Im Gespräch mit Siegfried Kollmar

Siegfried Kollmar leitet die Kriminalpolizeidirektion Heidelberg und ist Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Mannheim Foto: © Siegfried Kollmar

Siegfried Kollmar leitet die Kriminalpolizeidirektion Heidelberg und ist Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Mannheim. Siegfried Kollmar ist Jahrgang 1961 und in Heidelberg geboren. Er ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter. Er trat 1979 in den Polizeidienst ein und stieg 1992 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst auf. Nach dem Aufstieg in den höheren Dienst 1998 war er Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Innenministerium Baden-Württemberg. Seit 1999 ist er im Polizeipräsidium Mannheim in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig.

Im Rahmen der Strukturreform der Polizei des Landes Baden-Württemberg entstand zum 01.01.2014 das neue Polizeipräsidium Mannheim aus der Zusammenlegung der Polizeidirektion Heidelberg und des ehemaligen Polizeipräsidiums Mannheim.

Für Kriminetz beantwortete Siegfried Kollmar sieben Fragen.

Kriminetz: Sie sind Leiter der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg und Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Mannheim. Haben Sie in beiden Städten ein Büro vor Ort?

Siegfried Kollmar: Für mich war und ist es sehr wichtig, an allen Sicherheitsthemen beim PP Mannheim beteiligt und sowohl in Mannheim als auch in Heidelberg für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansprechbar zu sein. Mein Arbeitstag beginnt regelmäßig im Büro in Mannheim. Als Erstes stimme ich den Tag und die Woche mit dem Polizeipräsidenten Andreas Stenger ab. Dann folgt der Lageüberblick und das Lesen von Lagebildern, d. h. was hatten wir an Straftaten, Verkehrsunfällen, welche Termine stehen an, welche Veranstaltungen (z.B. im Bereich Prävention). Anschließend folgen Besprechungen, Fallkonferenzen, Personalgespräche, Strategiegespräche, Einsatzplanungen etc. und auch Akten müssen bearbeitet werden. Meist über die Mittagspause fahre ich dann nach Heidelberg, wo ich mich schwerpunktmäßig um die Kriminalpolizeidirektion und die damit verbundene Bekämpfung der Schwer- und Schwerstkriminalität kümmere. Es stimmt also, dass ich sowohl in Heidelberg als auch in Mannheim jeweils ein Büro nutze, damit ein doch recht großer Aufwand verbunden ist und mancher Arbeitstag recht lang wird.

Kriminetz: Im Laufe Ihres Werdeganges studierten Sie an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Welches Thema bearbeiteten Sie in Ihrer Abschlussarbeit?

Siegfried Kollmar: Mich hatte damals das Versammlungsrecht sehr interessiert. Ein komplexes und schwieriges Rechtsgebiet. Man konnte sich da in Urteilsbegründungen rsp. gerichtliche Entscheidungen richtig reinbeißen und mir hat das Recherchieren und das Stöbern in der Bibliothek einfach Spaß gemacht. Es ging um Fragen, welche Auflagen erteilt werden können, wann eine Versammlung aufgelöst werden kann, die Kompetenzen von Versammlungsbehörde und Polizei und letztlich um Fragen der Möglichkeiten und Grenzen von Eingriffsbefugnissen. Damals sehr spannend, aber, wenn ich ehrlich bin, heute größtenteils durch die Weiterentwicklung der Rechtsprechung in über 20 Jahren überholt. In der heutigen Zeit ziehe ich unsere Einsatzspezialisten und Juristen zu Rate, wenn es diesbezüglich Fragen gibt.

Kriminetz: Wirkt sich Covid_19 auf die Kriminalitätsrate in der Metropolregion Rhein-Neckar aus? Das vermehrte Home-Office in diesen Zeiten lässt zumindest weniger Wohnungseinbrüche vermuten?

Siegfried Kollmar: In der Hochphase im März, April und Mai gingen die Zahlen bei der Kriminalitätsbelastung tatsächlich zurück. Die Menschen gingen nicht mehr aus, waren zu Hause, es gab weniger Konflikte auf der Straße, weniger Tatgelegenheiten und so auf breiter Front doch spürbare Rückgänge. Als Polizei haben wir die freiwerdenden Kapazitäten dann genutzt, um die Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Vorschriften zu verstärken. Die Menschen waren ja insgesamt sehr vernünftig, trotzdem war die Kontrollfunktion wichtig. Mitte des Jahres hatte sich das dann aber wieder gelegt und die Fallzahlen sind wieder angestiegen.

Hinsichtlich des Wohnungseinbruchs haben wir seit vier Jahren – auch ohne Covid-19 – stetig rückläufige Fallzahlen zu verzeichnen. Wir waren 2016 in unserem Zuständigkeitsbereich bei 1.519 Wohnungseinbrüchen, haben dann mit einer Ermittlungsgruppe reagiert, die quasi im Soko-Standard gearbeitet hat. Wir hatten gute Ermittlungserfolge, viele Inhaftierungen von Einzeltätern und Bandenmitgliedern und die Justiz hat mit regelmäßig hohen Haftstrafen reagiert. Hinzu kam die Strafverschärfung (Wohnungseinbruch wurde zum Verbrechenstatbestand), die uns in die Karten spielte, sowie die gute Akzeptanz bei der Bevölkerung hinsichtlich Präventionsbemühungen. Unterm Strich waren es letztes Jahr noch 743 Wohnungseinbrüche und dabei wurde jeder vierte Wohnungseinbruch aufgeklärt. Darüber hinaus blieben rd. 40 % der Wohnungseinbrüche im Versuchsstadium. Für uns jedenfalls eine Erfolgsgeschichte, auch wenn jeder Wohnungseinbruch einer zu viel ist und wir die Zahlen am liebsten weiter senken möchten. Aller Voraussicht nach werden wir dieses Ziel in 2020 wohl auch erreichen.

Kriminetz: Wenn ein Verbrechen passiert, etwa ein Mord – wie schnell ist dann eine SOKO auf die Beine gestellt? Wieviele Personen umfasst sie und wer leitet sie?

Siegfried Kollmar: Als Kripochef rufe ich eine Soko regelmäßig am gleichen Tag auf, an dem die Tat entdeckt wurde. Wir sind organisatorisch sehr gut vorbereitet. Unsere Spezialisten bei der Kripo kennen genau ihren Platz und ihre Aufgaben. Heute gehört dazu nicht nur eine spurensichernde Kriminaltechnik, die zertifiziert ist, sondern auch Spezialisten für die Auswertung von Massendaten, IT-Experten für die Auswertung von Smartphones, Notebooks etc., Experten für die verdeckte Ermittlungsführung, Vernehmungsfachleute, professionelle Fahndungsbeamte, Fachexperten in der Aktenführung usw. Dazu gezogen werden auch regelmäßig Spezialisten vom Landeskriminalamt oder anderen Stellen – je nach Fall, Lage und Spuren.

Wir haben es oft mit hunderten von Spuren zu tun und das funktioniert im Überblick nur, wenn alles gut strukturiert und vorbereitet ist. Und alles ist dann immer eng mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt.

Selten ist eine Soko in der ersten Phase unter 40 Mann stark und geleitet wird sie von einem Kriminalbeamten im höheren Dienst. Bei mir in der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg arbeiten noch drei Kriminaldirektor*innen, eine Kriminaloberrätin und zwei Kriminalräte – sie alle sind im Bereich der Leitung von Sonderkommissionen fortgebildet . Insoweit sprechen wir uns lage- und fallabhängig ab und ich entscheide dann, wer die Soko übernimmt.

Kriminetz: Welche Unterstützung bietet das Landeskriminalamt in Stuttgart bei der Ermittlungsarbeit?

Siegfried Kollmar: Wir haben einen engen Kontakt zum Landeskriminalamt in Stuttgart und werden von dort aus regelmäßig und ausgezeichnet unterstützt. Es gibt heute kaum ein denkbares Tötungsdelikt, wo wir nicht mit dem LKA eng zusammenarbeiten. Die Bereiche aufzuzählen würde diesen Rahmen sprengen, denn das Portfolio an Unterstützungsleistungen des LKA BW ist zwischenzeitlich riesig. Beispielhaft kann ich die DNA-Untersuchungen, 3–D-Tatortvermessung, die Funkzellenvermessung oder die Schusswaffenbegutachtung nennen.

Kriminetz: In den letzten Jahren ist eine Zunahme der Gewaltbereitschaft gegenüber Menschen in Uniform feststellbar. Das trifft Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr. Was lässt sich dagegen tun?

Siegfried Kollmar: Eine der negativsten Entwicklungen der letzten Jahre. Eigentlich unfassbar, dass Menschen körperlich angegriffen werden, die dafür da sind, anderen Menschen zu helfen.

Ein Patentrezept, was man dagegen tun kann, habe ich nicht. Ich glaube aber, dass wir an vielen Ecken ansetzen müssen und ein Schlüsselbegriff das Wort »Respekt« sein kann. Wir müssen dieses Thema in der Öffentlichkeit präsent halten, darüber reden und alle müssen sich angesprochen fühlen, egal ob Eltern, Lehrer, ob Medien oder Schulen oder auch andere Stellen. Alle können daran arbeiten und darauf hinwirken, dass wir gegenüber den Institutionen und den Menschen, die sie repräsentieren, Respekt entwickeln. Im Weiteren gehört dazu auch, dass wir in entsprechenden Fällen konsequent und durchaus hart auf Sachverhalte reagieren und sanktionieren, denn entsprechende Angriffe dürfen auf keinen Fall folgenlos bleiben.

Zur Wahrheit gehört für mich am Ende aber auch, dass ein korrektes Auftreten, ein richtiges und ordentliches Erscheinungsbild und eine angemessene, respektvolle Ansprache gegenüber dem Bürger im Gegenzug respektvolles Verhalten unterstützen.

Kriminetz: Gibt es einen Fall, den Sie in besonderer Weise in Erinnerung haben, der vielleicht besonders gravierend war oder Sie besonders getroffen hat? Was macht das mit einem Menschen, wenn er so häufig mit schwerer Kriminalität konfrontiert wird?

Siegfried Kollmar: Ich denke am wichtigsten ist, dass man gefühlsbezogen nie abstumpft, dass man sich die Empathiefähigkeit erhält und trotzdem sachlich nüchtern und professionell arbeitet und handelt. Es vergeht ja in einer so großen Dienststelle wie dem PP Mannheim, mit einer Fläche von rd. 1300 qkm und einem Zuständigkeitsbereich in dem ca. 1,1 Mio Menschen leben, kaum ein Tag ohne schwerwiegende Straftaten. Nicht immer geht es dabei um große materielle Schäden oder Menschenleben, sondern auch einfach um stark einschneidende Verbrechen, die Menschen in ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl besonders nachhaltig und negativ beeinflussen. Denken wir einmal an den Wohnungseinbruch, wo sich viele Wohnungseigentümer nach der Tat in ihren privaten Bereich lange Zeit unsicher und unwohl fühlen. Insoweit müssen wir jede Tat ernst nehmen und konsequent verfolgen.

Wenn ich jetzt nach besonders gravierenden Straftaten gefragt werde, dann fällt es mir schwer, einzelne Fälle zu nennen. Fälle mit Kindern als Opfer sind sicher immer besonders tragisch und da musste ich in jungen Jahren als Sachbearbeiter im Kriminaldauerdienst z.B. ein Branddelikt aufnehmen, bei dem zwei Kinder verbrannt waren. Auch Fälle von plötzlichem Kindstod im Kriminaldauerdienst waren immer sehr belastend. Besonders brutal war sicher vor ein paar Jahren auch der Fall in Dossenheim, wo ein Täter mit Pistole bewaffnet in eine Eigentümerversammlung stürmte und wir gleich mehrere Tote verzeichnen mussten oder der Menschenhandelsfall in Mannheim, wo Frauen aus Afrika mit Voodoo-Zauber beeinflusst, körperlich gequält und hier als Sexarbeiterinnen brutal ausgenutzt wurden. Ich könnte den Fall in Leimen aufzählen, wo eine ältere Wohnungsinhaberin einen Dieb überraschte und halb tot geprügelt wurde und viele andere Tötungsdelikte, Vergewaltigungen, Raubserien, politisch motivierte Straftaten, Organisierte Kriminalität oder Wirtschaftskriminalität mit hohen Schäden, abscheuliche Vermögensstraftaten gegenüber älteren Menschen oder Sexualdelikte gegenüber Kindern nennen - oder auch von der Amokfahrt auf dem Bismarckplatz in Heidelberg berichten, wo ein Mensch ums Leben kam. Ich bin ja jetzt seit gut 40 Jahren im Polizeidienst und davon über 35 Jahre bei der Kriminalpolizei, da gibt es einfach Fälle über Fälle und man tut gut daran, diese Fälle nach der Aufklärung sozusagen »gedanklich abzuarbeiten«, mit den Kolleginnen und Kollegen darüber zu sprechen und sich dann wieder schnell auf den nächsten Fall, der definitiv kommen wird, zu konzentrieren. Ich denke, ich habe das bis heute ganz gut für mich hinbekommen und kann auch abschalten. Leicht war mein Beruf, den ich leidenschaftlich und immer noch sehr gerne ausübe, aber noch nie.

Kriminetz: Ihre Arbeitslast ist ziemlich hoch. Womit verschaffen Sie sich in Ihrer Freizeit einen Ausgleich?

Siegfried Kollmar: Ich bin ehrenamtlich Fahrlehrer/-ausbilder im Motor-Yacht-Club in Heidelberg und verhelfe Menschen zum Bootsführerschein, gebe im Frühjahr und im Herbst je einen Kurs. Dann bin ich ehrenamtlich Verbindungsstellenleiter der IPA Heidelberg, einem internationalen Polizeiverein mit rd. 600 Mitgliedern. Daneben spiele ich seit zwei Jahren Schlagzeug, nehme nach Möglichkeit einmal wöchentlich Unterricht im Schlagzeugstudio. Ab und an gehe ich an den Neckar oder Rhein zum Angeln, chartere gelegentlich am Bodensee oder auf der Müritz ein Boot und bin auch gerne in der näheren Region kleinere Strecken mit dem Fahrrad unterwegs.

Über viele Jahre war der Fußball meine große Leidenschaft, wo ich zu aktiver Zeit bis zur Verbands-/Oberliga gespielt habe und später als Fußballtrainer mit Rot-Weiss-Rheinau in die Landesliga, mit dem VfB Epfenbach in die Bezirksliga und mit meinem Heimatverein SG HD-Kirchheim in die Verbandsliga aufgestiegen bin. Heute bin ich Fußball bezogen aber nur noch gelegentlich Zuschauer bei Amateurbegegnungen im hiesigen Raum oder mal bei der TSG Hoffenheim oder dem FC Bayern München.

Kriminetz: Vielen Dank, Siegfried Kollmar, für die Beantwortung der Fragen.

Zur Website des Polizeipräsidiums Mannheim hier klicken