Interview mit Jochen Bender zu seinem neuen Krimi »Tödliches Cannstatter Zuckerle«

Tödliches Cannstatter Zuckerle

Kurzbeschreibung:
Vor einem Weinberghäusle im Cannstatter Zuckerle wird eine Leiche gefunden. Die Kommissare Hurlebaus und Walter finden heraus, dass es sich bei dem Opfer um einen Lehrer handelt. Zeitgleich wird eine Schülerin seiner Klasse vermisst. Ist Kiara in der Gewalt von Kidnappern oder Kinderschändern?

Die Kommissare ermitteln in verschiedene Richtungen, bis ein Kollege des toten Lehrers unter Verdacht gerät. Andere Spuren führen zu Mittelalter-Freaks, die am Lagerfeuer Geister beschwören.

Bei der turbulenten Suche nach dem Täter tauchen Hurlebaus und Walter in eine Welt ein, die so gar nicht dem entspricht, was ihnen sonst Tag für Tag begegnet …

Du arbeitest als Schulpsychologe und in deinem neuen Krimi wird ein Lehrer ermordet. Sowohl Kollegen als auch Schüler von ihm geraten unter Mordverdacht. Plauderst du hier aus dem Nähkästchen?

Jochen Bender: Einen Mord habe ich als Schulpsychologe noch nicht miterlebt. Aber in 23 Jahren wurde mir manches Skurrile erzählt. Wenn ich das ungefiltert in einem meiner Krimis schriebe, dächten manche, da ist meine Phantasie mit mir durchgegangen. Natürlich kann ich zum Schutz der Menschen, die bei mir waren, und wegen meiner Schweigepflicht keine dieser skurrilen Geschichten schreiben, auch wenn es mich schon lange reizt, es doch zu tun. Das Dilemma löse ich in meinem aktuellen Krimi kreativ.

Einen Mord hast du als Psychologe also noch nicht erlebt. Liefert dir deine Arbeit andere kriminelle Inspiration?

Jochen Bender: Durchaus! In manchen Klassen übt ein einzelner Schüler über einen langen Zeitraum hinweg ein Schreckensregime über seine Mitschüler aus, bei dem die Erwachsenen wegschauen oder Lehrer sogar mitmachen. Manchmal fliegt so etwas erst auf, wenn die Sache so massiv eskaliert, dass ein Schüler seine Mitschüler mit einem Messer bedroht oder eine Schülerin einen Amoklauf ankündigt. Als Autor brauche ich so einen Faden nur ein bisschen weiterzuspinnen und Schwups, sind wir im Krimi.

Lehrer machen beim Mobbing unter Schülern mit? Ist das dein Ernst?

Jochen Bender: Leider gibt es das tatsächlich. Stell dir vor, du bist Lehrer und der Mobber präsentiert seine Unterstützer als Zeugen, während die Mehrheit der Klasse schweigt, weil sie Angst hat, sonst ebenfalls zum Opfer zu werden. Glaubst du dann der Einzelaussage des Opfers? Oder kämpfst du darum, in der Klasse eine Atmosphäre zu erzeugen, in der jeder einigermaßen frei seine Meinung sagt? Wie macht man so etwas überhaupt? Manche Lehrer haben selbst Angst vor dem Mobber, vor seinem Einfluss auf die Mitschüler. Teilweise ist es kurzfristig der leichtere Weg, mitzuspielen. In einigen Fällen treten auch die Eltern des Mobbers massiv auf. Sie sind das aggressives Vorbild ihres Kindes und schüchtern Lehrer massiv ein. Wobei ich betonen möchte, dass es diese Fälle gibt, sie aber glücklicherweise die Ausnahme darstellen.

Also gibt es in deinem Krimi einen von Grund auf bösen Schüler, der nicht nur seine Mitschüler tyrannisiert, sondern auch einen Lehrer ermordet?

Jochen Bender: Vielleicht (lacht), vielleicht ist es aber auch ganz anders. Von Grund auf böse ist ohnehin kein Mensch. Wer zum Täter wird, war in seiner Kindheit oft selber Opfer. Außerdem ist keiner von uns nur böse und keiner nur gut.

Du hast den Plot in einer Privatschule angesiedelt. Ist das Zufall?

Jochen Bender: Nein. Wenn man Privatschule hört, denkt man an reiche Leute, die viel Geld ausgeben, um ihren Kindern eine besonders gute Schulbildung zu ermöglichen. Das ist ein Klischee, zumindest in Stuttgart sind Privatschulen meist an eine bestimmte Weltanschauung gebunden, die dem Staat mehr oder weniger misstraut, sei es, ob der Staat die eigene Religion ausreichend beachtet oder auch in anderen Punkten. Auch Corona-Leugner haben Kinder, und wer wie jene dem Staat massiv misstraut, schickt auch seine Kinder lieber nicht auf eine staatliche Schule. Einige der skurrilsten Geschichten, die ich hörte, stammen aus Privatschulen und können sich nur dort so abspielen. Ein guter Krimi ist auch gesellschaftlich relevant. Ich möchte in meinem das Klischee hinterfragen, dass man mit einer Privatschule dem eigenen Kind automatisch etwas Gutes antut.

Mal eine ganz andere Frage: Bist du Mittelalter-Fan?

Jochen Bender: Keineswegs, aber für den Roman habe ich mehrere Mittelalter-Märkte besucht und mich dabei gut amüsiert.

Hast du dort mit einer Armbrust geschossen?

Jochen Bender: Nein, aber die Sache mit der Armbrust passierte fast exakt wie in meinem Roman beschrieben tatsächlich. Natürlich habe ich den Ort verlegt und rein fiktive Charaktere entwickelt, die mit den echten Personen außer der Tat nichts gemein haben.

Hast du Lieblings-Krimiautoren? Wenn ja, welche? Was schätzt du an ihnen besonders?

Jochen Bender: Eric Berg schätze ich für seine psychologisch fein austarierte Erzählkunst, Maxim Leo hat bisher nur zwei Krimis geschrieben, die ich aber beide liebe, und als drittes nenne ich noch Peter Wolf. Seine ersten Krimis waren Durchschnitt, aber die Dr. Sommerfeldt-Triologie finde ich den Hammer. Er schafft es dort tatsächlich, mir einen Serienmörder irgendwie sympathisch zu machen.

»Hurlebaus« – der Name deines Kommissars ist schon sehr ungewöhnlich. Wie bist du auf diesen Namen gekommen?

Jochen Bender: Die besten Geschichten schreibt das Leben. Als ich nach sechs Krimis mit Anita Schenk und Roland Berger ein neues Ermittlerduo aufsetzte, las ich »Hurlebaus« auf dem Namensschild einer Kassiererin und wusste sofort, der Name ist es.