Thoms Bericht
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Thom ist gerade vierzehn, als er eine weitreichende Entscheidung trifft. Ein für alle Mal will er sich lossagen von seiner Familie. Von dem tyrannischen Vater, einem autoritären Kirchenmann, der Gott liebt, aber seine eigenen Kinder straft. In seinem schonungslosen Bericht deckt Thom die Lügen und die Scheinmoral der Erwachsenen auf. Ein wertvolles und zeitloses Buch, in dem Tilman Röhrig die seelischen Nöte eines Jugendlichen kunstvoll in authentische Worte kleidet.
Schmerzlicher Bericht
Thom hat einen Bericht über seine Kindheit geschrieben. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Thom nicht mit roten Haaren und Sommersprossen geboren wäre? Wenn es nicht die Sommersprossen gewesen wären, hätte sich vielleicht was anderes gefunden? Oder es hätte jemand anderen getroffen. Jede soziale Gemeinschaft hält verschiedene Rollen für ihre Mitglieder parat, und für Thom war es die des Außenseiters. Eine Gemeinschaft sucht immer irgendjemand, um diese Rolle nicht unbesetzt zu lassen. Die Achtsamkeit jedes Einzelnen ist gefordert, damit es nicht dazu kommt.
Der erfolgreiche Schriftsteller Tilman Röhrig erzählt in einer ganz eigenen Sprache in einer sehr berührenden Art von einer Kindheit, die kaum schrecklicher sein könnte. Man hat beim Lesen Mühe, sich einen Pfarrer als diesen grausamen Menschen vorzustellen, dem das Leben fünf Kinder anvertraut hat, sie in seine Obhut gab, damit er sie beim Aufwachsen begleitet, behütet und umsorgt in einem liebevollen Zuhause. Doch als Vater versagt er, die Sprache im Hause war die der Rute. Zur körperlichen Gewalt kam noch seelische Grausamkeit hinzu. Thom wurde nie geglaubt. Was er sagte, hatte kein Gewicht. So wurde er für Dinge bestraft, die er gar nicht begangen hatte, sondern die ihm lediglich irgendwer nachgesagt hatte. Eines jeden anderen Wort zählte für den Vater mehr als das des eigenen Sohnes. Unter diesen Bedingen auch nur annähernd so etwas wie Selbstwertgefühl aufzubauen fällt schwer.
Die Streiche, die Thom sich erlaubte, würden einem Lausbubenroman gereichen, wären sie denn von den Erwachsenen in seinem Umfeld nicht derart überzogen geahndet worden.
Noch schlimmer wird die Situation, als die Mutter Mann und Kinder verlässt, vor einigen Jahrzehnten ein schweres gesellschaftliches Vergehen im Nachkriegsdeutschland, das den Vater nicht milder stimmte. Die Stiefmutter erreicht die Qualität der sprichwörtlich bösen Figur im Märchen, nur leider war sie echt. Nicht echt war sie jedoch in ihrem Verhalten, sie gibt sich den Kindern gegenüber, zumindest zunächst, anders, als sie tatsächlich ist. Sie verstellt sich und spielt ihnen etwas vor. Das macht es aus kindlicher Sicht so schwer, ihr Verhalten einzuschätzen. Sie wird der treibende Motor, des Vaters Schläge noch mehr anzustacheln. Völlig grausam verhält sie sich, als sie Thom in dem Glauben lässt, er bekäme zum zehnten Geburtstag endlich die langersehnten langärmeligen Hemden, damit er seine mit Sommersprossen übersäten Arme bedecken und verstecken kann. Nach dem Auspacken kommt die Enttäuschung. Sie sind kurzärmelig wie seine anderen auch schon. Und die Frau, die ihm Mutter sein soll, erklärt ihm kalt, wenn er seine Sommersprossen zeige und sich den Hänseleien darüber aussetze, werde er dadurch härter. Nur so könne er zum Mann werden. Thoms Enttäuschung ist bodenlos, er hatte seine ganze Hoffnung auf diese Hemden gesetzt.
Thom ist einsam und mit all seinen kindlichen Nöten allein gelassen. Sie bauschen sich auf zu unüberwindbaren Riesenungeheuern.
An einer solchen Kindheit zerbricht man oder man geht mit einem unglaublichen (Über-)Lebenswillen daraus hervor. Thom hat es geschafft. Er hat überlebt. Ein zutiefst berührendes, einfühlsames Buch über das Erwachsenwerden unter extremen Bedingungen. Und ein preisgekröntes dazu.
Für die ARD drehte Erika Fehse die Dokumentation "Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie''. Der Schriftsteller ist einer der Protagonisten des Films.