Geborgtes Weiß

Im Filmgespräch zu »Geborgtes Weiß«, links beginnend: Arte-Redakteurin Birgit Kämper, Produzentin Roswita Ester, Drehbuch-Autorin Karin Kaçi, Kinderdarsteller Elia Gezer, Regisseur Sebastian Ko, Schauspieler Ulrich Matthes und Moderatorin Julia Teichmann. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Wie weit würdest du gehen, um ein Kind zu haben? Marta wird mit dieser Frage konfrontiert. Sie hat Schuld auf sich geladen, um sich ihren übermächtigen Kinderwunsch zu erfüllen. In einer eigenartig leeren, steppenartigen Landschaft steht das Haus, welches ihr wesentlich älterer Mann geerbt hat und in dem sie gemeinsam mit dem fünfjährigen Nathan leben. Das Haus zeugt von einem ein wenig abgewohnten Wohlstand. Rudolf ist der letzte Spross einer reichen Unternehmerfamilie. In der Eingangsszene in Geborgtes Weiß besorgt Marta, die nach einem Auslandsaufenthalt wieder als Ärztin in Deutschland arbeitet, ein Bauteil im Baumarkt, denn das Bad, der Ort der äußeren Reinigung, ist dringend sanierungsbedürftig. Dabei verliert sie Nathan und sucht ihn einige Filmminuten lang. Schließlich findet sie das Kind, aber findet sie auch sich selbst?

Als ihr Mann sie abends bittet, Salbe auf seine schmerzende Nackenmuskulatur aufzutragen, sagt er »Ich vermisse dich« und sie antwortet »Ich bin doch da«. An ihrem Innenleben lässt sie ihn nicht teilhaben, auch nicht, als Wanderarbeiter Valmir wie eine Naturkatastrophe in ihr Leben platzt und einfach nicht mehr fortgeht. »Gut oder schlecht, es kommt alles zurück«, sagt Valmir zu Marta. Er weiß um ihr Geheimnis, über das sie in ohnmächtiger Sprachlosigkeit nicht mit ihrem Mann spricht. Erst am Ende, als nichts mehr gerettet werden kann, offenbart sie sich ihm.

Das augenscheinliche Familienglück von Marta beruht auf einer schweren Schuld, die sie während ihrer Zeit auf dem Balkan auf sich geladen hat. Die drei erwachsenen Haupt-Protagonisten schrauben sich wie in einem antiken Drama unausweichlich ihrer persönlichen Tragödie entgegen und keiner schafft es, dem schicksalhaften Gang Einhalt zu gebieten. Wie weit würdest du gehen, um deine Familie zu halten? Wärst du bereit, dafür Schuld auf dich zu laden?

Der Film läuft beim Festival des deutschen Films und ist für den Rheingold-Publikumspreis 2021 nominiert. Nach der Vorführung am Sonntag, dem 5. September, fanden sich zum Filmgespräch auf der Bühne ein: ARTE-Redakteurin Birgit Kämper, Produzentin Roswitha Ester, Drehbuch-Autorin Karin Kaçi, Kinderdarsteller Elia Gezer, Regisseur Sebastian Ko, Schauspieler Ulrich Matthes und Moderatorin Julia Teichmann.

Dabei erfuhr das Publikum u.a., dass die im Film gezeigte Landschaft im Grenzgebiet zu Belgien vorgefunden wurde, in einem Naturschutzgebiet in der Eifel mit hohen Auflagen bezüglich der Dreharbeiten. Sebastian Ko wollte die Parabel in einem Nichts von Landschaft spielen lassen. Die Suche nach dem Haus war langwierig, da es eben genau ein sehr altes und »gelebtes« Haus sein sollte, in dem man immer noch den Reichtum spürt. Zum Teil waren sogar noch Original-Möbel darin gestanden. Die Hütte im Garten jedoch, in der sich Valmir festsetzt, entstand extra für den Dreh.

Karin Kaçi erklärt auf eine Frage aus dem Publikum, dass das Dilemma jeder der drei Hauptfiguren dargestellt werden sollte. Ulrich Matthes antwortet auf die an ihn gerichtete Frage, weshalb er in Berlin wohne, dass er geborener Berliner ist. Berlin ist unsentimental und nimmt sich selbst nicht wichtig. Diese gleichzeitige hohe Emotionalität bei gleichzeitiger Ablehnung von Sentimentalität mache Berlin aus und er wäre auch so.

Darsteller im Film Geborgtes Weiß: Susanne Wolff, Ulrich Matthes, Florist Bajgora, Elia Gezer, Bruno Cathomas, Heike Trinker u.a. Drehbuch: Karin Kaçi (nach einer gemeinsamen Idee mit Sebastian Ko), Regie: Sebastian Ko, Kamera: Andreas Köhler, Szenenbild: Cora Pratz, Kostüm: Elisabeth Kraus, Maske: Skadi Lesske & Susanne Wörle-Jiritano, Ton: Bernd Hackmann, Schnitt: Nicole Kortlüke, Musik: Frans Bak, Casting: Marc Schötteldreier Casting, Casting Albanien: Clemens Erbach, Produktionsleitung: Claudia Schurian, Redaktion WDR: Frank Tönsmann, Redaktion ARTE: Birgit Kämper, Produzenten: Roswitha Ester & Torsten Reglin.

Sebastian Ko war bereits mit Wir Monster auf der Parkinsel. Er hat bei mehreren Filme, auch für die ARD-Reihe TATORT, als Regisseur gewirkt.

Beim 17. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein wird Geborgtes Weiß nochmals am 6., 7. und 9. September gezeigt. Das gesamte Programm findet ihr hier: festival-des-deutschen-films.de.

Sebastian Ko, der Regisseur von »Geborgtes Weiß«, war bereits mit dem großartigen Film »Wir Monster« als Gast auf der Ludwigshafener Parkinsel. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Drehbuch zu »Geborgtes Weiß«: Karin Kaçi (nach einer gemeinsamen Idee mit Sebastian Ko). Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Ulrich Matthes spielt in »Geborgtes Weiß« den sozialen Vater von Nathan. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Elia Gezer spielt in »Geborgtes Weiß« den Sohn von Marta und Rudolf. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Roswitha Ester nahm als Produzentin am Filmgespräch zu »Geborgtes Weiß« teil. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Birgit Kämper, Arte-Redakteurin beim Filmgespräch zu »Geborgtes Weiß«. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz