Eine Frau poltert in eine Kirche und stört laut den Gottesdienst. „Gib mir meinen Mann zurück!“, fordert sie vor den staunenden Gläubigen von Pfarrer Johann Flemming. Wenig später läuft in diesem TATORT aus Kiel ein achtjähriger Junge vor das Auto von Borowski (Axel Milberg) und seiner Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik). Ein Hund habe seinen Großvater im Wald angegriffen, erzählt der Junge.
Ein Segelschiff liegt vor der Ostsee-Küste, es kommt von der anderen Seite, aus Dänemark. Immer wieder zeigt die Kamera dieses Boot, von dem eine Macht auszugehen scheint. Es gehört der Lebensgefährtin des Alten, Inga aus Dänemark. Entgegen ihren Willen wurde ihr langjähriger, nun an Alzheimer erkrankter Lebensgefährte der Obhut seines Sohnes übergeben, warum auch immer. Heinrich Flemmings (Reiner Schöne) Dankbarkeit hält sich in engen Grenzen. Er pöbelt seinen Sohn und dessen Frau unverhohlen an, verhält sich den beiden gegenüber extrem respektfrei.
Das Pfarrhaus mit seiner altmodischen Einrichtung ist auf merkwürdige Art aus seiner Zeit gefallen. Lang sind die Wege, die darin zurückgelegt werden. Genauso weit entfernt wie die Zimmer des seltsamen Hauses ist die Distanz zwischen seinen Bewohnern. Aus der Zeit gefallen ist auch der Pfarrer selbst. Noch nicht einmal zu einfachsten Handreichungen wie seinen eigenen Teller abzuräumen ist er in der Lage und überlässt dies wie selbstverständlich seiner Frau.
Wer war dieser Alte, der sich seiner Vater-Rolle so vehement verweigerte? Sein eigener Vater, so erfahren wir im weiteren Verlauf, war auf der „Rattenlinie Nord“ ausgebüxt, hatte seine SS-Identität einfach mit einer neuen vertauscht. Der Sohn wollte alles anders machen und eines auf keinen Fall werden: Vater. Er machte sich, während seine Ehefrau mit Johann schwanger war, auf nach Dänemark, um dort gemeinsam mit Inga eine sog. Reformschule zu gründen. In welcher Beziehung stand der sonderbare sich herumschleichende Indianer zu ihm?
Die Ermittlungen führen grenzüberschreitend ins Nachbarland Dänemark. Die dänische Darstellerin der Inga, Janni Faurschou war mit Iben Dorner, ihrer Filmtochter, zur Vorführung des Films aus Kopenhagen angereist. Janni Faurschou gab beim Filmgespräch einen Einblick in die dänischen Tvind-Schulen, die dortigen Reformschulen, die bald im öffentlichen Fokus standen, nachdem sie anfangs „mit gutem Herzen“ begonnen hatten. Die Schauspielerin hat selbst einen Freund, der in dieser Schule war und viele Jahre in Angst lebte. Beim Zusehen wurden bei dem einen oder anderen sicherlich auch Erinnerungen an die Berichterstattung über die „Odenwaldschule“ wach, eine deutsche Privat-Schule.
Regisseur Niki Stein, der auch selbst das Drehbuch schrieb, führte aus, dass der Film-Vater die Nivellierung seiner Abkunft auf den Sohn überträgt. Niki Stein wurde neben den beiden sehr sympathischen dänischen Schauspielerinnen von den beiden ProduzentInnen Kerstin Racke und Johannes Pollmann, der Film-Pfarrersgattin Tatiana Nekrasov und ihrem Film-Gatten begleitet. Letzterer wurde von Martin Lindow gespielt, der, so Niki Stein, in letzter Zeit nicht so viel wie früher auf dem Bildschirm präsent war (neben anderen Krimis in den Spreewaldkrimis und im TATORT), weil er sehr viel Theater spielte. Tatiana Nekrasov, laut Niki Stein ein „neues Gesicht im Fernsehen“ erzählte, dass es ihr desto mehr Vergnügen mache, eine Rolle zu spielen, je weiter sie von ihr entfernt ist.
Regie und Buch: Niki Stein, Kamera: Arthur W. Ahrweiler, Schnitt: Jochen Retter, Musik: Jacki Engelken, Ton: Jerome Burkhard, ProduzentInnen: Kerstin Ramcke, Johannes Pollmann.
Der Film ist beim Festival des deutschen Films nochmals am 2. und 3. September zu sehen. Zum gesamten Programm hier klicken.