Im Gespräch mit Michael Kibler

Das Foto zeigt den Schriftsteller Michael Kibler. Foto © Jürgen Roehrscheid

Der Schriftsteller Michael Kibler wurde 1963 in Heilbronn geboren und lebt in Darmstadt. An der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt studierte er im Hauptfach Germanistik mit den Nebenfächern Filmwissenschaft und Psychologie. Bereits während seiner Promotion begann er mit seiner selbstständigen Tätigkeit als Texter und PR-Profi.

Neben Krimis mit seinem Ermittlerteam um Steffen Horndeich, der in Darmstadt ermittelt, schreibt Michael Kibler auch Sachbücher und Krimi-Kurzgeschichten.

Michael Kibler ist Mitglied im Syndikat, dem Verein zur Förderung deutschsprachiger Kiminalliteratur.

Für Kriminetz.de beantwortete Michael Kibler einige Fragen.

Kriminetz: Von Darmstadt aus ist es ja nicht weit nach Frankfurt. Gefiel dir die Gegend von Anfang an so sehr, dass du dort „hängen geblieben“ bist?

Michael Kibler: Am Anfang gefiel mir die Gegend ganz und gar nicht. Ich war dreizehn und bin quasi nach Darmstadt umgezogen worden. Meine Großeltern lebten schon hier. Aber ich habe den Draht zu Darmstadt sehr schnell gefunden, die ersten Wurzeln wuchsen im Eiltempo. Später habe ich mich in meinem Leben zweimal ganz bewusst dazu entschieden, berufliche Veränderungen nicht zu akzeptieren, weil ich dann die Gegend hätte verlassen müssen. Ich bin quasi der lebende Gegenentwurf zu Globalisierung. Im Nachhinein war die zweite Entscheidung auf jeden Fall richtig, denn ohne sie wäre ich im Jahr 2002 ins Saarland gezogen und hätte von dort aus ganz bestimmt niemals einen Darmstadt-Krimi geschrieben. Wahrscheinlich sogar niemals einen Krimi…

Kriminetz: Deine erfolgreichen Krimis mit dem Ermittlerteam um Steffen Horndeich und Leah Gabriely spielen in Darmstadt. Wieso hast du dich als Handlungsort für die Wissenschaftsstadt Darmstadt entschieden und nicht für die weitaus größere Stadt Frankfurt?

Michael Kibler: Ganz ehrlich? Ich wollte endlich einen Krimi veröffentlichen und nicht nur für die Schublade schreiben. Also habe ich mich seinerzeit an den Societäts-Verlag in Frankfurt gewandt, die bereits Wiesbaden-, Mainz- und Frankfurt-Krimis im Programm hatten. Ihnen habe ich vorgeschlagen, gemeinsam einen Darmstadtkrimi zu machen. Ich hatte auch schon eine Geschichte konzipiert. Die wurde natürlich abgelehnt. Aber die Idee um meine „Madonnenkinder“ - die stieß auf große Gegenliebe. Und so habe ich 2005 diesen Krimi geschrieben und veröffentlicht.

Er war nicht als erster Teil einer Serie angelegt, doch als der Piper-Verlag in München mich fragte, ob ich nicht einen zweiten Teil in ihrem Verlag veröffentlichen wolle, habe ich natürlich nicht gezögert.
Ich habe in Frankfurt studiert. Kenne die Stadt ganz gut. Aber ich schreibe lieber über meine Heimatstadt. Was nicht heißt, dass es niemals einen Krimi geben wird, der nicht in Frankfurt spielt.

Kriminetz: Kürzlich haben dich wieder Beleg-Exemplare eines neuen Kriminalromanes erreicht, „Zornesglut“, veröffentlicht im Piper-Verlag. Ist das Öffnen dieses ganz besonderen Paketes immer noch so prickelnd wie beim allerersten Buch?

Michael Kibler: Ja.
Und Nein.

Ja: Wenn der Paketbote kommt, und ich das Glück habe, das Päckchen persönlich in Empfang zu nehmen und nicht erst zwei Tage später mit gelben Kärtchen in der Hand persönlich bei der Post abzuholen, ja, dann ist das ein tolles Gefühl.

Nein: Wenn mich das Buch erreicht, und das ist meist im November der Fall, dann arbeite ich bereits seit geraumer Zeit am nächsten Buch. Meine Gedanken sind dann im gerade zu schreibenden Fall und kaum noch beim erschienenen Buch.

Ja: Das ändert sich, wenn dann die Premierenlesung stattfindet. Das ist der Moment, in dem ich fürchterlich aufgeregt bin, ob das, was ich geschrieben habe, auch vor Publikum funktioniert. Und nach dieser Premierenlesung, da ist dieses Buch wieder ganz präsent. Und wenn ich dann in den Buchhandlungen die Auslagen sehe, wo es in Darmstadt immer einen Kibler-Tisch gibt und ich viele Exemplare signiere, dann gibt es tatsächlich Dopamin im Literpack!

Kriminetz: Was inspiriert dich für deine mittlerweile zahlreichen Kriminalfälle?

Michael Kibler: Das Leben.
Es ist mir immer wichtig, die Motivation und die Psychologie meiner Figuren ganz deutlich zu zeigen. Jeder, und das meine ich ohne Ausnahme, jeder von der Spezies Homo Sapiens ist in der Lage, einen anderen Vertreter der gleichen Spezies das Leben zu nehmen. Klar, es gibt die Irren, die Psychopathen, aber 99 % aller Tötungsdelikte werden ja von normalen Menschen begangen. Menschen, die in eine Ausnahmesituation getrieben werden. Und ich habe mich oft gefragt, was würde mich selbst zu einem Mörder machen. Nun, die Antworten kann man in meinen Büchern nachlesen. Denn, auch wenn mir das nicht gefällt, jeder dieser Mörder könnte auch Michael Kibler sein. Ein Mensch, der an seine Grenzen getrieben worden ist.

Kriminetz: Du bist nicht nur passives Mitglied im SYNDIKAT, sondern engagierst dich dort auch. So organisierst du die Jury-Arbeit für den Glauser-Krimipreis des SYDIKATS in der Kategorie Debütroman 2021.Was hat dich dazu bewogen, dich für dieses Ehrenamt zur Verfügung zu stellen?

Michael Kibler: Das Syndikat hat für mich einen ganz, ganz hohen Stellenwert. Aus einer sehr persönlichen Sicht heraus. Natürlich unterstütze ich die Ziele des Syndikats, den deutschen Krimi bekannter zu machen oder wichtige Positionen zum Urheberrecht zu beziehen etc. pp.

Als ich jedoch auf meiner ersten Criminale war – eben jenem Krimi-Festival, dass das Syndikat einmal im Jahr in einer deutschsprachigen Stadt ausrichtet – da habe ich mich unglaublich wohlgefühlt. Das hatte was von: Ja, jetzt bin ich endlich in der richtigen Herde angekommen.

Ich habe dort über die Jahre viele Menschen kennengelernt, die mir sehr wichtig geworden sind. Und da lag es nahe, mich in der Herde auch zu engagieren. Ich war zweimal Mitglied der Jury für das Glauser-Debüt – kannte also die Arbeit schon ein bisschen. Nun, als Jurysekretär ist das eine andere Perspektive. Ich teile mir die Arbeit mit meiner Syndikatskollegin Michaela Pelz, die den Glauser für den besten Krimi als Sekretärin betreut. Und das ist wirklich die beste aller möglichen Teamworks. Weshalb die Arbeit wirklich Spaß macht. Und somit wird das ehrenamtliche Engagement eigentlich zum Eigennutz. Dopamin und so …

Kriminetz: Du lässt andere an deinem Wissen teilhaben und bietest Schreibworkshops an. Was kann man bei dir lernen?

Michael Kibler: Der Anspruch, den ich an meine Krimiworkshops habe, ist der, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer danach anders denken. Die Idee, vom Schriftsteller, der sich, geküsst von der Muse, an den Rechner setzt und los gibt - wir wissen beide, das ist alles Müll.

Denn das Krimischreiben hat sehr viel mit erlernbaren Fähigkeiten zu tun. Wie muss ich denken, wenn ich eine Krimi-Geschichte konstruieren will? Es fängt damit an, dass ich meine Hauptfiguren kennen lernen muss. Damit ich weiß, wie sie in jeder Szene agieren und reagieren. Und ich muss lernen, den Krimi von hinten aufzurollen: Auf der ersten Seite eines Buches liegt die Leiche, und die Ermittler finden nun heraus, was eigentlich geschehen ist. Das löst sich im Buch immer erst ganz am Ende auf. Wenn ich einen Krimi aber schreiben will, muss sich bei diesem Ende anfangen. Ich muss genau wissen, was passiert ist, bevor die Leiche zur Leiche wurde. Wer sie warum umgebracht hat. Und dann, wie die Ermittler das herausfinden. Ich muss also, bevor ich anfange den Krimi zu schreiben, den Krimi schon von der letzten Seite aus rückwärts geschrieben haben.

Dazu braucht man Arbeitstechniken. Und die kann man lernen. Bei mir.

Kriminetz: Vielen Dank, Michael Kibler, für die Beantwortung der Fragen.

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