Fabrikation eines Verbrechers
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Bruno Lüdke wurde - fälschlich - als der 'größte Massenmörder in der Kriminalgeschichte' bezeichnet. Der im Nationalsozialismus geheim gehaltene Fall bot seit den 1950er Jahren Stoff für Enthüllungsgeschichten und filmische Fiktionen. Die Akteure beriefen sich auf die Wahrheit der Archivakten: medizinische Gutachten, Protokolle der Polizei, Fotografien, Körperabformungen und Lüdkes Sterbeurkunde. Dieses Buch entwirft zu den wissenschaftlichen und populären Imaginationen vom Bösen eine Medien- und Wissensgeschichte vom 19. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. Analysiert werden stereotype und rassistische Menschenbilder, Visualisierungen des Verbrechers als Typus, Wahrheits- und Trophäenproduktionen und die vergangenheitspolitischen Dimensionen von Medienpraxis. Fabrikation eines Verbrechers demonstriert wissenschaftliches Denken dicht am Material, theoretisch und methodisch transparent - für eine zeitgemäße historische, politische und ästhetische Bildung.
Spannend wie ein Krimi
Es ist ein Buch wie ein Krimi und es behandelt ein Thema, das Krimiautoren und Filmemacher seit Jahrzehnten keine Ruhe lässt. Viele Bücher wurden darüber geschrieben – seltsamerweise offenbar keine Krimis. Der Film zum Fall bedeutete den künstlerischen Durchbruch des genialen jungen Schauspielers Mario Adorf. Die Rede ist von Bruno Lüdke, der als einer der schlimmsten Massenmörder der Kriminalgeschichte gilt. Oder galt. Oder bald nicht mehr gelten wird.
Susanne Regener und Axel Doßmann gehen der Sache ausgiebig nach, sie dokumentieren, was wirklich geschah, sie stellen Fragen nach dem Verbleib von Beweisen und Aussagen, sie verlangen nach klaren Definitionen: Was ist ein Beweis, was ein Dokument? Sie zeigen vor allem ein unglaubliches Versagen der damaligen Polizei – falls es also Versagen war und nicht genau so erwünscht.
Bruno Lüdke aus Köpenick, 30 Jahre, des Lesens und Schreibens unkundig, nach den Maßstäben der Nazizeit „schwachsinnig“ und bereits zwangssterilisiert, wurden 54 ungeklärte Morde zur Last gelegt. Die erhaltenen Vernehmungsprotokolle zeigen einen überaus verwirrten Beschuldigten, der nicht so ganz zu begreifen scheint, was man von ihm will, der auf Suggestivfragen die verlangte Antwort gibt und sich immer mehr um Kopf und Kragen redet, denn schließlich wurde ihm ja versprochen, wenn er sagt, was die Polizei hören möchte, ist er Weihnachten wieder zu Hause.
So kam es aber nicht, Lüdke wurde 1944 im Rahmen von medizinischen „Experimenten“ umgebracht. Wir erfahren nun, dass es schon damals Zweifel an seiner Schuld gab, Fingerabdrücke wurden nicht abgeglichen, Alibis nicht überprüft, um nur einige der dicken Patzer zu nennen, die die Polizei sich zuschulden kommen ließ.
Aber wieso eigentlich? Und wieso hat es bis heute gedauert, bis endlich laut gesagt wird, dass Lüdke unschuldig war? Dieser Frage gehen Regener und Doßmann nach, zeigen den vermeintlichen Massenmörder in seiner Zeit, dann in den fünfziger Jahren und folgen seinem Weg bis heute, in einem umfangreichen Buch, in dem viele Originaldokumente abgebildet sind.
Spannend wie ein Krimi, und nach der Lektüre dieses Buches werden wir alle neuen Krimis mit ganz anderen Augen lesen.