Sieben Fragen an Thomas Habermehl

Das Foto zeigt Kriminalhauptkommissar Thomas Habermehl, den Leiter der Aussenstelle des Weissen Rings e. V. in Mannheim.

Der Arbeitsplatz von Thomas Habermehl befindet sich schräg gegenüber des Mannheimer Schlosses. Doch trotz der schönen Lage sind es nicht die Sonnenseiten des Lebens, mit denen er beruflich zu tun hat. Der Kriminalhauptkommissar hat nämlich ein Büro im Mannheimer Polizeipräsidium in L6. Neben dieser Arbeit leitet Thomas Habermehl ehrenamtlich die Außenstelle des Weissen Rings e. V. für Mannheim. Während sich nach einer Tat die öffentliche Aufmerksamkeit meist auf die Person und die Lebensumstände des Täters fokussiert, kümmert sich der Weisse Ring um die Opfer der Taten. Um Menschen, die oft traumatisiert von dem Erlebten sind und Hilfe brauchen, um wieder in einen Alltag finden zu können, der trotz allem für sie lebenswert ist. Hier setzt das Engagement von Thomas Habermehl und seinen Mithelfern an.

Der Weisse Ring e. V. finanziert sich aus Spenden. Um auf die Arbeit des Vereins aufmerksam zu machen und um etwas in diesen Topf zu füllen, wird am 8. Dezember 2014 eine Benefizlesung von Autorinnen und Autoren des Syndikats, der Autorenvereinigung deutschsprachige Kriminalliteratur, im Polizeipräsidium Mannheim stattfinden.

Für Kriminetz beantwortete Thomas Habermehl sieben Fragen.

Kriminetz: Wer kann sich an Sie wenden? Muss man eine Tat angezeigt haben, damit man sich als Geschädigter an Sie wenden kann?

Thomas Habermehl: An den WEISSEN RING kann sich jeder wenden, der in irgendeiner Art und Weise Opfer von Kriminalität geworden ist. Wir helfen nicht nur, wie es dann und wann fälschlicherweise angenommen wird, Gewaltopfern sondern Opfern jeglicher Kriminalität. Der Bogen spannt sich hierbei von Einbrüchen, Raubstraftaten und Diebstählen über Stalking und Körperverletzungen bis zu Sexualstraftaten und Totschlagsdelikten. Wenn es zum äußersten, den Totschlagsdelikten, gekommen ist, unterstützen wir die Hinterbliebenen.
Hierbei ist zu beachten, dass unsere Unterstützung den Belangen der Opfer gilt. Wenn das Opfer, was dann und wann der Fall ist, keine Anzeige erstatten kann oder hierzu momentan noch nicht in der Lage ist, helfen wird trotzdem. Wir raten in den allermeisten Fällen zur Erstattung einer Anzeige, machen dies jedoch nicht zur Voraussetzung.

Kriminetz: Wie kamen Sie zu dem ehrenamtlichen Engagement beim Weissen Ring e. V.?

Thomas Habermehl: Ich habe vor einigen Jahren in meinem Hauptberuf einen Fall bearbeitet, in welchem ich einem Opfer auf verschiedene Arten und Weisen weiterhelfen konnte. Von da an war es nur noch ein kurzer Weg. Auf einem Lehrgang stellte sich ein Vertreter des WEISSEN RINGS vor und präsentierte die Arbeit des Vereines. Ich zog die Parallelen zu meinem polizeilich bearbeiteten Fall und bemerkte, dass mir diese Arbeit liegt und auf Grund meiner Ausbildung leicht fällt, deshalb entschied ich mich dann, für den WEISSEN RING zu arbeiten. Ich durchlief die Ausbildung zum Mitarbeiter beim WEISSEN RING, setzte dann noch die Ausbildung zum Aussenstellenleiter darauf und bin nun seit 2008 in „Amt und Würden“ in Mannheim.

Kriminetz: Wieviele Menschen melden sich jährlich in etwa bei Ihnen?

Thomas Habermehl: Das schwankt so ein wenig, im Schnitt kann ich aber sagen, dass sich ca. 200 bis 250 Personen pro Jahr bei mir melden. In vielen Fällen kann man aber durch einfach Ratschläge am Telefon schon helfen, so dass es zu keiner weiteren Betreuung kommen muss. Förmlich erfasste Betreuungen / Hilfen ergeben sich bei uns etwa 100 Fälle pro Jahr.

Kriminetz: Ein Geschädigter braucht vor Gericht einen Anwalt. Ich könnte mir vorstellen, dass dies auch ein finanzielles Problem ist. Folgt man der Berichterstattung in den Medien, kann man zu dem Eindruck gelangen, es sei bei öffentlichkeitswirksamen Prozessen nicht schwierig für einen Täter, einen Anwalt zu finden. Für die Opfer stellt es sich vermutlich nicht so einfach dar, anwaltlichen Beistand zu finden?

Thomas Habermehl: Das ist grundsätzlich richtig. Das liegt daran, dass es zwar viele Anwälte im Bereich des Strafrechtes gibt, diese sich jedoch meist auf die Verteidigung spezialisiert haben. Die Rechte der Opfer wurden auch erst vor wenigen Jahren ausgeweitet und entsprechende Regelungen in die Strafprozessordnung aufgenommen, so dass es sich bei den „Opferrechten“ um einen noch vergleichsweise jungen Rechtsbereich handelt, zu welchem viele Anwälte noch keinen Zugang haben. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Opfer finanziell nicht eben gut gestellt sind, so dass Anwälte an diese keine Rechnungen stellen können, wie dies im Bereich der Verteidigung bei den Wahlverteidigergebühren der Fall ist. Statt dessen müssen die Opferanwälte Prozesskostenhilfe beantragen, für Beratungsscheine vom Amtsgericht arbeiten u.ä., was nicht in jedem Fall kostendeckend ist, bedenkt man die Infrastruktur, welche ein Anwalt am Leben erhalten muss (Büro, Angestellte, etc.). Der WEISSE RING bringt sich hier ein und bietet Beratungsschecks für anwaltliche Erstberatungen und kann auch, wenn alle anderen Stricke reißen, die Anwaltskosten bis zur ersten Instanz übernehmen. Mit diesen Mitteln ist es hier in Mannheim gelungen, ein kleines Netzwerk von Anwälten auf die Beine zu stellen, die sich hier in Mannheim für die Rechte der Opfer engagieren.

Kriminetz: Was macht der Weisse Ring e. V. neben Hilfen zum Prozess? Vielleicht möchte das Opfer einer Straftat nach der Tat etwa ein neues Bett kaufen. Hilft der Weisse Ring auch in solchen Fällen?

Thomas Habermehl: Wir helfen außer mit Rat auch mit Geld. Sie haben ein gutes Beispiel gebracht – das Opfer einer Sexualstraftat kann sich nach der Tat an uns wenden. Wir stellen dann den Kontakt zu einer Anwältin oder einem Anwalt her, außerdem haben wir ein kleines Netz an Psychotherapeuten, falls das Opfer hier Hilfe braucht. Wir beraten das Opfer bezüglich seiner Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz und zu guter Letzt können wir auch finanziell helfen. In Ihrem Beispiel ist es verständlich, wenn ein Opfer nicht mehr im eigenen Bett schlafen oder seine Wohnung betreten kann, wenn dort etwas Schlimmes geschehen ist. In so einem Fall ist ein neues Bett, eine neue Inneneinrichtung, eventuell sogar ein Umzug nötig. Diese Kosten kann das Opfer nirgendwo geltend machen, also kann der WEISSE RING dies finanziell unterstützen.
Oft ist es auch so, dass Opfer durch die Tat zunächst völlig aus ihrem Leben gerissen werden oder arbeitsunfähig erkranken, so dass es zusätzlich zu den direkten Tatfolgen wie Verletzungen auch noch Verdienstausfälle hat. Auch in solchen Fällen können wir finanziell helfen.

Kriminetz: Wie schaffen Sie es, Ihre Fälle „im Büro zu lassen“? Ich könnte mir vorstellen, dass einem der eine oder andere Fall ganz schön nahe geht und man am Feierabend auch noch daran denkt.

Thomas Habermehl: Sie werden lachen, aber das habe ich der Bürokratie zu verdanken. Sowohl beruflich als auch in den Betreuungsfällen des WEISSEN RINGS ist es notwendig Berichte zu verfassen. Hierdurch ist der Schreiber „gezwungen“ den Fall von vorne bis hinten zu durchdenken und mit einem roten Faden zu versehen, um einen verständlichen Bericht zu produzieren. Das Erlebte fließt somit gleichsam durch die Feder wieder aus dem Kopf, was eindeutig der Psychohygiene dient. In den Fällen, wo dies nicht ausreicht, kann ich darüber hinaus die Fälle noch mit meinen Kollegen der Polizei, meinen Mitarbeitern vom WEISSEN RING und natürlich (mit entsprechender Abstraktion) mit meiner Familie besprechen, was ebenfalls entlastend wirkt.

Kriminetz: Schauen Sie wie Millionen anderer am Sonntagabend den TATORT an?

Thomas Habermehl: Nur ganz selten, wie ich zugeben muss. Obwohl diese oft sehr gut gemacht sind, fallen mir natürlich immer die unrealistischen Kleinigkeiten auf…und wenn ich die erwähne ärgere ich damit meine Frau und kriege Schimpfe…

Vielen Dank, Thomas Habermehl, für die Beantwortung der Fragen.

Weitere Informationen zum Weissen Ring e. V.