Ein Mordanschlag verändert alles: »Sag du es mir«

Gisa Flake spielt Silke, die von einer Havel-Brücke gestoßen wird. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz

In Potsdam ist ein kleines Mädchen verschwunden. Nicht nur die Polizei sucht nach ihr, auch um Hinweise aus der Bevölkerung wurde gebeten. Als Silke (34 Jahre, gespielt von Gisa Flake) sich über das Geländer einer Havel-Brücke beugt, weil sie glaubt, etwas Sachdienliches gesehen zu haben, wird sie von einem Mann in die Havel gestoßen. Bei so einem Sturz kann man sich das Genick brechen, wenn man dumm im Wasser landet, erfahren wir später. Silke ist zum Glück mit dem Schrecken und einer Halskrause davongekommen. Die Polizei ermittelt, hat aber nicht wirklich Anhaltspunkte, die auf den Täter hinweisen würden – vielleicht ein Betrunkener?

Trotzdem hat dieses Ereignis eine einschneidende Wirkung für Silke und ihre Schwester Moni (38 Jahre, Christina Große), die es zum Anlass nimmt aus Mallorca zurückzukommen, wohin sie vor 22 Jahren mit ihrer Mutter ausgewandert ist. Sie will ihre kleine Schwester, zu der sie lange keinen direkten Kontakt hatte, beschützen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Schnell hat sie den Bruder eines Arbeitskollegen im Visier, der Silke angeblich vorgeworfen hat, nichts unternommen zu haben, um den Selbstmord seines Bruders zu verhindern. Und so wird der erste Teil des Films aus der Sicht von Moni erzählt, die dem Täter dann zusammen mit ihrer Schwester eine gehörige Abreibung verpasst.

Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit der Sicht des Täters René (38 Jahre, Marc Benjamin Puch), der sich nicht erklären kann, warum er diese Tat begangen hat und der sich nun verzweifelt auf die Suche nach sich selbst begibt. Gleichzeitig erkennt der Zuschauer klar, dass es zwischen den beiden Sichten gewisse Differenzen gibt.

Als dann schließlich auch noch die Perspektive von Silke hinzukommt, wird vollends klar, dass hier viele Lügen und hintergründige Täuschungen im Spiel sind und die Geschichte, die anfangs völlig klar erschien, so nicht stimmen kann, dass es eigentlich um ganz andere Dinge geht. Alle drei Personen werden durch diesen Anschlag aus ihrem normalen Leben herausgerissen und beginnen erstmalig aktiv zu werden, sowohl was ihr eigenes Sein als auch ihre Beziehungen zu anderen betrifft. Insbesondere die Annäherung der beiden Schwestern wird filigran dargestellt. Wer ist für wen verantwortlich und wer braucht wen und warum? Der Film stellt diese Findungsprozesse dar, indem er die unterschiedlichen Wahrheiten der Beteiligten und Ihre Versuche, das Leben zu begreifen, darstellt, was teilweise auch sehr humorvoll rüberkommt.

Diese verschachtelte Erzählweise macht den Film unheimlich spannend, da der Zuschauer die Geschichte im Kopf immer wieder revidieren und aus einer anderen Perspektive würdigen muss. Das ist eine Besonderheit der Filme von Regisseur und Drehbuchautor Michael Fetter Nathansky, der im Filmgespräch zur Weltpremiere des Films auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen erzählte, dass er es liebt, sehr viele Varianten eines Drehbuchs zu schreiben, die sich dann sehr unterscheiden, und beim Schreiben in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen und die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Der erste Langfilm des Regisseurs Michael Fetter Nathansky, der für »Gabi«, seinen ersten Kurzfilm, bereits den Deutschen Kurzfilmpreis 2017 erhielt, beeindruckte nicht zuletzt auch durch die gewaltigen Bilder, z.B. vom Schiffshebewerk Niederfinow, bei dem Silke in dem Film arbeitet.

Kamera: Leander Ott, Schnitt: Camila Mercadal, Szenenbild: Jonathan Saal, Musik: Marcus Sander, Ton: Robert Niemeyer ProduzentInnen: Jasper Ph. Mielke, Karoline Henkel, Arto Sebastian, Ko-Produzenten: Virginia Martin, Anna-Sophie Philippi, Michael Fetter Nathansky, Redaktion: Verena Veihl

Christina Große spielt die Schwester Moni und fühlte sich schon beim ersten Castig sehr schwesterlich mit Gisa Flake verbunden, wie sie im Filmgespräch erzählte. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Marc Benjamin Puch musste in dem Film bei gefühlten 70°C ein dickes Bärenkostüm tragen. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Walid Al-Atiyat freut sich, dass Regisseur Michael Fetter Nathansky sich getraut hat, ihn, den Jungen mit Migrationshintergrund aus Neukölln, in dem Film Dennis zu nennen. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Regisseur und Dehbuchautor Michael Fetter Nathansky liebt es, mehrere Varianten eines Drehbuches zu schreiben. Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz
Waren alle zur Weltperemiere des Films mitgekommen: Christina Große, Marc Benjamin Puch, Camila Mercadal (Schnitt), Anna-Sophie Philippi (Ko-Produzentin), Michael Fetter Nathansky, Virginia Martin (Ko-Produzentin), Karoline Henkel (Produzentin), Walid Al-Atiyat, Gisa Flake, Jonathan Saal (Szenenbild), Julia Kneusels (Kostüm). Foto © Jürgen Schmid, Kriminetz