Sieben Fragen an Judith W. Taschler

Das Foto zeigt Judith W. Taschler

Die Schriftstellerin Judith W. Taschler wurde in Linz geboren. Heute lebt sie, nachdem sie auch einige Zeit in USA verbracht hat, mit ihrer Familie in Innsbruck. Sie übte eine Weile selbst den Beruf aus, der zum Titel ihres zweiten Romanes wurde: Die Deutschlehrerin. Für dieses Werk erhielt sie den diesjährigen Friedrich-Glauser-Preis des SYNDIKATS in der Kategorie Roman.

Ihr Debütroman SOMMER WIE WINTER, erschienen im Februar 2011 im Picus-Verlag, ist in einer Taschenbuchausgabe im Goldmann-Verlag erhältlich.

Für Kriminetz beantwortete Judith W. Taschler sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast für „Die Deutschlehrerin“ den Glauser-Preis für den besten Roman des Jahres 2013 bekommen. Als du nach Nürnberg zu der Preisverleihung gefahren bist, hast du lediglich gewusst, dass du für diesen Preis nominiert bist. Was war das für ein Gefühl, ihn dann aber auch tatsächlich zu erhalten?

Judith W. Taschler: Ich bin zur Criminale gefahren, mit dem Gedanken, mir ein paar schöne Tage zu machen und dabei ein bisschen von Haushalt, Familie und Beruf auszuspannen. Ich wollte mir Nürnberg anschauen, - ich habe die Stadt noch nicht gekannt - , außerdem wollte ich Lesungen und Workshops besuchen, Schriftstellerkollegen kennenlernen, ausschlafen und gut essen. Drei Wochen vorher habe ich mein viertes Buch beim Verlag abgegeben und ich war immer noch ganz geschafft und ausgelaugt. Irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, dass ich mich bei meinem „Roman ohne U“ ein bisschen verausgabt habe, ein Gefühl, dass ich bei meinen ersten drei Büchern nicht gehabt habe. Deshalb sind mir die Tage auf der Criminale zeitlich gerade Recht gekommen und ich habe mich sehr auf diese kleine Auszeit gefreut.
Dass ich den Preis tatsächlich bekomme, daran habe ich keine einzige Sekunde lang geglaubt, wirklich nicht, das ist jetzt keine falsche Bescheidenheit, ich habe einfach überhaupt nicht damit gerechnet. Ich habe mich im Februar sehr über die Nominierung gefreut, das war schon wie ein Preis für mich. Ich habe deshalb nicht damit gerechnet, weil für mich mein Roman „Die Deutschlehrerin“ eigentlich kein Krimi ist, sondern eine Liebesgeschichte „der anderen Art“. Als ich dann meinen Namen auf der Bühne gehört habe, war das völlig überwältigend für mich! Ich habe noch nie einen Preis gewonnen. Ich bin dann wochenlang auf Wolken geschwebt. Das Netteste auf der Criminale aber war das Kennenlernen der Syndikat-Leute, die Zeit in Nürnberg war sehr lustig für mich.

Kriminetz: In deinem Roman geht es auch um verpasste Chancen und um verschiedene Betrachtungsweisen einer Handlung oder Situation. Denken Frauen bei Beziehungsgeschichten grundsätzlich anders als Männer?

Judith W. Taschler: Nein, das ist doch ein Klischee, oder nicht? Ich glaube, dass es nicht geschlechtsspezifisch ist, was man in einer Beziehung will oder denkt, sondern eine Charaktersache. Manche wollen eine Familie gründen, manche wollen nur eine heiße Affäre, manchen fällt es schwer, treu zu sein, manche reden gern, andere wieder nicht, jeder hat seine bestimmten Vorlieben, jeder ist verletzt, wenn der andere betrügt, ... EGAL ob männlich oder weiblich.
In meinem Buch „Die Deutschlehrerin“ war es zufälligerweise eine Frau, Mathilda, die unbedingt Kinder haben wollte, und die lebenstüchtig war, das hat aber eher mit ihrer Herkunft zu tun und nicht mit ihrem Geschlecht. Ich habe einfach ihren Charakter so konzipiert. Ich hätte es auch umgekehrt machen können: Xaver, der tüchtige Deutschlehrer, der sich Kinder wünscht, Mathilda, die eitle Autorin, die keine will.

Kriminetz: Du schilderst in „Die Deutschlehrerin“ mit großem Feinsinn und Einfühlungsvermögen das Milieu, in dem Mathilda aufwuchs. Der Vater driftet schließlich in eine Sekte ab. In Xavers Welt trifft Mathilda ebenfalls auf verpasste Chancen. Da ist zum Beispiel der Großvater, der aus USA zurückkehrt und dort eine große Liebe zurück lässt. Faszinieren dich diese Wendestellen im Leben, an denen man sich so oder anders entscheiden kann und aus denen alles Weitere resultiert?

Judith W. Taschler: Ja, diese Wendestellen im Leben interessieren mich sehr! Warum entscheidet man sich genau so und nicht anders, obwohl man so viele Möglichkeiten hätte? Was treibt einen genau zu dieser einen Entscheidung? Wie wäre das Leben verlaufen, wenn man sich anders entschieden hätte? Solche Fragen beschäftigen mich sehr, auch beim Konstruieren einer Figur.

Kriminetz: Du hast selbst eine Weile in den USA gelebt. Was aus deinem dortigen Leben vermisst du in Österreich?

Judith W. Taschler: Eigentlich sehr wenig. Die zahlreichen guten mexikanischen Restaurants vielleicht, die gibt es hier in Tirol nicht. Aber ansonsten finde ich, es geht uns sehr gut hier in Mitteleuropa. Ich bin froh, dass ich nicht in Algerien oder im Irak geboren worden bin. Ich bin gerne Österreicherin.

Kriminetz: Wenn ich mich richtig erinnere, wurden in Deutschland zu Zeiten des Kalten Krieges private Atomschutzbunker unter Wohnräumen staatlich bezuschusst. War das in Österreich auch der Fall? Dann müsste es eigentlich ein Verzeichnis unterirdisch angelegter Schutzräume geben? Dies könnte auch eine „Landkarte“ des Grauens sein, wenn dort, wie von Mathilda angedeutet, Personen im Verborgenen gehalten werden.

Judith W. Taschler: Ich glaube, in Österreich wurden nach der Tschernobyl Katastrophe auch das Bauen von Bunkerräumen gefördert, bin mir aber nicht sicher. Auf alle Fälle haben meine Eltern nach Tschernobyl einen Atomschutzbunker im Keller gebaut, eine richtig große schöne Wohnung unter der Erde, mit zwei 300 kg schweren Feuerschutztüren im Eingangsbereich. Wir haben ihn gottseidank nie gebraucht und ihn für Partys zweckentfremdet.

Kriminetz: Im August 2014 erscheint dein Roman “ROMAN OHNE U”. Magst du schon mal ein wenig ausplaudern, worum es darum geht?

Judith W. Taschler: Der „Roman ohne U“ ist eine spannende und berührende Familiengeschichte mit vielen Überraschungsmomenten.
S 21: „In diesem Buch geht es um eine Familie. Die Familie ist so gewöhnlich wie ihr Name: Bergmüller. Gibt es einen gewöhnlicheren Namen? Außer Maier und Müller vermutlich nicht. Da Familie Bergmüller aus vielen Personen besteht, ist es unerlässlich, alle vorzustellen. Vorneweg: Es ist eine ganz gewöhnliche Familie. Das werden Sie, lieber Leser, liebe Leserin, in der Geschichte bald merken, ob an der Tatsache, dass der älteste Sohn auf Facebook tausendvierundfünfzig Freunde hat, im wirklichen Leben aber nur einen einzigen, oder an der Tatsache ....“
Julius und Katharina Bergmüller haben vier Kinder, davon geplant war nur eines, dennoch meistern sie nach anfänglichen Schwierigkeiten so halbwegs ihr Leben. Genau am 21. Dezember 2012, die Welt hätte untergehen sollen, stirbt Julius bei einem Verkehrsunfall - gemeinsam mit einer anderen Frau. Katharinas Welt bricht zusammen. Nach und nach erschließen sich ihr diverse Geheimnisse, unter anderem wie ihr Schicksal mit dem einer im sowjetischen Gulag verschollenen Pianistin verknüpft ist.
Mehr möchte ich nicht verraten. Das Buch gibt es ab 25.8. zu kaufen.

Kriminetz: Du lebst heute in Innsbruck. Kannst du es noch hören, wenn dich Touristen nach dem „Goldenen Dachl“ fragen?

Judith W. Taschler: Doch, natürlich. Das macht mir nichts aus. So oft werde ich nicht nach dem Goldenen Dachl gefragt, eher nach der Bergisel-Schisprungschanze, weil wir am Bergisel wohnen.

Vielen Dank, Judith W. Taschler, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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