Cover von: Sekunden der Gnade
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Sekunden der Gnade

Roman
Buch
Gebundene Ausgabe, 336 Seiten
Übersetzer: 

Verlag: 

ISBN-10: 

3257072589

ISBN-13: 

9783257072587

Auflage: 

1 (23.08.2023)

Preis: 

25,00 EUR
Schauplätze: 
Amazon-Bestseller-Rang: 28.347
Amazon Bestellnummer (ASIN): 3257072589

Beschreibung von Bücher.de: 

Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass.

Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.

Kriminetz-Rezensionen

Rassismus vor 50 Jahren in den USA – immer noch ein tiefgehendes Thema

Dieser Roman beginnt mit einer sehr wichtigen historischen Notiz und setzt Boston im Sommer 1974 in den Mittelpunkt des rassistischen, kriminellen Geschehens mit einem irischen Arbeiterviertel, dessen Schüler der dortigen Highschool per Bus in eine Highschool mit farbigen Schülern gebracht werden sollen.

Bevor entschlossener Widerstand der Weißen nicht nur in Demonstrationen ausufert, verschwindet die 17-jährige Jules, Tochter der 42-jährigen irischen Krankenhaushelferin Mary Pat und zeitgleich vermutet die örtliche Polizei einen Zusammenhang mit dem Tod eines schwarzen, jungen Mannes.

Die Hauptfigur Mary Pat nimmt eigene Recherchen auf. Im Rückblick wird ihr ärmliches Familienleben in ihrem irischen Arbeiterviertel näher beleuchtet, mit kernigen Dialogen, ihr Arbeitsplatzumfeld detailliert charakterisiert, sodass die damalige Atmosphäre voller Hass, Wut, Gewalt, Drogen und Rassismus eindrucksvoll beschrieben wird. Fast nur unter Einsatz brutaler Gewalt gelangt sie, die in ihrer Trauer nichts mehr zu verlieren hat, zu weiteren Erkenntnissen, die sie der verständnisvollen, menschlichen Gegenfigur Detective Bobby Coyne zuspielt.

Der kraftvolle Spannungsbogen, bereichert durch erklärende Passagen voller Emotionen und Bostoner Örtlichkeiten, kulminiert in einer harschen Brutalität mit realitätsnahen Dialogen, die berühren. Eine Gegend mit mehr Problemen als nur Rassismus. Lesenswert!

Small Mercies

»Mary Pat zuckt die Achseln. Die Zeit zum Reden ist vorbei. Sie dreht sich um und geht durch die Menschenmenge hindurch, die sich vor jedem ihrer Schritte teilt.«

»Shutter Island« gehört zu meinen All-Time-Favourites, und auch Lehanes neuester Coup kann sich sehen lassen.

1974, Boston: Es ist die Zeit, da contra Segregation das busing eingeführt wurde, was zu Rassenunruhen, Protesten und Gewalt führte. Doch auch die US-Drogenkrise der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts spielt eine Rolle und es wird die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Vereinigten Staaten tangiert.

Worum geht’s?
Mary Pat Fennessys schlimmster Alptraum wird wahr, als ihre siebzehnjährige Tochter Jules eines Tages nicht mehr nach Hause kommt. Mary Pat kann das nicht akzeptieren – sind es etwa ihre eigenen Schuldgefühle, die sie antreiben? Die Protagonistin schwört blutige Rache. Bei ihrer Suche stößt sie auf ein Netz aus Lügen und Intrigen und sticht in ein Wespennest …

»Sekunden der Gnade« liest sich extrem gut, obwohl der Roman relativ dialoglastig ist. Die spannende Handlung wird in einen historischen Kontext eingebettet, der als Katalysator für den Plot dient. Die nuancierte Figurenzeichnung gefiel mir besonders gut, die Protagonisten sind nicht unbedingt sympathisch; überhaupt lebt die Geschichte von der Ambivalenz. Es ist mutig, dass der Autor auch das N-Wort gebraucht und damit eine bestimmte Atmosphäre evoziert, die den Hass und die Hysterie der damaligen Zeit illustriert. Als Leser darf man sich an Beleidigungen und Schmähungen nicht stören, da diese nicht die Ansicht des Autors spiegeln, sondern ein gewisses Mindset, welches die Story authentisch wirken lässt.

»Sekunden der Gnade« ist zugleich Gesellschaftskritik und Psychogramm, ein Drama mit Ansage und ein historischer Krimi, der es in sich hat. Zwei Welten prallen aufeinander, als die irische Community Bostons und die afroamerikanischen Bürger gegeneinander ausgespielt werden.

Bei Lehane gibt es keine Schwarzweißmalerei, der Verlauf der Story ist nicht unbedingt vorhersehbar, da er mit ‚doppelten Böden‘ und mehreren Ebenen arbeitet. Die Auflösung überrascht.

Liebe, Hass und Rassismus

Southie ist ein Viertel von Boston, in dem Hoffnungslosigkeit und Kriminalität herrschen, aber auch Zusammenhalt und Unterstützung. Allerdings muss man sich an die Regeln des Viertels halten. Als ein Bezirksrichter feststellt, dass schwarze Schüler systematisch benachteiligt werden, soll das Dilemma aus der Welt geschafft werden, indem weiße Schüler per Bus in ein schwarzes Viertel gebracht werden und umgekehrt. Aber Mary Pat hat andere Sorgen. Ihre siebzehnjährige Tochter Jules ist nicht nach Hause gekommen und Mary Pat macht sich auf die Suche. Doch ihre Fragen stoßen entweder auf Schweigen und Beschwichtigungen oder aber es gibt Widersprüche in den Aussagen. Doch Mary Pat lässt sich nicht einlullen. Sie macht sich auf, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – ganz gleich, was es sie selbst kostet.
Es ist eine spannende, aber auch sehr bedrückende Geschichte. Das Leben im Viertel ist hart. Auch wenn man arbeitet, ist es oft nicht möglich, seine Rechnungen zu bezahlen. So geht es auch Mary Pat. Sie ist ausgelaugt und hat nicht genügend Zeit für ihre Tochter. Aber sie liebt sie.
Es gibt aber auch massiven Rassismus. Wenn etwas schiefläuft im Viertel, können nur die Schwarzen daran schuld sein. Auch die Drogen haben sie nach Southie gebracht und daher sind sie schuld, dass Mary Pats Sohn Noel an einer Überdosis Heroin starb, weil er das in Vietnam Erlebte nicht verkraftet hat.
Auch wenn ich Mary Pats Vorgehen nicht gut finden kann, so kann ich sie dennoch verstehen. Sie hat alles verloren, was ihr wichtig war, daher ist es ihr auch egal, was aus ihr selbst wird. In ihr sind Hass und Gewalt und so manch einer bekommt zu spüren, wie stark sie sein kann.
Doch am meisten hat mir der Detective Bobby gefallen. Er weiß um die Schwächen des Systems und doch setzt er alles daran, Schuldige zu überführen. Er führt einen aussichtslosen Kampf, denn überall gibt es Menschen, welche die Hand aufhalten.
Das Finale ist drastisch, aber leider auch glaubhaft.
Ein erschreckend aktuelles Thema und eine spannende Geschichte, die absolut lesenswert ist.

Wut und Härte

In den 70ern herrscht in Amerika noch immer der Rassismus. Dem will die Regierung mit einem Beschluss beikommen, nach dem zwangsweise weiße Schüler in einer schwarzen Schule unterrichtet werden und umgekehrt. Die herbeigeführte Mischung soll das Miteinander fördern, sorgt aber auf beiden Seiten für große Unruhe. De Menschen fühlen sich bevormundet und wollen mit den aus ihrer Sicht "Anderen" nichts zu tun haben. Im Rahmen dieser Unruhen kehrt eines Tages die 17-jährige Jules nicht nach Hause zurück. Ihre irisch-stämmige Mutter macht sich auf die Suche, ohne aber auch nur irgendwie auf eine Spur ihrer Tochter zu stoßen. Ihres einzigen Lebensgrund beraubt, sucht sie weiter nach der Wahrheit und will Rache üben...

Der äußerst erfolgreiche irische Autor Dennis Lehane hat mit "Sekunden der Gnade" einen aus meiner Sicht zwar harten, aber auch sehr berührenden Roman veröffentlicht. Spätestens seit der Verfilmung seine Weltklassiker "Shutter Island" ist Lehane vielen ein Begriff und er erzählt die Geschichte in einem sehr straighten und kompromisslosen Schreibstil, mit dem er aus meiner Sicht hervorragend die besondere Stimmung der damaligen Zeit einfängt. Seine Hauptprotagonistin Mary Pat ist mehr als interessant gezeichnet. Sie hat mit ihrem Schicksal kein leichtes Los gezogen, aber sie hat sich in ihrem Viertel eingerichtet und kommt zurecht. Als ihre Tochter dann spurlos verschwindet zeigt die irische Mutter, dass sie sich durchzusetzen weiß und der Wahrheit immer näher kommt. Das Ganze spielt im historischen Kontext mit dem Kampf in Amerika gegen den Rassismus, ohne aber schon Ansätze auf Erfolg vorzuweisen. Dennoch findet eine Wandlung in Mary Pat statt, die dem Buch aus meiner Sicht auch seinen besonderen Status verleiht. Der Spannungsbogen wird mit der Suche nach Jules sehr hoch gehalten und konnte mich bis zum beeindruckendem Finale in den Bann ziehen.

Insgesamt ist "Sekunden der Gnade" für mich ein tiefgehender und bemerkenswerter Roman über die Entwicklung des Miteinanders unterschiedlicher Ethnien im Amerika der 70er Jahre. Mich hat die Milieustudie mehr als beeindruckt so dass ich das Buch als sehr lesenswert weiterempfehle und folgerichtig mit den vollen fünf von fünf Sternen bewerte

Rassismus, Gewalt und Korruption

1974 - Ein heißer Sommer in Boston und die Stimmung wird noch mehr aufgeheizt mit dem Beschluss, dass die Rassentrennung an öffentlichen Schulen aufgehoben wird und die Schulkinder mit Bussen hin und her gekarrt werden sollen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Mary Pat Fennessy, eine 42jährige Krankenschwester, die in ihrem Leben schon sehr viel Leid erfahren hat. Ihr erster Ehemann ist gestorben, vom zweiten lebt sie getrennt und ihren Sohn Noel hat sie durch eine Überdosis Heroin verloren. Als eines Nachts ihre 17jährige Tochter Jules nicht mehr nach Hause kommt, läuten bei Mary Pat alle Alarmglocken. Doch bei ihrer Suche und ihren Fragen trifft sie immer wieder auf eine Mauer aus Schweigen und auch die Polizei kann ihr nicht wirklich helfen. Wut und Hass lassen nicht nur ihre persönliche Situation eskalieren.
Die Story ist definitiv nichts für schwache Nerven, hier wird mit Gewalt und Blut nicht gespart. Der Plot überzeugt allerdings mit gut aufgebauten Szenen und lebendigen Figuren.
Dennis Lehane hat in seinem Buch die sozialen Spannungen in Boston der 70er Jahre perfekt mit den Handlungen von Mary Pat's Rachefeldzug verwoben. Der brodelnde Hass zwischen Schwarz und Weiß ist geradezu mit Händen greifbar und die gesellschaftskritische Message der Geschichte regt zum Nachdenken an.
Der Schreibstil des Autors hat mich so gefesselt, ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und gebe für diese erstklassige Unterhaltung eine klare Leseempfehlung.

Leider dem Stoff nicht gewachsen

Ich bin ein großer Fan von Dennis Lehane und habe hier bereits zahlreiche seiner Bücher sehr positiv besprochen. Leider konnte "Sekunden der Gnade" meine Erwartungen nicht erfüllen.
Zum Inhalt: Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.
Dennis Lehane nimmt sich in "Sekunden der Gnade" die historisch schwierige Zeit der endgültigen Beseitigung der Rassentrennung in den USA vor. Als genuin Bostoner Autor spielt sein Buch in Boston und dem Leser wird bald deutlich, wie sehr die Dichotomie von Arm und Reich, Schwarz und Weiß entlang von Stadtgrenzen erfolgt, dass aber auch die Iren z.B. als quasi weiße, unterdrückte Minderheit zu "struggeln" haben. Leider fehlt "Sekunden der Gnade" das, was die meisten anderen Bücher von Lehane ausmacht. Leichtigkeit, Lebendigkeit, glaubwürdige Charaktere, geschliffene Dialoge und ein spannungsgeladener Plot. Das Buch ist sperrig, kommt kaum in Gang und sowohl Handlungen als auch Charaktere sind durchweg schwierig. Mir kommt es so vor, als ob Lehane bei diesem historischen Stoff das Show völlig zugunsten des Tells vernachlässigt hat. So entsteht der Eindruck eines eher drögen, belanglosen und konstruierten Romans. Schade, denn Lehane kann es eindeutig viel besser, wie er häufig unter Beweis gestellt hat.