Stefanie Gregg entführt in den "Nebelkindern" in die Geschichte über eine Familie, die ihre Heimat verlassen musste: Ana, eigentlich Anastasia, mit ihrer Mutter Käthe, ihrer Schwester Leni und der Tante und deren Sohn Wolfi. Mit dem letzten Zug haben sie Breslau verlassen. Zunächst landen sie bei einem Bauern, der die Notlage der Flüchtlinge weidlich auszunutzen versteht. Statt im Haus, wie vorgesehen, bringt er sie im Kuhstall unter. Selbst die zugeteilten Essensmarken hält er ihnen vor. Als sie überraschend abgeholt werden, weil ihnen in München eine Wohnung zugeteilt wurde, versucht er noch, ihre Koffer mit den Kleidern und dem eingenähten Schmuck zu stehlen.

Wolfi entpuppt sich als gewiefter Schwarzwarenhändler, der auch den Cousinen etwas zukommen lässt. Überraschend steht Anas Vati vor der Tür. Er war im Krieg in Italien und wurde von den Amerikanern gefangen genommen – beinahe schon ein Privileg, wenn man es mit den Erzählungen derjenigen Soldaten vergleicht, die in russische Gefangenschaft kamen und teilweise erst Jahre später freikamen. Der Richter wird rasch wieder in Amt und Würden versetzte. Die Familie hat immerhin ihr Auskommen. Aber sie leiden an den seelischen Wunden.

Parallel dazu wird in Einschüben die Geschichte von Anas Tochter Lilith erzählt. Lilith wird von Robert aufgefordert, seinem Sohn, dessen Mutter verunglückte, die Mutter zu ersetzen. Robert ist Liliths Ex, die Mutter des Sohnes ihre ehemals beste Freundin. Aufgelöst erzählt Lilith ihrer Mutter Ana von Roberts Ansinnen. Die findet, Mutterglück sei das höchste Glück auf Erden, obwohl sie selbst ihrer eigenen Tochter nie gesagt hat, dass sie sie liebt. Die beiden Frauen fahren gemeinsam nach Breslau. Die Stadt in Polen, die Ana selbst als Teenager verließ. Endlich erzählt Ana ihrer Tochter von damals.

Beim Lesen merkt man, dass die Autorin ihre Figuren richtig lieb gewonnen hat. Sie beschreibt sie – selbst in den schlimmsten Ausnahmesituationen – mit Respekt und lässt sie nie ihre Würde verlieren. Der unterhaltsame und spannende Roman erzählt mit großem Einfühlungsvermögen sehr lebendig eine Familiengeschichte über drei Generationen hinweg, bis hin zur Enkelgeneration, der Nebelkinder. Schön zu lesen und sehr berührend!