Eindrücke von den Dreharbeiten zu »Ein offener Käfig«

Einer der Drehtorte für den Film »Ein offener Käfig«, zu dem Holger Joos das Drehbuch schrieb. Foto: © Claudia Schmid, Kriminetz

Unbedingt wollte ich mal bei Dreharbeiten dabei sein. Hautnah mitzuerleben, wie ein Film entsteht, das stellte ich mir großartig vor. Im Film wird anders erzählt als im Theater oder in einem Buch, er hat eine ganz eigene Sprache. Ich wollte wissen, wie das funktioniert, wie dieses Mosaik zusammengetragen wird, das dann das Gesamtwerk ergibt. Da KrimiautorInnen naturgemäß detektivisch veranlagt sind, war es mir gelungen, einen Job als Komparsin zu erhalten. Ich sollte bei den Dreharbeiten zu Ein offener Käfig mitwirken dürfen. Der Film handelt von einem ungleichen Brüderpaar, gespielt von Oliver Mommsen und Martin Feifel. Es geht um die Wiedereingliederung eines Sexualstraftäters nach Verbüßen seiner Strafe.
Bei Robert Düring (Robert Mommsen) taucht dessen längst »vergessener« Halbbruder Georg (Martin Feifel) auf. Georg war wegen der Vergewaltigung dreier junger Frauen verurteilt worden und will nun, nach Verbüßen seiner Straße, bei Robert und dessen Familie wohnen. Roberts Lebensgefährtin Lisa (Anna Schudt) ist alles andere als begeistert davon, zumal sie sich Sorgen um ihre Tochter Hanna macht. Der gesamte Ort gerät in Aufruhr, sie wollen Georg nicht hier haben. Robert läuft Gefahr, dass sein gesamtes Leben auseinander bricht.

An zwei Drehtagen würde ich dabei sein!

1. Drehtag
Schon die Fahrt zum Drehort war ungewöhnlich, da die A5 wegen eines Unfalls für mehrere Stunden komplett gesperrt war. Zum Glück wurden wir Autofahrer über die Standspur ausgeleitet und ich konnte mich ab Heidelberg auf Landstraßen auf den Weg in Richtung Baden-Baden, wo der SWR ein Studio unterhält, begeben. Ist ja auch viel gemütlicher so, und ja, ich würde trotzdem rechtzeitig ankommen. Es wurde allerdings in einem kleinen Dorf außerhalb von Baden-Baden gedreht. Es sollte nämlich eine Sitzung im Nebensaal eines Gasthauses gedreht werden. Ich landete in einem überschaubaren Dorf, das auf halber Höhe eines leicht ansteigenden Hügels erbaut war. Ich sah die Wägen des SWR, die mir anzeigten, dass ich hier richtig war. Wo sollte ich mein Auto abstellen? Der Ort wirkte irgendwie so »privat«. Würde jemand eine Halterabfrage veranlassen, wenn da ein fremdes Auto mit fremden Kennzeichen stünde? Ich näherte mich fahrend der Lösung in Form eines kleinen Parkplatzes am Ende des Dorfes. In wenigen Gärten waren Menschen. Ich grüßte vorsichtshalber. Gedreht wurde an diesem Tag (der sich bis Mitternacht hinzog) eine Sitzung, in dem die Bürger ihre Ängste zeigen. Der Bruder des Straftäters kommt mit seiner Frau hinzu, es wird ihnen deutlich gesagt, dass der an diesem Ort nicht erwünscht ist. Die Szene wurde mehrfach aus verschiedenen Perspektiven gefilmt und ich bewunderte die Schauspieler, die mit Disziplin und Professionalität ihre Rolle immer wieder mit großer Präsenz spielten. Wir Komparsen saßen als Teilnehmer der Sitzung mit im Saal.

2. Drehtag
Dies Mal war Baden-Baden angesagt und ich durfte an diesem Tag sogar als »Kleindarstellerin« mitwirken, das sind die »Bonbon-Tage« im Komparsenleben. Gedreht wurde in einer alten Jugendstilvilla, die leer stand. Da ich zu früh angekommen war, durfte ich mich in den reizenden Garten hinterm Haus setzen, ganz alleine. Es war inspirierend, in dieser besonderen Atmosphäre auf den Beginn der Dreharbeiten zu warten.
Kurz bevor es losging, wurde ich in die Garderobe in einem nahe gelegenen Gebäude geführt und in Augenschein genommen. Keine Knallfarben, keine Muster, keine Aufschriften auf der Kleidung. Alles o.k., ich konnte so bleiben, wie ich war. »Du sagst doch heute einen Satz?«, wurde ich unvorbereitet gefragt. »Ja.« »Sag mir den mal.« Weg war er, der Satz. »Hast du ihn dir aufgeschrieben?« Heftiges Nicken. Immerhin das konnte ich noch.

An diesem Tag wurde die Szene gedreht, in der Oliver Mommsen in seiner Rolle zu seinem Haus kommt und dort von Demonstranten erwartet wird. Sie alle wollen seinen Bruder nicht haben. Es waren etliche Komparsen, die hier mitspielten. Wir sollten, sobald Oliver vorgefahren kam und ausstieg, anfangen zu schreien. Ich war zu der Zeit völlig vernarrt in ein Schimpfwort, das ich in meinem Alltag nicht einsetzen konnte. Dieses sauschöne Wort plärrte ich nun im Schutze all der anderen Stimmen. Als die Szene im Kasten war, wurde mir von der Regieassistentin gesagt, man habe mich unter allen heraus gehört.

Nachdem Oliver die Gruppe der Demonstranten durchschritten hatte und durch die Gartenpforte auf sein Haus ging, sollte ich ihm hinterher rennen und schreien. Da immer aus unterschiedlichen Perspektiven gedreht wird, sind viele Einstellungen für eine Szene nötig.
Aus meiner Erfahrung mit ungefähr 200 Autorenlesungen weiß ich, wie ich zu schreien habe, ohne heiser zu werden. Und so schrie ich unzählige Male hinter Oliver Mommsen her, ohne dass meine Stimmbänder mir den Dienst versagt hätten. Ich war dabei so in Rage, dass ich immer wieder knapp über die Linie auf dem Boden lief, die der Regisseur mir vorher gezeigt hatte. Und jedes Mal fiel mir auch prompt ein, kaum dass ich meinen Satz heraus geschleudert hatte, Mist, du bist schon wieder über diese Linie gerannt! Zum Glück war das aber nicht schlimm.

Das gesamte Film-Team war mit hoher Disziplin und Professionalität bei der Arbeit, behandelte alle Beteiligten auf Augenhöhe und band sie mit ein.

Film ist unbedingt Teamarbeit! Wenn alle reibungslos mitwirken und zusammen arbeiten kann etwas Gutes entstehen. Das habe ich an diesem Tag hautnah erlebt. Zudem gingen alle sehr freundlich und entspannt miteinander um. Es herrschte ein perfektes Arbeitsklima, in dem man so richtig gerne arbeitet.

Schade fand ich nur, dass dies wohl ein Drehtag ohne Martin Feifel war. Ich hatte gehofft, meinen »Lieblingspsychopathen«, der neben vielen anderen Rollen auch den jungen Hölderlin so genial gespielt hatte, hautnah in Aktion zu erleben. Und wie groß war dann meine Freude, als sich abends die Haustür der Villa öffnete und der Schauspieler heraus kam, sich ohne jegliche Berührungsscheu zu uns Komparsen gesellte und Hallo sagte. Wie gut, dass ich meinen »Einsatz« schon hinter mir hatte, so konnte ich mich in Freudenstarre fallen lassen.

Mit »Ein offener Käfig« ist ein Film entstanden, der das behandelte Thema in seiner Komplexität erfasst. Regisseur des SWR-Films ist Johannes Grieser, Kameramann Jürgen Carle. Drehbuchautor Holger Joos ist es gelungen, die Facetten des vielschichtigen Themas von verschiedenen Seiten psychologisch auszuleuchten. Ich freue mich sehr auf die Premiere dieses Films, der im Wettbewerb beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen 2014 läuft. Natürlich drücke ich die Daumen!

Voraussichtlicher Sendetermin im Fernsehen: FilmMittwoch, im September 2014, 20.15 Uhr, im Ersten

Zum Interview mit Drehbuchautor Holger Joos

Zur Website des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen