Krimi-Talk mit dem Autor Burkhard Wetekam

Burkhard Wetekam. Foto: © Werner Musterer

Was ist dir bei deinen Krimis besonders wichtig?

Die etwas abgedroschene Antwort lautet: Eine spannende, schwer vorhersehbare Handlung mit originellen Charakteren und Themen, die Menschen interessieren. Die ganz subjektive Antwort lautet: Ich selbst möchte das Buch auch nach fünf oder zehn Jahren noch gerne in die Hand nehmen und daraus lesen können.

Ich finde deine Antwort keineswegs abgedroschen. Mich spricht sie an und ich finde, das gelingt dir durchaus. Welchen Lesern außer mir könnten deine Bücher zusagen?

Ich mag schon die etwas komplexeren Plots und ich schätze aktuelle gesellschaftliche Themen. Daraus könnte man vielleicht ableiten, dass Leserinnen und Leser gerne mitdenken dürfen und gerne einen wachen Blick für unsere heutige Welt haben dürfen. Aber das haben ja eigentlich fast alle, die Bücher lesen, oder?

Bisher habe ich drei deiner Kriminalromane gelesen. Automatisch fragte ich mich, ob es in deinem Leben ein Vorbild für Clara gibt?

Warum fragst du ausgerechnet nach Clara?

Weil sie die widersprüchlichste und insofern spannendste Figur ist.

Ja, Clara ist eine Herausforderung. An ihr finde ich wichtig, dass sie zunächst eher unauffällig wirkt und sich vor allem gegenüber Sylke zurückgesetzt fühlt, sie dann aber immer wieder eine große Stärke zeigt. Interessant ist auch, dass sie über die ersten drei Bücher hinweg mehr und mehr zu ihrer Rolle als Künstlerin findet. Im vierten Krimi habe ich ihr »freigegeben«, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie bei einem möglichen fünften Band auf noch einmal ganz neue Weise in Erscheinung tritt. Grundsätzlich finden sich in den meisten Figuren wohl Eigenschaften von Menschen, denen ich irgendwann mal begegnet bin. Aber keine der wichtigen Figuren hat ein unmittelbares Vorbild.

Wieviel von dir steckt in Tom?

Ein Teil seiner Art, die Welt wahrzunehmen, ist meiner ähnlich. Aber biografisch gibt es wenige Gemeinsamkeiten. Anfangs musste ich mir Mühe geben, mich beim Schreiben nicht zu sehr mit ihm zu identifizieren. Inzwischen ist das nicht mehr so, er ist sozusagen als Figur erwachsen geworden. Das ist überhaupt eine sehr spannende Sache: Ich habe das Gefühl, dass die Figuren, die mich mittlerweile seit Jahren begleiten, ihren ganz eigenen Willen haben. Ich muss nicht lange darüber nachdenken, wie sie in dieser oder jener Situation handeln – die Figuren sagen es mir.

Was macht in deinen Augen Romanfiguren zu gelungenen Figuren?

Kommt auf ihre jeweilige Funktion an. Bei zentralen Figuren sollten Leserinnen und Leser das Gefühl haben, dass diese Figuren leben. Erfahrungen, Gefühle und innere Konflikte, die glaubwürdig wirken, spielen eine wichtige Rolle. Interessant finde ich die Frage, ob ein Buch unbedingt sympathische Figuren braucht, mit denen man sich identifizieren kann. Die meisten meiner Figuren haben ihre speziellen Defizite und kommen offenbar zeitweise auch unsympathisch rüber. Eine Figur, die im Roman nur herumläuft, weil sie aus dramaturgischen Gründen benötigt wirkt, ist sicher nicht das Ziel. Nebenfiguren dürfen aber auch mal Typen sein, mit markanten, vielleicht auch übertriebenen Macken.

Willst du uns deine Meinung dazu verraten, ob ein Roman unbedingt sympathische Figuren braucht?

Sympathie ist ja subjektiv. Für mich persönlich braucht ein Roman keine sympathische Figur. Was ich aber wichtig finde, ist, dass es Figuren gibt, die Empathie auslösen können, deren Gefühle, Konflikte oder deren Lebenssituation mich interessieren. Dazu muss sie mir aber nicht unbedingt sympathisch sein. Ich würde da zwischen Empathie und Sympathie deutlich unterscheiden.

Woraus entwickelst du die Ideen für deine Geschichten?

Ich lasse mich vor allem von der Landschaft und den Schauplätzen inspirieren, von den Themen, die für die Region nach meiner Wahrnehmung prägend sind. Außerdem greife ich gern auf aktuelle gesellschaftliche Konflikte zu. Das ist nicht ganz ohne Risiko, weil es passieren kann, dass die Realität die Handlung locker überholt und im Negativen überbietet. Wenn mir klar ist, um welchen Grundkonflikt es gehen soll, dann taste ich mich langsam an die Figuren und die Einzelheiten der Handlung heran. Dabei bleibe ich immer im engen Kontakt mit den Schauplätzen.

Wie sieht ein Tag im Autorenleben des Burkhard Wetekam aus? Wie, wann und wie viel schreibst du? Hast du dabei spezielle Rituale?

Es gibt unterschiedliche Phasen. Bei der Konzeption eines Krimis bin ich recht flexibel und kann da auch gut ganz unregelmäßig arbeiten. Viele Ideen kommen mir beim Fahrradfahren. Die notiere oder diktiere ich dann unterwegs. Wenn mir die Handlung klar ist, reise ich an den Schauplatz, mache viele Fotos und »durchlebe« den Krimi vor Ort. Bei der Feinarbeit am Manuskript versuche ich regelmäßig jeden Tag mindestens zwei Stunden konzentriert und ohne Störung zu arbeiten, am liebsten vormittags oder am Abend.

Entstehen deine Geschichten im Voraus »am Reißbrett«, oder schreibst du »drauflos« und lässt den Worten ihren Lauf? Warum hältst du deine Vorgehens-weise für die Richtige?

Ich nehme mir viel Zeit für die Entwicklung des Plots und der Figuren. Mein Ideal für Krimis sieht so aus, dass ich einen kompletten Plan ausarbeite, der alle Figurenkonflikte, alle Handlungsstränge, alle Schritte der Auflösung und alle Backstorys enthält. Aber Schreiben ist wie das Leben: Es kommt meist anders, als man denkt. Ich finde es auch spannend und vielleicht ist es auch notwendig, dass ein Schreibplan nicht vollständig aufgeht, sondern die Eigendynamik einer Geschichte und vor allem auch der Figuren ihren Raum bekommt. Im letzten Krimi haben sich da beispielsweise zwei Nebenfiguren massiv in den Vordergrund gespielt. Das hat mich überrascht und fasziniert.