Murot und Wächter warten am Frankfurter Flughafen auf einen gesuchten Kriegsverbrecher, der nach Südamerika geflohen war. Murot war zwar schon mal auf dessen Spur, aber Hagen von Strelow gelang es, abzuhauen. Der Film entführt uns im weiteren Verlauf zurück ins Jahr 1944.
Es war ziemlich spannend, wie der Hessische Rundfunk die Murot-Reihe fortführen würde, nach all den ungewöhnlichen, darunter mehrfach preisgekrönten Folgen wie Im Schmerz geboren (Drehbuch: Michael Proehl). Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Es entstand ein völlig neuer „Murot“, nach dem Drehbuch von Michael Proehl und Dirk Morgenstern und der Regie von Matthias X. Oberg. Michael Proehl war schon mit mehreren Filmen auf der Parkinsel zu Gast, 2016 wurde er für seine umfangreiche Arbeit an zahlreichen, herausragenden Filmwerken mit dem Ludwigshafener Drehbuchpreis ausgezeichnet.
Zurück zum Film: Im Jahr 1944 führen der stramme Nationalsozialist von Strelow (Ludwig Simon) und Oberst Rother in einem kleinen Dorf in der Nähe von Frankfurt eine Mordermittlung durch. In dem Dorf sind sie gelandet, weil ihr Auto liegenblieb, was Rother so kommentiert. „Unser Wagen ist soviel Landluft nicht gewohnt.“ Einige im Dorf haben Schüsse gehört.
Ein britischer Pilot hat den Absturz seines Flugzeuges überlebt. Er hatte hochbrisante Papiere bei sich. Oberst Rother (Ulrich Tukur) tut alles dafür, die Unterlagen des Spions nicht in die Hände der Nazis fallen zu lassen. Darin stehen nämlich die Details für die Landung der Alliierten in der Normandie. Rother ist kriegsmüde, raucht Opium und hat ein Auge auf die Köchin geworfen, die von Barbara Philipp gespielt wird. Eigentlich war sie Ärztin in Frankfurt, aus gutem Grund ist sie in dem kleinen Dorf untergetaucht, „einer friedlichen Oase in einem vom Krieg gebeutelten Land“. Als Rother mit der Köchin im Wald flaniert, entdecken die beiden vier tote Feldjäger sowie einen an das Auto geketteten Wehrmachtler, der eigenmächtig zwei Desserteure erschossen hat. „Deshalb sind Sie auf dem Weg nach Franfurt, wo entschieden wird, ob Sie ein Held sind oder ob sie nicht mehr alle Tassen im Schrank haben“, resümiert Rother.
Währenddessen liegt der englische, nein, nicht Patient, sondern Pilot, tot in einer Kapelle, wo ihn der Schmied fand, der auch schon das kaputte Auto Rothers abschleppte. Zur Klärung des Falles bestellt Rother das gesamte Dorf ins Gasthaus ein und Ulrich Tukur, der ja auch noch als Musiker mit seiner Band „Die Rhythmus Boys“ unterwegs ist, erhält die Gelegenheit zu einer schrägen Gesangseinlage am Klavier, wobei Hitlers Lieblingsblumen besungen werden. Und allerspätestens hier fragt man sich, auf welcher Seite Rother eigentlich steht. Der historische Teil des Films endet metaphorisch im Schlachthaus.
Waren im Filmzelt die ersten drei Reihen für die über 70 Gäste reserviert, nahm zum Publikumsgespräch natürlich lediglich ein kleine Auswahl stellvertretend für die Filmcrew auf der Bühne im Gesprächszelt Platz: Die beiden Drehbuchautoren Dirk Morgenstern und Michael Proehl, die Schauspieler Cornelius Obonya und Ulrich Tukur, Schauspielerin Barbara Philipp, Regisseur Matthias X. Oberg, HR-Redakteur Jörg Himstedt und Moderator Rüdiger Suchsland.
Zunächst erzählte Michael Proehl von der Entstehung der Idee zum Film und dass er bereits vor einigen Jahren mit dem Pitch Paper ein Stipendium gewann. Er wollte für diesen Film eine ambivalente Hauptfigur, der von Ulrich Tukur verkörperte Ermittler Rother ist Held und Bösewicht zugleich. Erst durch die Abschlussszene wird der Film wieder zum Murot-TATORT.
Cornelius Obonya ist im Film der Philosophie-Professor, der mit der „falschen“ Frau verheiratet war. Dies macht er mit seiner strammen Gesinnung wieder wett. „Wo beginnt das Wegschauen? In dem Moment, wo man bestimmten Parteien seine Stimme gibt, passiert das, was im Film gezeigt wird.“ Schauspielkollege Ulrich Tukur führt aus, „1933 ist ein gewaltiger Kulturbruch mit gigantischen Folgen passiert“, was die Frage aufwarf: „Wer verhält sich anständig, wie kommt man da anständig durch?“
In weiteren Rollen sind André Meyer, Melanie Straub, Viola Hinz, Imogen Kogge und Marius Ahrendt zu sehen. Für die Umsetzung des Stoffes sorgten Max Preiss (Kamera), Manfred Döring (Szenenbild), Christian Mathias (Ton), Stefan Blau (Schnitt), Iris Arasimavicius (Kostümbild) und Nathalie Mischel (Casting). Die Produktionsleitung hatte Ulrich Dautel, die Redaktion lag bei Jörg Himstedt. Die Filmmusik (Simon Rummel, Bertram Denzel) wurde vom Sinfonie-Orchester des HR gespielt. Wohl zum letzten Mal, denn dies war die letzte Eigenproduktion des HR. Die Dreharbeiten für die weiteren Folgen wurden outgesourct.
Wer sich für den Drehort interessiert, an dem Kameramann Max Preiss wunderbar passende Bilder zur dargestellten Zeit gelangen, wird an das Freilichtmuseum „Hessenpark“ verwiesen, wo auch das historische Gasthaus steht.
Ein Film zur rechten Zeit in hervorragender Besetzung, dem man überzeugt ein breites Publikum wünscht.
„Murot und das 1000-jährige Reich“ ist für den Rheingold Publikumspreis 2024 nominiert und beim Festival des deutschen Films nochmals am 26. und 30. August sowie am 3. September zu sehen. .
Das Gesamtprogramm des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein ist online zu lesen.
Als Sendetermin in der ARD ist Sonntag, der 20. Oktober 2024, 20.15 Uhr geplant.