Lieber Reimer, wir kennen uns durch die gemeinsame Arbeit in der Glauser-Jury. Dadurch erfuhr ich von deinem originellen und mutigen, auf fünf Bände ausgelegten Roman-Projekt. Magst du es den Lesern kurz darstellen?
Auf der weltgeschichtlichen Bühne handelt es sich um die erste Weltumsegelung unter dem Kommando des spanischen Admirals Fernando Magellan. Welche seemännischen, politischen und geistigen Voraussetzungen mussten gegeben sein? Wie war der Verlauf der Reise? Ich habe viele Jahre recherchiert, bin auch selber auf einem Großsegler unterwegs gewesen, um in die Zeit vor 500 Jahren einzutauchen. Dabei kamen viele spannende und überraschende Dinge zutage. Ich wollte aber keine Heldenverehrung. In diese Falle ist zum Beispiel Stefan Zweig mit seinem Magellan-Roman getappt. Deshalb beherrschen ein einfacher Seemann und seine beiden Freunde die Bühne des Romans. Wer sich da an Moby Dick erinnert fühlt, liegt nicht falsch.
Wie kamst du auf die Idee?
Ich bin am Wasser groß geworden. Mein Opa war Leuchtturmwärter. Und ich habe als Junge oft bei meiner Oma in der Küche gesessen und den großen Pötten nach-geschaut. Das Interesse an Inseln, Küsten und Seefahrt liegt mir quasi im Blut. Für einen Romancier mit maritimer Neigung bietet sich das Magellan’sche Abenteuer als Stoff förmlich an. So viele Gefahren – reale und kosmologische -, Meutereien, Hungerfahrten, Mord und Totschlag auf einem Kurs zusammengepresst, hat es nie wieder gegeben. Kolumbus war drei Wochen unterwegs. Da haben sich die Mannschaften schon in die Hose gemacht. Das letzte Magellan’sche Schiff brauchte drei Jahre für seine Fahrt.
War wirklich ein Friese bei der ersten Weltumsegelung dabei?
Nee, da hab ich als Autor ein bisschen geflunkert. Ich komme von Helgoland. Und mein Held an Bord der Armada ist ein Helgoländer. Das klingt erstmal albern, ist aber von Beginn an ganz zwanglos und natürlich. Auf den Magellan’schen Schiffen dienten Leute aus ganz Europa. Holländer, Norweger, Rheinländer, natürlich viele Griechen und Italiener. Ich habe mir einen Helden gesucht, von dem ich ganz genau weiß, wie er tickt.
Wie entstand die Figur Pay Edel?
Das kann ich gar nicht mehr so genau beantworten. Es musste ein junger Mensch sein, um die Zwanzig. Mit vierzig war man damals meistens schon verflixt alt. Andererseits sollte er bereits seemännische Erfahrung haben – ein Fischer eben. Mein Onkel war Haifischer in der Nordsee. Das half mir beim Imaginieren der Figur.
Wieviel von dir steckt in ihm?
Ich vermute, sehr viel. Zumindest ist sie mir nach Jahren als quasi reale Person vollkommen vertraut. Wahrscheinlich habe ich ne Menge hineingepackt, wie ich gerne gewesen wäre. Pay Edel ist recht naiv, aber er kommt aus jeder haarigen Situation fast unbeschadet heraus. Obwohl er schüchtern ist und eine treue Natur, hat der Seemann in den Häfen Glück bei Frauen. Er lernt gern dazu, widerspricht aber auch. Und dann ist er körperlich viel stärker als ich. Haut den bösen Buben eins aufs Maul.
Was macht in deinen Augen Romanfiguren zu gelungenen Figuren?
Jeder Mensch hat Abgründe in sich. Jeder hat schon mal gelogen oder kleinliche Rachegelüste gehabt. Ein runder Charakter kann nicht schwarz-weiß gezeichnet sein. Auch ein grundanständiger Mensch macht Fehler, bereut Dinge. Der Autor sollte alle seine Figuren lieben. Das heißt, auch die Schurken haben irgendwo eine helle Seite.
Willst du uns deine Meinung dazu verraten, ob ein Roman unbedingt sympathische Figuren braucht?
Ja, das meine ich schon. Ich möchte mich beim Lesen gern etwas anlehnen.
Die Romane sind in einer ziemlich besonderen Sprache geschrieben, an die ich mich erst gewöhnen musste. Magst du etwas dazu sagen?
Ich habe eine gewisse Kunstsprache entwickelt, um Fühlen und Denken vor 500 Jahren etwas nachzuempfinden. Wie die Leute wirklich gesprochen haben, wissen wir nicht. Ich bin mir aber sicher, wir würden sie gar nicht verstehen. Einige erstaunliche Überzeugungen habe ich herausgefunden. Redewendungen und Flüche auch. „Möge der Allmächtige dir in den Bart furzen.“
Wie sieht ein Tag im Autorenleben des Reimer Boy Eilers aus? Wie, wann und wie viel schreibst du? Hast du dabei spezielle Rituale?
Wenn es die Umstände zulassen, schreibe ich jeden Tag. Das ist wie bei einem Langstreckenläufer. Der muss auch jeden Tag seine Kilometer zurücklegen, damit der Körper sich wohl fühlt. Früher habe ich mir Ziele gesetzt: Jeden Tag mindestens zwei Seiten. Das mache ich nicht mehr. Mein Schreibplatz ist das Arbeitszimmer, mit allen meinen Büchern um mich versammelt. Außerdem brauche ich den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Seit langem bin ich Landesvorsitzender des VS in Hamburg. Oder unsere Arbeit in der Glauser-Jury. Das gehört auch dazu.