Im Gespräch mit Marcus Schwarz

Marcus Schwarz ist forensischer Entomologe und Wundballistiker. Foto: © Stefan Kröger

Marcus Schwarz, 1987 geboren, hat Forstwissenschaften in Dresden studiert und arbeitet an der Rechtsmedizin Leipzig als forensischer Entomologe und Wundballistiker. In einer Vielzahl von Fällen – zumeist bei Tötungsdelikten – hilft er deutschlandweit der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Zudem bildet er Polizeibedienstete und Studierende in seinem Fachgebiet aus.

Aktuell ist bei Droemer sein Titel »Der Tod im Anflug« erschienen.

Für Kriminetz beantwortete Marcus Schwarz einige Fragen.

Kriminetz: Schauen Sie völlig entspannt Fernsehkrimis an?

Marcus Schwarz: Bei Fernsehkrimis kommt eher immer mein innerer Monk zum Vorschein. Fehler, Logiklöcher und grobe Patzer bei der gezeigten Tatort- oder Ermittlungsarbeit fallen natürlich sofort auf. Tatortarbeit ohne Handschuhe, bewegliche Leichen ohne Leichenstarre, oder ein nackter Schauspieler auf dem »reinen« Sektionstisch bringen mich immer wieder zum Schmunzeln und manchmal auch zum Kopfschütteln.

Kriminetz: Hatten Sie dieses Faible für Schusswaffen, welches Sie diese in Ihrem Buch »Der Tod im Anflug« akribisch genau erklären lässt, schon früh entwickelt?

Marcus Schwarz: Die Schusswaffen begleiten mich seit meiner Zeit bei der Bundeswehr. Im Studium kam ohnehin der Jagdschein wie automatisch dazu. Schusswaffen sind für einige Berufsgruppen Werkzeug, wie für jeden Dachdecker der Hammer. Um Schusswaffen sicher zu handhaben, muss man genau wissen wie sie funktionieren. Hier bedingt das Eine jeweils das Andere. Mit der Zeit verinnerlicht man das Handwerkszeug.

Kriminetz: Bei einem Schießtraining wurde mir gesagt: »Hinter jedem Schussloch steht ein Opfer.« Sollte generell mehr an die Opfer als an die Täter erinnert werden?

Marcus Schwarz: Zum Glück steht nicht hinter jedem Loch ein Opfer. Viele Schüsse im Zusammenhang mit Straftaten gehen tatsächlich daneben. Bei Tötungsdelikten und Großereignissen wie Amokläufen und Terroranschlägen sollte aber selbstverständlich den Tätern keine Bühne geboten werden. Umso mehr muss auf die Opfer solcher Taten eingegangen werden. An die Toten muss erinnert werden. Die Überlebenden und Hinterbliebenen müssen ausreichend psychologisch und gesellschaftlich betreut werden. Dies betrifft Zivilisten, aber auch Soldaten und Polizisten.

Kriminetz: Ein Frage, die mich seit langem beschäftigt: Was passiert mit Kugeln, die senkrecht in die Luft nach oben abgefeuert werden? Man sieht das hin und wieder in Filmen, wenn Menschen »feiern«. Die Kugel fällt doch wieder nach unten auf den Schützen?

Marcus Schwarz: Die Kugel fällt, nachdem sie ihren Scheitelpunkt erreicht hat, senkrecht wieder nach unten. Je nachdem wie schwer das Geschoss ist, bzw. welches Kaliber es hat, kann es durch die Fallgeschwindigkeit ausreichend Energie erreichen um in den Schädel oder den Körper einzudringen und dort schwerste bis tödliche Verletzungen zu verursachen. Hierbei reichen gängige Handwaffenkaliber aus. Gerade in den Regionen in denen solche Schüsse in die Luft abgegeben werden, kennen die chirurgischen Kliniken das Verletzungsbild der fallenden Kugeln.

Kriminetz: Sie schildern in Ihrem Buch einige wahre Fälle, etwa Selbsttötungen, die auf dem ersten Blick ziemlich merkwürdig wirken. Welche Ermittlungsmethoden kommen in solchen Fällen zum Einsatz?

Marcus Schwarz: Die Ermittlungsmethoden unterscheiden sich nicht von anderen Tatorten. Man arbeitet hierbei eng mit der Kriminaltechnik, der Kriminalpolizei und der Rechtsmedizin zusammen und macht sich ein genaues Bild vom Fundort. Dann werden Hinweise erhoben, dokumentiert und zum Schluss werden sämtliche Erkenntnisse herangezogen und zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Dabei werden verschiedene Theorien überprüft, bis man die logischste Hergangsvariante gefunden hat. Manchmal werden zur Plausibilitätsprüfung auch Schussversuche geplant um letzte Ungereimtheiten zu beseitigen.

Kriminetz: Sie widerlegen in Ihrem Buch »Der Tod im Anflug« Mythen über Schusswaffen. Welcher Mythos frappiert dabei am meisten?

Marcus Schwarz: Der am häufigsten gezeigte Mythos ist sicherlich, dass Cowboyhüte von Köpfen geschossen werden können. Die Trägheit eines gut passenden Cowboyhutes verhindert, dass ein Projektil, beispielsweise aus einem Revolver diesen bewegt. Das Geschoss ist dabei zu schnell, um im Moment der Durchdringung ausreichend Kraft auf den Hut zu übertragen, um diesen aus seiner Position herauszubewegen.

Kriminetz: Vielen Dank, Marcus Schwarz, für die Antworten.