Das Jahr der Katze
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Ein ungewöhnlicher Thriller in der Tradition eines Cormac McCarthy oder Quentin Tarantino und das faszinierende Panorama einer bizarren japanischen Unterwelt, die noch immer die Traditionen der Samurai-Zeit beschwört, auch wenn ihre goldene Zeit längst der Vergangenheit angehört.
Früher verstand sie sich als eine ehrenwerte Gesellschaft. Heute ist japanische Yakuza zunehmend eine Organisation gewöhnlicher Krimineller, verwickelt in Drogenhandel und schmutzige Immobiliendeals. Staat und Polizei haben die jahrhundertelange Toleranz und Koexistenz aufgekündigt und der Yakuza den Kampf angesagt. Da kommt es äußerst ungelegen, dass Fumio Onishi bei einer Aktion im Auftrag der Yakuza in Berlin eigenmächtig übers Ziel hinausgeschossen ist. Auf der Flucht vor den deutschen Behörden hat Onishi sich zwar mit seiner deutschen Freundin Nikola nach Tokio absetzen können. Doch hier erwartet der Yakuza-Boss Takeda ein unmissverständliches Opfer von ihm ...
Hat Christoph Peters in seinen Romanen "Mitsukos Restaurant" und "Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln" die helle, ebenso faszinierende wie manchmal skurrile Seite der Kultur Japans beleuchtet, taucht er nach "Der Arm des Kraken" auch in seinem zweiten Roman um Fumio Onishi ein in die Abgründe des Reichs der aufgehenden Sonne - in einen zutiefst widersprüchlichen Kosmos voll rätselhafter Traditionen zwischen höchster Eleganz und Kultiviertheit einerseits und blinder Grausamkeit und fragwürdigen Atavismen andererseits, in eine Unterwelt, die ebenso geprägt ist von dem alten Ethos der Samurai wie von irritierenden Werten, fremdartigen Ritualen und verstörender Gewalt.
Katzen, die nicht schnurren
„Das Jahr der Katze“ ist ein knallharter Gangsterthriller mit Japan als Schauplatz: zu Beginn die Millionenmetropole Tokio und dann das Hinterland mit bizarren Vorgärten. Deutsche Verhaltensformen stehen japanischen gegenüber – die Deutsche Nikola hinterfragt ständig alles, der Japaner Onishi antwortet teilweise wie ein Orakel. Seine Sprüche klingen ein wenig wie die Botschaften Holly Golightlys, die diese in „Frühstück bei Tiffany“ aus dem Gefängnis übermittelt, etwa wie „Es zieht ein Gewitter auf“. Das Verhalten der Japaner im Roman entspringt einem strengen Regelwerk, an dem sich alle zu orientieren haben. Besonders gilt dies für Mitglieder der Yakuza, einer kriminellen Vereinigung. Wer eigenmächtig handelt und nicht nur stur ausführt, was der Meister ohne Erklärungen anordnet, wird bestraft. Deshalb sind einige von ihnen nicht mehr mit all ihren Fingergliedern ausgestattet. Um Zeichen zu setzen werden bei besonders entehrenden Tötungen den Opfern vor dem Kopfabschlagen Nase und Ohren abgeschnitten.
Onishi ist auf der Flucht vor den deutschen Behörden aus Berlin abgehauen. Nikola, deren Freund in Berlin ermordet wurde, ist gemeinsam mit ihm nach Japan geflohen. Da Killer Onishi in Berlin nicht nur seinen Auftrag erfüllt hat, sondern darüber hinaus selbst aktiv war, erwartet der Boss der Yakuza, wie die kriminelle Vereinigung, der er angehört, heißt, ein Opfer von ihm.
Das Meiste in dem gut durchkomponierten Thriller mutet auf eine gewisse Weise exotisch an, etwa die Regeln und die Hierarchie in der japanischen Unterwelt. Nikola taucht zunächst in der Wohnung von Bekannten unter. Doch die wird durch eine besondere Art der Einrichtungsergänzung unnutzbar: eine geballte Ladung Fischabfälle wird hineingekippt. Der Mieter der Wohnung, Friedemann, der in Japan lebt und dort über deutsche Kultur berichtet, stellt sich als nerviger Mann mit Wortdurchfall dar. Vermutlich wäre es leichter, das von Onishi verlangte Opfer zu vertreten, als Friedemann über einen längeren Zeitraum hinweg zu ertragen.
„Das Jahr der Katze“ handelt nicht nur von einem Bandenkrieg, in dessen Verlauf Nikola und Onishi ins Visier geraten, sondern auch von der Verteilung des riesigen Kuchens, der da heißt: Olympische Spiele, die in Japan in einigen Jahren stattfinden sollen. Für den Bausektor sind Olympische Spiele ein wahnsinniges Geschäft. Da will natürlich jede „Gang“ ihr ganz besonders großes Sahnestück bekommen. Zudem werden die Geschäftsfelder der Banden neu ausgerichtet und aufgestellt, Umstrukturierungen wegen der Digitalisierung der Märkte werden angedeutet.
Die Vorbereitung japanischer Manager auf ihre Führungsaufgaben wird im Roman so geschildert, dass diese in einem Kloster zwei Jahre lang gedemütigt werden. „Auf diese Weise haben sie gelernt, dass sie nichts sind, und die Firmenchefs sahen darin eine gute Grundlage für angehende Führungskräfte.“ (S. 224) Gebrochen und traumatisiert herrscht es sich eben rigoroser, vor allem, wenn auch gleich noch die Empathie abtrainiert wird. Vielleicht fällt es leichter, vom anderen Dienst an der Firma über die Selbstaufgabe hinaus zu fordern, wenn man selbst tagelang vor der Tür im Regen oder Schnee warten musste. „Ganz gleich, welchen Rang du erreichst, du wirst immer wieder die gleichen Kämpfe führen – nicht, bis du gewonnen hast, sondern bis du sie aufgibst“, wird Meister Takuyama zitiert (S. 227). „Hier funktioniert fast nichts nach denselben Regeln wie in Deutschland, weder praktisch noch moralisch.“ (S. 159) Die Yakuza wird als Teil der Gesellschaft beschrieben, die unter Umgehung der Staatsgewalt Dinge regelt, für die man in Deutschland einen Anwalt benötigt.
Was die wenig zimperliche und kampfsporterprobte Nikola an Onishi findet, erschließt sich womöglich aus dem Vorgängerband, in dem sie sich kennenlernen. Ein durchtrainierter Killer, der kein einziges Mal „ich liebe dich“ über die Lippen bringt. In gewissen Situationen einer Paarbeziehung beweist er Standfestigkeit, so wird es ausführlich geschildert. Nun ja, er lebt im Luxus, aber sollte das wirklich mit den Lehren des Zens vereinbar sein? Japan ist so vielschichtig und so anders, dass es für Europäer wohl nur sehr schwer verständlich ist. Oder, um es mit Friedemann zu halten, den der Autor immerhin seit zehn Jahren in Japan leben lässt: „Aber den Versuch, japanische Logik zu begreifen, hatte er ohnehin aufgegeben.“ (S. 207)
Christoph Peters hat mit „Das Jahr der Katze“ einen rasanten Thriller geschrieben, der in eine für Europäer fremde Welt entführt. Gespannt unternimmt die Leserschaft einen Ausflug an einen Ort, an dem Vieles ganz anders ist als in Europa.