Sieben Fragen an Thomas Kirchner

Drehbuchautor Thomas Kirchner zu Gast beim Festival des deutschen Films auf der Ludwigshafener Parkinsel. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Thomas Kirchner ist Drehbuchautor der Reihe Spreewaldkrimi im ZDF. Vielfach gab es Premieren der einzelnen Filme beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen. Zur Vorstellung von Spiel mit dem Tod reiste Thomas Kirchner mit weiteren Team-Mitgliedern der Film-Crew aus Berlin an, wo er lebt und arbeitet. Er war Bühnentechniker am Maxim Gorki Theater Berlin, ab 1989 Regieassistent. Daneben arbeitete der Autor an verschiedenen Theatern als Schauspieler, Kabarettist und Regisseur.

Für Kriminetz beantwortete Thomas Kirchner sieben Fragen.

Kriminetz: Wenn ich es Recht verstanden habe, stammen sämtliche Drehbücher zu den Spreewaldkrimis aus Ihrer Feder. Wie hat dieses Projekt angefangen?

Thomas Kirchner: Ja, es ist richtig, dass ich alle bisherigen Spreewaldkrimis geschrieben habe. Das sind jetzt neun gezeigte (der zehnte wird in 2016 gedreht und der elfte ist für 2017 in Planung). Das ist in der deutschen Fernsehfilmlandschaft ziemlich einmalig und zeugt von Vertrauen, welches Redakteur Pit Rampelt (ZDF), Produzent Wolfgang Esser (Aspekt Telefilm) und ich ineinander haben. Begonnen hat alles 2004 in der Lobby eines Berliner Hotels, wo mich der Produzent dem Redakteur vorstellte. In diesem Gespräch fragten wir uns, welche Gegend in Deutschland noch nicht „totgefilmt“ ist – ohne den Begriff „Regionalkrimi“ auch nur zu denken. So kamen wir dann auf den Spreewald.

Kriminetz: Die Landschaft des Spreewaldes scheint eine ganz besondere zu sein. In den Filmen wird auch immer auf eine wunderbare Art die besondere Magie dieses Ortes eingefangen. Ich liebe diese Bilder, wenn Kommissar Redl mit einem Boot durch das Wasser gleitet und sich in seinem Gesicht die Handlung spiegelt. Wie haben Sie für sich den Zauber dieses unglaublichen Ortes erschlossen?

Thomas Kirchner: Der Spreewald liegt ja sozusagen vor der Haustür Berlins. Ich war aber außer auf Klassenfahrt in meiner Kindheit nie mehr dort. Sogar die erste Fassung für das GEHEIMNIS IM MOOR verfasste ich noch, ohne dort hingefahren zu sein. Erst als die Geschichte stand, sind meine Frau und ich in den Spreewald gefahren. Das war im März 2005. Wir waren die einzigen Gäste in einem großen Hotel am Hochwald. Die Fliesse waren teilweise noch vereist. Eine Kahnfahrt haben wir und zwei weitere Touristen unter dicken Decken genossen. Das prägt sich ein. Seitdem fahre ich regelmäßig in den Spreewald, um die Landschaft auf mich wirken zu lassen und mit Einwohnern in Kontakt zu treten. Mittlerweile hat sich da sowas wie Vertrautheit eingestellt.
Dieses Einlassen auf Region, auf die Geschichten, die sich in ihr erzählen lassen, ihren magischen Rhythmus, den die gemächlich fließenden Wasser vorgeben – das ist es, was die Spreewaldkrimis ausmacht. Es ist nicht irgendein Spielort. Region fordert Einlassung und Spiegelung.

Kriminetz: Meist spielen die Gemeinschaft der Sorben und die Mythen der Gegend eine Rolle im Spreewaldkrimi. Wie reagieren die Sorben auf ihre Einbindung in die Krimis?

Thomas Kirchner: Regionalkrimis sollen eben mit dem Gebiet zu tun haben, in dem sie spielen. Die Sorben/Wenden gehören dazu wie die Mythen und Sagen aus dem Spreewald.
Die Sorben im Spreewald nennen sich übrigens Wenden, wie es auch bei Fontane zu lesen ist, der nicht einmal das Wort „Sorbe“ notierte. Nach vielen Reaktionen der Zuschauer haben wir das jetzt im neunten Fall richtiggestellt. Oft hören wir, dass die Filme die Region befördert haben. Touristen entdecken zunehmend den Spreewald – auch aus Österreich, der Schweiz und aus Schweden, wo die Filme im Fernsehen laufen. Ein leeres Hotel werden Sie auch im Winter nicht mehr finden.

Kriminetz: In „Spiel mit dem Tod“ leiden mehrere Personen an Posttraumatischen Belastungsstörungen. Das Grauen eines Krieges zieht in unserer globalisierten Welt in die Idylle des Spreewaldes ein. Aber auch der Kommissar selbst leidet an Flashbacks, aufgrund eines Traumas, das er als Halbwüchsiger erleben musste, verursacht durch einen schwer traumatisierten Kriegsheimkehrer. Kann Menschen mit PTBS nachhaltig geholfen werden?

Thomas Kirchner: In dem Maße, wie Traumen generell durch psychische Behandlung bewältigt werden können. Vollständig, meines Wissens, nein. Krüger antwortet auf die Frage, ob man diese Dämonen wieder los wird, mit: „Man kann lernen, mit ihnen zu leben.“
Wie der öffentliche Umgang mit PTBS auch gelernt werden musste. Mir ist noch erinnerlich, wie viele Verantwortliche, auch in der Bundeswehr, aufatmeten, als ein amtierender Verteidigungsminister endlich von einem KRIEG in Afghanistan sprach und das Problem traumatisiert heimkehrender Soldaten endlich offiziell auf der Agenda stand.

Kriminetz: Erstmalig stehen im 9. Teil der Reihe die Sorben/Wenden mit ihren Bräuchen und Sagen nicht im Mittelpunkt der Handlung, die Gegenwart mit ihren Auswüchsen hat Einzug in den Film gehalten. Haben Sie den Spreewald ein wenig entzaubert?

Thomas Kirchner: Wenn wir hinsehen wollen, stellen wir fest, dass das Grauen des Krieges näher ist als wir denken – seien es die eigenen deutschen Soldaten oder die zunehmende Zahl der Kriegsflüchtlinge. Und irgendwann bricht das Grauen dann auch in die Idylle. In jede.

Kriminetz: Als ich Sie bei der Podiumsdiskussion in Ludwigshafen neben „dem Gesicht des Spreewaldkrimis“, Christian Redl, sitzen sah, fiel mir eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Ihnen beiden auf. Hilft diese Ähnlichkeit mit der Hauptfigur, sich während des Schreibprozesses in die fiktionale Figur Kommissar Krügers hinein zu versetzen?

Thomas Kirchner: Die Besetzung Christian Redl ist ein Glücksfall (den Cast für den ersten Spreewaldkrimi besorgte Uljana Havemann) – denn anfangs war ja keine Reihe geplant. Die Entscheidung fiel erst nach dem dritten oder vierten Film. Die Geschichten spielen oft mit archetypischen, fast schon antiken Versatzstücken. Da braucht es einen Charakterkopf. Christian Redl ist für mich der Chorführer, der den Zuschauer durch die Geschichte führt, er ist ihre Projektionsfläche.
Wie ich mich auch ein wenig als Spiegel der Region sehe.

Kriminetz: Nach dem Spreewaldkrimi ist vor dem Spreewaldkrimi. Die Arbeit am 10. Teil der Reihe ist in vollem Gange. Mögen Sie ein wenig davon verraten, worum es darin geht?

Thomas Kirchner: Garantiert nicht. (lacht) Lassen Sie sich einfach wieder überraschen.

Kriminetz: Vielen Dank, Thomas Kirchner, für die Beantwortung der sieben Fragen. Auf ein Wiedersehen auf der Parkinsel!

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