Kai Bliesener – ein Mordskerl

Lieber Kai, wir kennen uns von den »Mordskerlen«. Magst du kurz erzählen, worum es sich bei ihnen handelt?

Wir sind vier ganz unterschiedliche Krimiautoren aus der Region Stuttgart und haben einfach Spaß an Lesungen. Entstanden ist die Idee ganz konkret nach einem gemeinsamen Auftritt bei der Stuttgarter Kriminacht. Wir standen zu viert auf der Bühne und haben performt. Das Publikum hatte einen Riesenspaß. Also haben wir weitere gemeinsame Auftritte absolviert, und die schwäbischen Reservoir Dogs gegeben. Inzwischen füllt sich der Kalender, was uns freut.

Dein Krimi »Das Brandt-Attentat« klingt nach den 70ern. Oder täusche ich mich?

Fast. Der Thriller spielt auf zwei Zeitebenen, einmal in der Gegenwart und Ende der 1960er Jahre.

Magst du kurz schildern, worum es geht?

Eine Junge Journalistin recherchiert zu rechten Umtrieben bei Militär und Geheimdiensten und kommt dabei einem rechten Komplott auf die Spur, das fünfzig Jahre zuvor mit aller Macht einen Sozialdemokratischen Bundeskanzler verhindern wollte. Damals wie heute hatten rechte Parteien leider einen ziemlichen Zulauf. Und wie die aktuellen Umfragen zeigen, ist das Thema zu meinem Bedauern immer noch aktuell.

Was ist dir bei Krimis besonders wichtig?

Ich mag es, fiktive Handlungen vor realen Hintergründen und mit historischen und politischen Bezügen ablaufen zu lassen. Das ist zwar aufwändiger in der Recherche, macht aber die Handlungen glaubwürdiger. Wichtig ist, dass die Fakten stimmen. Und ansonsten sollen sich die Leserinnen und Leser spannend und gut unterhalten. Dazu braucht es keine ultrabrutale Ausgestaltung von Actionszenen. Als großer Fan von Alfred Hitchcock mag ich es subtiler, finde ich es spannender, wenn nicht alles bis ins kleinste Detail beschrieben wird, sondern auch ein Teil der Fantasie überlassen wird.

Was macht in deinen Augen Romanfiguren zu gelungenen Figuren?

Wenn sie glaubhaft sind und keine austauschbaren Abziehbilder. Sie brauchen Stärken und Schwächen, einen echten Charakter. Ihre Handlungen müssen außerdem nachvollziehbar sein, sie brauchen ein Umfeld, eine echte und lebendige Biografie. Das kostet Zeit und braucht eine gute Vorbereitung.

Willst du uns deine Meinung dazu verraten, ob ein Roman unbedingt sympathische Figuren braucht?

Das kommt auf das Buch und die Geschichte darauf an. Hannibal Lector ist nicht gerade ein Sympathieträger, aber eine faszinierende Figur. Natürlich identifiziert man sich mit einer sympathischen Figur leichter. Aber so wie es auf der Welt nicht nur sympathische Menschen gibt, ist es auch in Ordnung, dies in unsere Erzählungen zu tragen. Krimis stellen ja in der Regel keine heile Welt dar, sondern erzählen von Unordnung, von Verbrechen, vielleicht von Gewalt. Und gute Krimis erzählen davon, was Menschen zu Verbrechen antreibt, sie kriminell werden lässt. Das schließt eigentlich Unsympathen mit ein. Außerdem hat jeder Mensch auch eine dunkle, eine verborgene Seite, ein Geheimnis, eine Eigenschaft oder einen Tick. Wenn wir diese dunklen Flecken herausarbeiten, haben wir spannende und interessante Charaktere. So bekommen vielleicht Unsympathen sympathische Züge und Everybodys Darling hat plötzlich keinen Heiligenschein mehr. Und plötzlich erscheinen Ereignisse vielleicht in einem ganz anderen Licht.

Woraus entwickelst du die Ideen für deine Geschichten?

Die ergeben sich aus Dingen, über die ich lese, von denen ich höre. Eigentlich liegen die Geschichten auf der Straße, stehen in der Zeitung. Man muss nur mit offenen Augen und neugierig durch die Welt gehen. Nächstes Jahr erscheint zum Bei-spiel ein regional in Fellbach angesiedelter Krimi von mir, in dem es um eine Bestatterin geht, auf deren Tisch plötzlich ihr Ex-Lover liegt. Sie glaubt nicht an eine natürliche Todesursache und ermittelt. Der Anstoß dazu kam durch mehrere Zeitungsberichte über eine Bestatterin, die ihre Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Dann habe ich recherchiert und hatte meine Story.

Bei einem deiner nächsten Projekte spielt das »Hotel Silber« eine zentrale Rolle. Kannst du uns schon etwas über den Roman verraten?

Das Hotel Silber war im 2. Weltkrieg die Zentrale der Gestapo in Stuttgart. Nach dem Krieg wurde dort die Stuttgarter Kriminalpolizei angesiedelt und neu aufgebaut. Dort mussten und haben dann teilweise Täter und Opfer zusammengearbeitet. Also ehemalige Inhaftierte stießen teilweise auf ihre früheren Peiniger, soweit diese dem Entnazifizierungsprozess entgangen sind. So wurden in dem einstigen Hotel, in dem später gefoltert und gemordet wurde, Verbrechen aufgeklärt. Das perfekte Setting für spannende Geschichten. Das fand nicht nur ich, sondern gleich mehrere Verlage, die Interesse am Manuskript haben.

Wie sieht ein Tag im Autorenleben des Kai Bliesener aus? Wie, wann und wie viel schreibst du? Hast du dabei spezielle Rituale?

Rituale habe ich keine. Meist kann ich mir am Vormittag Zeit nehmen zu schreiben, da ich in einem Kulturbetrieb arbeite und dort eher später angefangen wird. Wenn eine Abgabe näherkommt, dann wird natürlich auch am Abend oder in der Nacht geschrieben.

Entstehen deine Geschichten im Voraus »am Reißbrett«, oder schreibst du »drauflos« und lässt den Worten ihren Lauf? Warum hältst du deine Vorgehensweise für die Richtige?

Ich habe beides schon praktiziert. Und richtig oder falsch gibt es meines Erachtens nicht. Jeder hat seine Herangehensweise. Für mich habe ich festgestellt: Je besser ich vorplane, desto leichter geht das Schreiben von der Hand. Allerdings war es bisher immer so, dass der Schreibprozess zwischendurch Purzelbäume geschlagen hat, sich Handlungsstränge oder Personen doch anders entwickelt haben, als ich es vorhatte. Aber meine zuvor aufgebaute Grundstruktur hat dann immer geholfen, wieder in die Bahn zu kommen und den Faden nicht zu verlieren.

Vielen Dank für das Interview. Ich freue mich schon auf unsere gemeinsame Lesung am 16. Juni in Stuttgart-Feuerbach.

Sehr gerne. Das wird bestimmt ein spannender und toller Abend.

www.kaibliesener.de
Insta: @kbliesener71
https://www.facebook.com/kai.bliesener