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Bücher.de Preis: 13,00 €

Wo Rauch ist

Buch
Taschenbuch, 250 Seiten

Verlag: 

ISBN-10: 

3867542333

ISBN-13: 

9783867542333

Auflage: 

1 (30.07.2018)

Preis: 

13,00 EUR
Schauplätze: 
Amazon-Bestseller-Rang: 1.669.155
Amazon Bestellnummer (ASIN): 3867542333

Beschreibung von Bücher.de: 

Can Toprak, investigativer Journalist, Frauenheld und Energiebündel, schien unbesiegbar - auf einmal ist er tot.

Olga Schattenberg trauert. Zwar waren Can und sie längst nicht mehr das streitlustige Paar, das gemeinsam dem Establishment trotzte. Denn Olga hat MS, sitzt im Rollstuhl, ringt mit ihrem zunehmend unkooperativen Körper. Doch ein Leben als Aktivistin hat sie Argwohn gelehrt: Can ist häufig angeeckt, sein Tod muss jemandem genützt haben. Sie rafft sich auf, gewinnt Verbündete und geht der Sache nach.

Unterdessen wird in Wien die Stimmung aggressiver, der politische Rechtsdrall bleibt nicht ohne Folgen. Dann tauchen plötzlich Staatsdiener auf, die wissen möchten, was aus Can Topraks letzten Recherchen geworden ist ...

Ein harmoniesüchtiger Grabredner. Eine psychisch instabile Straftäterin. Eine gelähmte Revoluzzerin. Aus den Perspektiven dieses ungewöhnlichen Trio infernal knüpft Gudrun Lerchbaum ihren hochdynamischen Kriminalroman. Provokant, geschmeidig und humorvoll entspinnt sich ein Plot um Freundschaft und Widerstand, Illusion und Vorurteil, ein spannendes Vexierspiel um den Mut zum Denken, Hinsehen und Hinterfragen.

Kriminetz-Rezensionen

Was für ein Leseerlebnis

Der Journalist Can ist tot, angeblich an einem anaphylaktischen Schock gestorben. Seine Ex-Frau, die Buchhändlerin Olga Schattenberg, bezweifelt dies, schon weil Can keine Allergien hatte und gerade an einer sehr gefährlichen Story arbeitete, den Verbindungen des türkischen Geheimdienstes zu Nazigruppen in Österreich und Deutschland. Olga will mehr wissen, ist jedoch durch ihre MS-Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt. Auf der Beerdigung trifft sie den Trauerredner Adrian und lernt durch ihn seine frühere Freundin Kiki kennen, die eine recht gewalttätige Vergangenheit und eine Psychose hat. Über Cans Familie versucht Olga an den Laptop des Verstorbenen zu kommen, doch die mauert. Die Eltern wollen Ruhe, die Schwester ist mittlerweile bei den Kartalar gelandet, einer islamistischen Gruppe, die unter anderem die türkischen Mitbürger im Ausland auf islamkonformes Verhalten hin überwacht. Als auch noch die Polizei sich für den Tod von Can interessiert und herauskommt, dass er auf eine sehr merkwürdige Weise zu Tode kam, wird es brenzlig. Olga, Adrian und Kiki geraten ins Kreuzfeuer der verschiedenen Fraktionen. Doch nicht nur für sie wird es eng.

Um es gleich vorweg zu sagen: Gudrun Lerchbaum hat da einen Politthriller geschrieben, wie ich ihn mir wünsche. Nah am Zeitgeschehen, spannend, interessant und originell. Sie wählt nicht das klassische Ermittler*innen Team mit einer Hauptfigur, sondern lässt die Geschichte aus den Perspektiven von Olga, Adrian und Kiki erzählen, was den Lesern einen Panoramablick erlaubt. Sie schildert ihre Charaktere sensibel und mit Tiefenschärfe, zeigt sie gleichermaßen in ihrer Verletzlichkeit und Stärke, ohne sich in deren Geschichten zu verlieren und die Handlung zu vernachlässigen. In Lügenland zeigt Gudrun Lerchbaum die Mechanismen des Faschismus auf, die in der Dystopie bereits etabliert sind, in „Wo Rauch ist“ zeigt die Autorin, wie schnell dieser Umbruch gehen kann, wenn diejenigen an den entsprechenden Schalthebeln es verstehen, gewisse Vorkommnisse zu instrumentalisieren.

Fremdes und vertrautes Wien

Olga Schattenberg bekommt Besuch von der Polizei, denn sie wird verdächtigt, beim Tod ihres Exmannes eine Hand im Spiel gehabt zu haben. Die ungebetenen Gäste begreifen zwar sofort, dass die MS-kranke, an den Rollstuhl gefesselte Frau keinen Mann mit einem Schlips erwürgen und das Ganze dann als leider schiefgegangenes auto-erotisches Spielchen darstellen kann – aber Olgas Verdacht ist nun bestätigt. Can, der Ex, war Journalist und forschte über Zusammenarbeit zwischen türkischen faschistischen Verbänden und österreichischen solchen. Dass ihm das zum Verhängnis geworden ist, befürchtet Olga schon seit dem Tag, an dem die Todesnachricht bei ihr eingetroffen ist. Und der immer aus Prinzip leger gekleidete Can ließ zwar erotisch gesehen so gut wie nichts aus, aber sich mit einem Schlips einlassen? Niemals.

Olga ermittelt nun selbst, so gut sie es kann, vom Rollstuhl aus und gequält von einem neuen MS-Schub. Hilfe findet sie bei dem Feingeist Adrian, der nicht glauben kann, dass im zivilisierten Wien einfach so gemordet wird, während die Polizei Spuren, die ihr nicht genehm sind, konsequent nicht verfolgt, und bei ihrer Betreuerin Kiki, die eine interessante Knastvergangenheit hat und zudem zu spontanen Taten neigt. Das sind Taten von der Art, bei der die Leserin aufjaulen und ausrufen möchte, »wie kann man nur so blöd sein«, aber dann zeigt es sich, dass die Rettung gerade durch Kikis wirre Ideen kommt. Und mehr darf hier nicht erzählt werden, um nicht zu viel zu verraten.

Gudrun Lerchbaum zeigt ein Wien, in dem es offenbar üblich ist, einen Laptop einfach auf dem Cafétisch stehen zu lassen, um aufs Klo zu gehen, im Normalfall ist er noch da, wenn man zurückkommt. Das klingt exotisch und wunderbar …

In Wien sagt man auch zu dem, was anderswo »Gehacktes« heißt, »Faschiertes«. Und dieses Wort klingt so viel bedrohlicher und brutaler, wenn es in einem Wien benutzt wird, wo Politik und Polizei schon reichlich faschistisch agieren und sich trotzdem etwas einbilden auf die offenbar sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit.

Ein ungeheuer spannender und gut aufgebauter politischer Krimi, der eine auch anderswo in Europa eine derzeit zum Greifen nahe Zukunft zeigt, eine faschierte eben – und trotz allen Grauens wegen des Lokalkolorits und der Personengalerie ein wunderbares Lesevergnügen.