Interview mit Peter Glanninger

Leutkircher Hütte mit Peter Glanninger

Du hast kürzlich an einem äußerst ungewöhnlichen Ort aus deinem Krimi gelesen. Wie kam der Termin zu Stande?

Die Leutkircher Hütte wird von Freunden von mir betrieben. Im Juni, kurz nach Saisonstart, waren meine Frau und ich eine Woche auf der Hütte, um dort mitzuhelfen. Dabei sind wir mit den Hüttenwirten auf die Idee gekommen, dass man dort oben auch mal eine Krimilesung machen könnte. Ich bin ja selbst Bergsteiger und viel auf Hütten und weiß daher, dass es auf einer Schutzhütte auch für den Gast oft eintönig wird.

Kamen da unbedarfte Wanderer, die sich auf ein Essen und ein Bier gefreut haben und dann von Kultur überrascht wurden?

Teils, teils. Es sind Leute nur wegen der Lesung gekommen, andere wurden sozusagen mit dem kulturellen Ereignis »zwangsbeglückt«.

Wie lief die Sache ab, wie haben die Leute reagiert? Erzähle einfach ein bisschen.

Die Hütte liegt auf ca. 2200 Meter Höhe und wird mittels Hubschrauber versorgt. So sind auch die Bücher für den Büchertisch hinaufgekommen. Ich bin am Samstagnachmittag auf die Hütte aufgestiegen. Geplant war, am Sonntag eine Art Krimi-Frühschoppen zu veranstalten. Nach dem Motto Eat & Read, mit Lesung und Kesselgulasch.

Da ich nun schon am Samstag auf der Hütte war, haben wir spontan auch am Abend eine Lesung gemacht. Da waren natürlich nur Wandergäste auf der Hütte, die am nächsten Tag wieder weitermarschiert sind, weil die Hütte auf dem Lechtaler Höhenweg liegt. Wir haben sie gefragt, ob sie das wollen, und nachdem die Mehrheit dafür war, habe ich dann eine kurze Lesung gemacht und meinen Krimi »Blutgrund« vorgestellt. Danach hat eine Kellnerin ein paar Lieder gesungen und mit Gitarre begleitet. Also ein sehr netter Hüttenabend. Natürlich hat es nicht alle interessiert, das war auch nicht zu erwarten, aber für die meisten war es ein netter Abend und einmal eine Abwechslung. Das wurde uns so auch rückgemeldet.

Am nächsten Tag, also am Sonntagvormittag, habe ich dann eine ganz normale Lesung veranstaltet, vor der Hütte, weil das Wetter gepasst hat. Dazu hat es Gulasch gegeben. Es sind einige Gäste aus dem Tal zur Lesung aufgestiegen, andere sind auf dem Weg gewesen und ein bisschen sitzengeblieben. Alles in allem waren etwa zwanzig bis dreißig Leute dabei.

Am Ende hat die Kellnerin die Veranstaltung wieder mit ein paar Liedern abgerundet.

Schade, dass ich dieses Ereignis verpasst habe. Was ist dir bei deinen Krimis besonders wichtig?

Es gibt mehrere Dinge, auf die ich achte. Zunächst ist es mir wichtig, dass ich die Krimihandlung in ein Thema einbette, dass auch einen gewissen gesellschaftspolitischen Bezug hat, und – wenn man so will – auch ein gesundes Maß an Sozialkritik vermitteln kann, ohne aber mit dem moralischen Zeigefinger zu kommen.

Dann möchte ich, dass meine Krimis auch Polizeikrimis sind. Also die Darstellung von Polizeiarbeit und der Polizisten sind mir wichtig. Dazu gehört auch ein entsprechendes Maß an Realismus.

Und schließlich haben meine Krimis auch eine düstere Note. Ich möchte keine lustigen Krimis schreiben, auch wenn die gerne gelesen werden. Wenn Humor vorkommt, wird es meist ein schwarzer und böser. Als ehemaliger Polizist habe ich wohl eine andere Sichtweise auf Verbrechen. Ich möchte darüber keine Scherze machen. Ein Mord ist für mich nicht lustig und ich kann ihn nicht als Medium für eine lustige Story sehen. Aber das ist mein persönlicher Zugang.

Welchen Lesern außer mir könnten deine Bücher zusagen?

Grundsätzlich natürlich jedem. Vor allem aber Lesern, die Krimis gerne mögen, die sich außerhalb des Mainstreams bewegen und auch ein bestimmtes Maß an Gesellschaftskritik transportieren.

Bisher habe ich zwei deiner Kriminalromane gelesen. Beide sind sehr politisch. Bist du ein politischer Mensch?

Natürlich. Ich glaube, jeder Mensch ist ein politischer Mensch. Frei nach Paul Watzlawick: Man kann nicht nicht politisch sein. Das gilt auch für Kunst ganz allgemein. Selbst wenn sie sich selbst als unpolitisch sieht und die Leute »nur unterhalten« und vom Alltag ablenken will, ist das ein politischer Akt. Da finde ich es besser, politische Themen ganz offen anzusprechen. Ich persönlich denke, wenn man schon eine öffentliche Stimme hat, auch wenn es nur eine leise ist, sollte man die auch nutzen.

Wieviel von dir steckt in deinem Ermittler Thomas Radek?

Ich vermute, dass in jedem Romanhelden auch eine gesunde Portion des Autors, der Autorin steckt. Das ist bei mir nicht viel anders. Also, wäre ich ein junger Kriminalbeamter, hätte ich vermutlich viel Ähnlichkeit mit Thomas Radek.

Was macht in deinen Augen Romanfiguren zu gelungenen Figuren?

Das ist eine schwierige Sache. Ich halte nicht viel davon, eine Figur mit so vielen Ecken und Kanten auszustatten, dass es schon peinlich wird. Deprimierte, alkoholsüchtige, scheidungsgeplagte, adipöse, psychotische und andere derartige Charaktermerkmale für Ermittler entsprechen auch meist nicht der Realität. Kein Polizist will mit einem durchgeknallten Kollegen arbeiten. Polizisten sind meist sehr einfach gestrickte Menschen, also nicht intellektuell einfach, sondern von ihrem Verhalten her. Aber warum können Polizisten nicht einfach normal sein, mit normalen Hobbies und normalen Freunden? Zugegeben, das macht sie als Romanfiguren nicht sehr interessant. Daher bin ich für eine gelungene Mischung aus Fiktion und Wahrheit.

Anders ist das bei Ermittlern, die nicht aus der Polizei kommen. Da ist es ja grundsätzlich schon unrealistisch, dass sie Kriminalfälle aufklären. Daher stört auch die eine oder andere ausgerissene Wesensart nicht.

Woraus entwickelst du die Ideen für deine Geschichten?

Meistens aus Themen, die mich interessieren. Also bei »Blutgrund« etwa die Ausbeutung von Wanderarbeitern und die fiesen Geschäfte in der Bauwirtschaft. Dann bastle ich darum eine Krimihandlung und verwebe diese Bereiche zu einem Romanstoff.

Entstehen deine Geschichten im Voraus »am Reißbrett«, oder schreibst du »drauflos« und lässt den Worten ihren Lauf? Warum hältst du deine Vorgehens-weise für die Richtige?

Ich plane und entwickle meine Geschichten, bevor ich zu schreiben beginne, sehr genau. Das ist für mich so ein bisschen wie ein Drehbuch, das ich dann verfilme. Aber das ist natürlich nicht die Bibel, also Änderungen sind immer möglich. Die grobe Richtung steht jedoch fest.

Meine Herangehensweise hängt mit zwei Dingen zusammen. Erstens habe ich viele wissenschaftliche Texte geschrieben, wo eine stoffliche Gliederung wichtig ist, um am Thema zu bleiben. Außerdem habe ich oft lange Schreibpausen – wenn ich aus beruflichen Gründen nicht schreiben kann – und da möchte ich dann nicht lange überlegen müssen, wie es weitergeht. Also ein genaues Outline vom Plot hilft mir dabei, strukturiert und planmäßig zu arbeiten.