7 Fragen an Gianrico Carofiglio

Das Foto zeigt den Schriftsteller Gianrico Carofiglio. Foto: © Franceso Carofiglio

Gianrico Carofiglio wurde 1961 in Bari geboren und war in seiner Heimatstadt viele Jahre als Antimafia-Staatsanwalt tätig. 2007 war er Berater des italienischen Parlaments für den Bereich organisierte Kriminalität. Von 2008 bis 2013 war Gianrico Carofiglio Mitglied des italienischen Senats. Berühmt gemacht haben ihn als Schriftsteller vor allem seine Romane um den Anwalt Guido Guerrieri. Carofiglios Bücher feierten sensationelle Erfolge, wurden bisher in 27 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen literarischen Preisen geehrt, u.a. mit dem Radio Bremen Krimipreis 2008. In seinen Kriminalromanen ermittelt der sympathische, stets von Selbstzweifeln gebeutelte Held Avvocato Guido Guerrieri. Seine Bücher erscheinen in deutscher Übersetzung bei Goldmann. Gianrico Carofiglio lebt mit seiner Familie in Bari.

Für Kriminetz hat Gianrico Carofiglio sieben Fragen beantwortet.

Kriminetz: Der deutsche Titel ihres aktuellen Romans lautet „Eine Frage der Würde“. Das Wort Würde klingt beinahe altmodisch, anbetrachts der vielen Beleidigungen, die einige Leute im Internet ablassen. Wie lassen sich solche Tugenden wieder mit Leben zu füllen?

Gianrico Carofiglio: Das Schlüsselwort ist Achtsamkeit. Es gibt keine Tugend ohne Achtsamkeit und die ist nicht leicht zu finden. Nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.

Kriminetz: Sie schreiben in ihrem Roman: „Kaum jemand ist so erschüttert, wenn gegen ihn ermittelt wird, wie ein Richter.“ Ist dies in der Realität ebenso? Halten sich Richter für unfehlbar oder unantastbar wie ein Diplomat?

Gianrico Carofiglio: Nicht unbedingt und nicht ausschließlich. Richter wissen sehr genau, dass das Recht so seine Mängel hat. Das ist der Hauptgrund warum sie sich fürchten (mehr als gewöhnliche Leute), wenn sie in eine Ermittlung verwickelt werden. Dasselbe gilt für Ärzte und Chirurgen: Die trauen einfach ihren Kollegen nicht über den Weg.

Kriminetz: Was denken Sie: Hat jeder Mensch irgendwo seinen individuellen Preis? Ist ab einer gewissen Summe, wenn sie nur hoch genug ist, jeder käuflich?

Gianrico Carofiglio: Nein. Aber ich denke, dass der Mangel von Achtsamkeit (heutzutage eine verbreitete Krankheit) häufig die Ursache für Korruption ist.

Kriminetz: „It’s never too late to be who you might have been.“ Wie findet man heraus, wer man sein könnte?

Gianrico Carofiglio: Das kann man herausfinden, wenn man aufhört zu jammern und seiner Verantwortung gegenüber sich selbst und dem Rest der Welt stellt.

Kriminetz: Sie sind bekannt als couragierter Mafia-Jäger. Eine Weile lebten Sie mit Begleitschutz. Inwieweit verändert einen das?

Gianrico Carofiglio: Ich hatte fünf Jahre lang einen Leibwächter und ein gepanzertes Auto. Ehrlich gesagt hat mich das gar nicht verändert.

Kriminetz: Ist eine Gesellschaft gänzlich ohne Korruption und Bestechung denkbar? Oder geht es darum, Straftaten zu begrenzen?

Gianrico Carofiglio: Natürlich ist das möglich, aber das heißt nicht, dass wir alle Verbrechen verhindern können. Eine gewisse Menge von Straftaten ist unvermeidlich und eine ernsthafte Aufgabe ist es, diese möglichst gering zu halten.

Kriminetz: Was hält Sie, bei diesem großartigen Erfolg als Schriftsteller, auf dem Boden?

Gianrico Carofiglio: Mein Hass des Wortes »Erfolg« (lächelt).

Kriminetz: Vielen Dank, Gianrico Carofiglio, für die Beantwortung der Fragen.

Gianrico Carofiglio bei Randomhouse