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Hotel Silber
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Ein vielschichtiger Kriminalroman über ein bisher nicht erzähltes Kapitel Nachkriegsgeschichte
Stuttgart 1945. Der Polizeibeamte Paul Kramer muss mithelfen, im berüchtigten Hotel Silber die neue Kriminalpolizei aufzubauen - genau an jenem Ort, an dem er wenige Tage vor Kriegsende noch von der Gestapo gefoltert wurde.
Doch Hass und Ideologie sind mit der Kapitulation nicht verschwunden. Als die ersten Verbrechen aufgeklärt werden müssen, zeigt sich schnell, wer auf welcher Seite steht - und Pauls Ermittlungen werden für ihn selbst zur Gefahr.
Kriminalroman wider das Vergessen
Das Hotel Silber in Stuttgart war während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft das örtliche Hauptquartier der Gestapo. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte. Diesen historischen Ort wählt Kai Bliesener zum Schauplatz des bei emons: erschienenen Kriminalromans »Hotel Silber – Neue Zeit, alte Schuld«.
Der Roman beginnt in der Endphase der Diktatur, in der die Verbrecher der Nazi-Zeit noch ihr Unwesen treiben, während sie gleichzeitig beginnen ihre Spuren zu verwischen und ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Noch im März/April 1945 werden hier Menschen gequält und gefoltert, unter ihnen Paul Kramer, ein ehemaliger Polizeianwärter und Kriegsdeserteur, und die Familie Wallner. Buchstäblich bis zur letzten Minuten, als die Franzosen bereits vor Stuttgart stehen, bleibt das Hotel Silber ein Tatort.
Wenige Wochen später beginnt genau hier der Aufbau einer neuen Polizei, in welcher auch der eine oder andere mit einem »Persilschein« reingewaschene Gestapo-Angehörige wieder sein Auskommen findet. Doch auch Paul Krämer erhält eine neue Chance, sich am Aufbau der neuen Polizei zu beteiligen.
Bliesener beschreibt diese Umbruchzeit von den letzten Tagen des Faschismus bis hinein in die frühe Nachkriegszeit – noch weit vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland – mit akribischer Genauigkeit. Wir begegnen Tätern und Opfern, überzeugten Faschisten, Mitläufern und einstigen Widerstandskämpfern, Displaced Persons, Besatzungsmächten und auch Menschen im Aufbruch in eine neue Zeit. Man merkt dem Roman an, dass Bliesener sehr intensiv in den historischen Quellen recherchiert hat. Auch wenn es sich um einen fiktionalen Roman handelt, ist jede der beschriebenen Taten genau so oder ähnlich passiert, und das nicht nur einmal, sondern dutzende, unzählige Male. Diese Grausamkeiten sind schon beim Lesen kaum auszuhalten. Sie dürfen nicht in Vergessenheit geraten!
Obwohl so viele Verbrechen geschehen, ist das Setting zunächst nicht immer das eines Kriminalromans. Tatsächlich fühlte ich mich teilweise eher an eine journalistische Reportage erinnert. Doch das ändert sich zusehends.
Gelungen fand ich die unterschiedlichen Charaktere der Täter. Da war alles dabei, vom Sadisten bis zum »Ich tue nur meine Pflicht!«-Befehlsempfänger. Ich frage mich ja immer, wie solche Menschen nach der »Arbeit« seelenruhig nach Hause gehen können, zu Frau und Kind. Doch das nationalsozialistische Gedankengut hatte natürlich auch die Frauen geprägt. Irgendwo im Buch steht der Satz: »Aber es gibt zu wenig Unschuldige in diesem Land.« (S. 171) Bliesener zeigt auch sehr nachvollziehbar auf, wie tief der Riss in der Bevölkerung auch innerhalb von Familien verlief.
»Hotel Silber« wird mir Sicherheit in Erinnerung bleiben. Ich habe – noch dazu in einem Kriminalroman – selten so eindrucksvoll diese Zeit beschrieben gefunden. Sehr eindrücklich war für mich die Barbarei, die unvorstellbare Grausamkeit, zu der Menschen fähig sind, wie sie entfesselt gesellschaftlicher und moralischer Normen handeln können, wenn eine Weltanschauung kulturelle und ethische Werte für nichtig erklärt und Gewalt gegen alle anderen legitimiert; Wenn Menschenrechte keine Rolle mehr spielen. Leider kein Thema, was sich auf Deutschland zwischen 1933-1945 begrenzt.
Wir dürfen niemals vergessen, was für Gräueltaten damals in unserem Land passiert sind. Für mich erwächst daraus die Verantwortung, nicht zu schweigen, wenn braune Parolen wieder salonfähig werden, in Talkshows und Parlamenten geäußert werden und wenn der Ruf laut wird, das Geschehene zu vergessen, weil es mit uns nichts mehr zu tun habe. Ich finde es erschreckend, dass gerade junge Menschen davon nichts mehr wissen wollen. Hier versagt für mich unser Erziehungs- und Bildungssystem. Dieses Buch sollte tatsächlich Schullektüre sein, um dem entgegen zu wirken.
Ich vergebe voller Überzeugung eine eindeutige Leseempfehlung (5 Sterne).