Brangelina auf pfälzisch

Ein großer Teil der Filmcrew kam zur Premiere des TATORTs "Leonessa" auf die Ludwigshafener Parkinsel. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Die beiden sind unzertrennlich. Deshalb werden Leon (Michelangelo Fortuzzi) und Vanessa (Lena Urzendowsky) Leonessa genannt. Die Wirtin der Kneipe klärt die Ermittlerin bezüglich des Namens auf, „wie bei Brad Pitt und Angelina Jolie.“ Die Film-Kneipe gibt es wirklich, in ihr wurde der 70. Ludwigshafen-TATORT zum Teil gedreht. Der Wirt und einige Stammgäste haben sogar als KomparsInnen mitgespielt. Diese Episode wurde beinahe vollständig in der Pfalz gedreht. Ganz ungewöhnlich für Dreharbeiten eines SWR-TATORTs. Dreharbeiten für den Stuttgarter, Ludwigshafener und anstelle des Bodensee-TATORTs jetzt für den aus dem Schwarzwald kommenden TATORT finden hauptsächlich in Baden-Baden und auch hin und wieder in Karlsruhe statt. Das liegt daran, dass der SWR seinen Sitz in Baden-Baden hat und es kostengünstiger ist, dort zu drehen. In einem großen Haus sind auf unterschiedlichen Stockwerken die jeweiligen Kommissariate untergebracht.

Nun also vier Wochen lang Ludwigshafen hautnah. Regisseurin Connie Walther mietete sich einen ganzen Monat in Oggersheim ein, um das Feeling vor Ort ganz authentisch mitzubekommen. Im Film führen Hans und Hanne Schilling die Westernkneipe in Oggersheim. Sie ist nicht nur ein beliebter Treffpunkt, der Wirt passt auch auf seine Umgebung auf und mischt sich ein, wenn er denkt, dass etwas schief läuft. Eines Morgens liegt er tot hinterm Tresen. Samir (Mohammed Issa) findet die Leiche. Sein Bruder (Walid al-Atiyat) saß schon Mal im Gefängnis. Einmal Knast, immer Knast? Aber da sind auch noch Leon und Vanessa, die über auffällig viel Geld verfügen. Sie tragen teure Kleider, teure Smartphones und Frisuren, die nicht mal so nebenbei beim Schnellfriseur entstehen.

Alle drei Jugendlichen kommen aus dysfunktionalen Familien, jede auf ihre Art vaterlos. Entweder ist er erst gar nicht anwesend, oder so wie im Falle von Vanessa lediglich physisch. Die Tochter ist ihm längst entglitten, so wie die Ehefrau. Falls er sich je für die beiden interessiert haben sollte. Die Eltern scheinen irgendwie so hinein gerutscht zu sein in dieses freudlose Leben und haben längst resigniert. Leons Mutter, eine promovierte Literaturwissenschaftlerin, ist eine handfeste Trinkerin. Leon versucht nach außen das Bild einer bürgerlichen Familie zu inszenieren. Auf jeden Fall hat er, wie seine beiden Kumpels, Träume. Um die zu realisieren, braucht er Geld.

Lena Odenthal und Johanna Stern vermuten, dass Leonessa auf einem Parkhausdeck sexuelle Dienste anbieten und ermitteln in einem schwierigen sozialen Umfeld, in welchem Leute wie etwa ein Anwalt aus Frankfurt gewisse „Dienste“ Minderjähriger in Anspruch nehmen.

Die Figuren des sozialen Brennpunkts werden vorgestellt, ohne über sie zu urteilen. Die Kamera von Cornelia Janssen entblößt niemanden kalt. Wie überhaupt niemand bloßgestellt wird. Der Film ist mehr Sozialdrama als Krimi und zeigt die Hoffnungslosigkeit, die manche von Anbeginn ihres Lebens an begleitet und der so schwer zu entkommen ist. Das Ende des Films scheint in seiner Konsequenz logisch und schmerzt dabei so unglaublich.

Zur Premiere von „Leonessa“ beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen war ein großer Teil der am Film Beteiligten gekommen, außer Ulrike Folkerts die derzeit in Amerika dreht. Es ist bereits die 70. Folge mit ihr. Zur Überraschung der Gäste im Filmzelt wurde jedoch eine Videobotschaft ans Publikum von ihr übermittelt.

Auch Drehbuchautor Wolfgang Stauch nahm im Gesprächszelt auf der Bühne Platz. Wie er erläuterte, ist ihm der Begriff „einfache Leute“ angenehmer als der abwertende Ausdruck „Unterschicht“. Genau dieser Respekt vor Menschen, die in einem schwierigen Milieu leben, kommt in dem Film auch zum Ausdruck.
Schauspielerin Lisa Bitter erzählt von einer zweitägigen Leseprobe, welche die Regisseurin Connie Walther mit allen Beteiligten vor dem Dreh in Berlin abgehalten hat.

Mit Jungschauspieler Michelangelo Fortuzzi, der so überzeugend den Leon in all seinen Facetten spielt, war die Regisseurin die Rolle während einer längeren Zugfahrt durchgegangen. Lena Urzendowsky, die bereits im letzten Jahr die Gäste des Festivals in dem Film über den Modezaren Mooshammer verzauberte, konnte wegen Dreharbeiten leider nicht auf die Parkinsel kommen. Das jugendliche Trio, das durch seine Leistung derart überzeugt, wird komplettiert von Mohamed Issa.

Außerdem sind im Film zu sehen: Karoline Eichhorn, Gabi Herz, Camilla Nowogrodzki, Konstantin-Philippe Benedikt, Inaam Al Battat und Walid al-Atiyat und Annalena Schmidt und Peter Espeloer.

Der TATORT „Leonessa“ ist eine Produktion des SWR. Ausführender Produzent ist Nils Reinhardt. Schnitt: Susanne Heller, Szenenbild: Söhnke Noé, Kostümbild: Holger Büscher, Besetzung: Sabine Schwedhelm, Produktionsleitung: Jürgen Weissenrieder und Birgit Simon. Die Redaktion lag bei Ulrich Herrmann.

Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein ist der Film noch am 26. und am 28. August zu sehen.

Zum gesamten Programm hier klicken.

Lisa Bitter ermittelt mit Ulrike Folkerts im SWR-TATORT aus Ludwigshafen. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Peter Espeloer ist seit zwanzig Jahren Chef-Spurensicherer im TATORT Ludwigshafen. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Schauspielerin Camilla Nowogrodzki. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Schauspieler Michelangelo Fortuzzi. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Ohne Drehbuchautoren und -autorinnen gäbe es keine Filme! Auf dem Bild Drehbuchautor Wolfang Stauch. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Die Gäste konnten nach der Premiere von "Leonessa" ein spannendes Film-Gespräch verfolgen. Links beginnend: Peter Espeloer, Cornelia Janssen, Camilla Nowogrodzki, Wolfgang Stauch, Connie Walther, Lisa Bitter, Michelangelo Fertuzzi und Moderator Rüdiger Suchsland. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz