsum als Schwerpunktthema!)

Die Krimi-Lesungen vermische ich oft mit lustigen Anekdoten aus Münz-Menschen. In dem Buch beschreibe ich schier unglaubliche Geschichten auf einer Polizeiwache, garniert mit zahlreichen Fotos aus den 70er Jahren, als Polizei und Bürger sich noch respektierten und der Polizist nicht als Bulle sondern als „ein Freund und Helfer“ wahrgenommen wurde.

Kriminetz: Du engagierst dich in der Syndikats-Band „Hands Up“. Welches ist dein Part und wie kam es zur Gründung der Band?

Jörg Schmitt-Kilian: Wir hatten auf der Criminale in Wien erste Überlegungen angestellt und dann hat Arnold Küsters das irgendwann „in die Hand genommen“ und es hat funktioniert Ich spiele – wie auch in meiner Koblenzer Band BOP – die Gitarre und singe ein wenig mit.

Kriminetz: Vielen Dank, Jörg Schmitt-Kilian, für die Beantwortung der sieben Fragen!

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Jörg Schmitt-Kilian und Claudia Schmid bei der Frankfurter Buchmesse. Foto: © Larissa Schmid, Kriminetz