James Bond mal anders: »The Spy and the Poet«

Der Regisseur Toomas Hussar und der Produzent Ivo Felt stellten auf dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg ihren neuen Film vor: »The Spy and the Poet«. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Mit versteinertem Gesicht sitzt Gustav Tukk (Jan Uuspõld) in einer Bar in Tallinn und trinkt – zu genießen scheint er es eher nicht – sein Bier. Natürlich alkoholfrei. Denn er ist ein trockener Alkoholiker. Währenddessen gehen seine Leute draußen – ebenfalls mit bedeutungsschwangeren Ausdrücken in deren Gesichtern – ihren Überwachungsaufgaben nach. Da stürmt Miku (Rain Tolk) in die Bar. Völlig aufgelöst, weil er gerade beinahe von einem Auto überfahren worden wäre. Und das, wo doch in Kürze sein Gedichtband erscheinen soll, den er seinem Verleger nur noch vorbeibringen muss. Das gibt erst mal einen Schnaps aufs Haus und dann verguckt er sich in die schöne Zigeunerin, die sich ebenfalls in der Bar befindet. Doch die will nichts von ihm wissen, hat sie doch ein ganz anderes Ziel: Gustav Tukk.

Lange Zeit bleibt der Zuschauer im Unklaren, worum es in diesem Film, der derzeit auf dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg zu sehen ist, eigentlich geht. Nach und nach wird klar, dass Gustav Tukk Polizist ist – oder gehört er doch zur Spionageabwehr? Und dass die schöne Nala (Lana Vatsel) von den Russen auf ihn angesetzt wurde. Doch das hat seine Abteilung bereits herausgefunden und so wird der Spieß umgedreht und er soll ergründen, worauf die Russen aus sind.

Kurze Zeit später zieht Nala bei ihm ein. Was durchaus eine Herausforderung ist: Denn Gustav hat von allem nur eins: Ein Glas, eine Gabel, ein Messer, einen Löffel, einen Teller. Und dann können die beiden leider so gar nichts miteinander anfangen. Köstlich die Szene, in der beide auf dem Sofa sitzen, jeder in die äußerste Ecke gequetscht, um ja nichts mit dem anderen zu tun zu haben.

Auf intelligente Art spielt der Film mit dem Genre Agentenfilm, dem Nationalstolz und dem Patriotismus der Estländer und ihrer Angst, ihre Unabhängigkeit zu verlieren und von Russland besetzt zu werden. Immerhin brauchen die Russen – wenn sie sich denn dazu entscheiden sollten – nur vier Stunden von der Grenze bis in die Hauptstadt. Und Estland hat dem nichts entgegenzusetzen – außer ein paar Nato-Soldaten, meinte Regisseur Toomas Hussar in der Podiumsdiskussion, die nach dem ersten Screening stattfand.

Doch nach einigen Irrungen und Wirrungen verliebt sich Gustav dann doch noch in Nala, was ihn in gewaltige Gewissenskonflikte stürzt: Soll er sich lieber für Nala entscheiden, die vom russischen Geheimdienst zu diesem Auftrag gezwungen wurde, oder für sein Vaterland?

Und dann endet der Film schließlich mit einem gewaltsamen Showdon, wie wir das aus jedem besseren Agentenfilm kennen.

Mit seiner surrealen Erzählweise ist »The Spy and the Poet« ein interessanter Gegenentwurf zum hergebrachten Hollywoodkino. Es geht hier um die die wahren Werte und da sind die Hintergründe der eigentlichen Handlung gar nicht so wichtig. Eine willkommene Abwechslung zur Einheitssoße aus dem Fernsehen. Für bekennende James-Bond-Fans allerdings nicht unbedingt geeignet.

Julek Kedzierski im Filmgespräch mit Regisseur Toomas Hussar und der Produzent Ivo Felt zu ihrem neuen Film: »The Spy and the Poet«. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz