Murot und das Prinzip Hoffnung

Geballte Frauenpower auf dem roten Teppich zu »Murot und das Prinzip Hoffnung«. Links beginnend: Karoline Eichhorn, Lisa Charlotte Friederich, Friederike Ott und Barbara Philipp. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Wie nicht anders zu erwarten ist auch der neueste Murot-TATORT aus Hessen wieder ungewöhnlich. Es war spannend, womit der Hessische Rundfunk dieses Mal aufwarten würde. Und man wurde tatsächlich nicht enttäuscht! Beim 17. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein wurde »Murot und das Prinzip Hoffnung« präsentiert. Murot (Ulrich Tukur). wird als ehemaliger Student eines Philosophie-Professors gezeigt, dessen Lieblingsstudent mit Familienanschluss er sogar während der vier Semester war, bevor er sein Studium abbrach und sich für den Polizeidienst entschied. Die drei Kinder seines Profs erinnern sich noch sehr gut an ihn, vor allem die ältere der beiden Töchter, die ihn damals, selbst an der Schwelle zum Erwachsen werden, anhimmelte. Den durchgeknallten Sohn spielt genial – wie könnte man diese Rolle auch anders besetzen – Lars Eidinger.

Der Professor ist das dritte Mordopfer einer Reihe. Allesamt wurden sie durch einen Genickschuss getötet. Bei ihm findet sich Blochs Buch »Das Prinzip Hoffnung«. Ein besondere Note erhält das Sehen des Films auf der Ludwigshafener Parkinsel durch die räumliche Nähe zu dem Haus in Ludwigshafen, einer ehemaligen Direktorenvilla, in dem heute zur Erinnerung an Ernst Bloch, der in der Stadt geboren wurde, das Ernst-Bloch-Zentrum untergebracht ist.

Murot, dem die Morde persönlich angekündigt werden, ist sich sicher: »Da draußen ist jemand, der nicht an Regeln glaubt.« Sein ehemaliger Philosophie-Professor, der seine letzte Zeit trotz Villa und nicht unbeachtlichem Vermögen auf der Straße verbrachte, war »der Star in der Frankfurter Schule. Bevor sie die Banken hochgezogen haben und es plötzlich um andere Werte ging … Muthesius zeigte uns das Prinzip Hoffnung. Das war wunderbar.«

Neben der verlassenen Villa des Professors liegt die bizarre Villa von Franziska von Mierendorf, gespielt von der großartigen Angela Winkler. Die Familien waren befreundet, haben sich dann aber in ihrem Blick auf die Welt auseinander entwickelt. Der Nachbar »war Teil jener Rechten, die hervorragende Argumente zu haben schienen.« Vor allem der Sohn der von Mierendorfs ist eine Frucht dieser Entwicklung, er hat bereits eine Anzeige wegen Volksverhetzung kassiert. »Haben Sie seine Augen gesehen? Dahinter ist keiner zuhause.« Frau von Mierdendorf lässt den KommissarInnen beim Abstauben Botschaften in Form von Buchtiteln zukommen. »Der Mensch ist des Menschen Wolf – oder: Was ist für mich drin?«

Muthesius Frau hat Suizid begangen. Die älteste Tochter Inga, überragend gespielt von Karoline Eichhorn, ist Therapeutin, immer wieder spielt die von ihr angewandte Familienaufstellung eine Rolle. Der Sohn, der einst Blutsbruder des Nachbarjungen war, ist durchgeknallt und die jüngste Tochter hat sich mit Hingabe einer Kirche zugewandt. Sie ist laut Testament die alleinige Erbin von Vaters Vermögen.

Und dann wähnt man sich kurz vor der Auflösung plötzlich in Hitchcocks Verfilmung des Highsmith-Romans »Zwei Fremde im Zug«. Aber mehr sei an dieser Stelle nicht verraten!

Das Drehbuch stammt von Martin Rauhaus, der 2013 mit dem Drehbuchpreis des Festivals für »Adieu Paris« ausgezeichnet wurde. Und er zeigt wieder, dass er weitaus mehr kann als das gefällige »Hotel Heidelberg«, wo eindeutig die Stadt am Neckar mit ihrer prächtigen Kulisse die Hauptrolle innehatte und er für einige Folgen der Reihe das Drehbuch schrieb. Das bewies er neben anderen Filmen, für die er das Drehbuch schrieb, schon mit „Winterreise«. Regie führte beim neuen Murot-TATORT Rainer Kaufmann. Neben Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Lars Eidinger und Karoline Eichhorn sind in weiteren Rollen Friederike Ott, Angela Winkler, Christian Friedel, Therese Hämer und Eray von Egilmez zu sehen.

Im sich an die Vorführung auf der Parkinsel anschließenden Filmgespräch äußerten alle Anwesenden, dass die Dreharbeiten, die zu Hochzeiten von Corona stattfanden und immer wieder durch Quarantäne unterbrochen werden mussten und daher auch über einen Zeitraum von circa acht Wochen erstreckten, trotz situationsbedingt blankliegender Nerven durch eine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit und eine tolle Arbeitsatmosphäre gekennzeichnet gewesen sei. Irgendwie sei das Team in einer ähnlichen »Bubble« gewesen, wie die Personen im Film, meinte Barbara Philipp. Allerdings sei sie beim Lesen des Buches schon etwas pikiert darüber gewesen, dass ihre Figur Magda Wächter permanent den Volltrottel geben sollte, die von gar nichts eine Ahnung hat. Sie habe in mehreren langen Gesprächen dafür gekämpft, dass die Figur doch wesentlich schlauer sei. Doch nachdem sie den Film nun gesehen habe, sei diese Rolle total richtig und schön und ginge gut auf und sie sei froh, dem Regisseur schlussendlich doch vertraut zu haben.

In der Diskussion, ob dieser Film ein »Tatort« sei, meinte Jörg Himstedt, dass es keine abschließende Definition gäbe, was einen »Tatort« ausmache und dass die Resonanz des Publikums auf die Murot-Tatorte sehr weit auseinandergingen von »Oh Gott, wie schlimm ist das denn« bis zu relativer Begeisterung, was aber ein bisschen der Plan dieser Reihe sei. Die Murot-Tatorte hätten die gesamte Reihe des »Tatorts« verändert und auch bei anderen Tatorten Nachahmer gefunden, wobei die das natürlich nicht so gut hinbekämen.

Die Szene mit dem chinesischen Lieferboten sei von Drehbuchautor Martin Rauhaus in den Diskussionen über das Drehbuch immer wieder als Running Gag eingesetzt worden, wenn er etwas genervt gewesen sei (dass er das gut kann, hat er dem Publikum in Ludwigshafen bewiesen), so dass kurz darüber nachgedacht worden sei, diese Szene tatsächlich mit ihm zu besetzen, was aber schließlich als politisch inkorrekt verworfen worden sei.

FAZIT: »Murot und das Prinzip Hoffnung« erfüllt die besonderen Erwartungen, die man mittlerweile an einen TATORT dieser speziellen Reihe hat und ist unbedingt sehenswert!

Der Sendetermin im Ersten wird noch bekannt gegeben. Beim 17. Festival des Deutschen Films wird er nochmals am Sonntag, 19. September 2021, gezeigt.

Barbara Philipp, im MUROT-Tatort als Magda Wächter dabei. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Friederike Ott ist in ihrer Rolle in »Murot und das Prinzip Hoffnung« die testamentarisch Begünstigte. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Martin Rauhaus schrieb das Drehbuch zu »Murot und das Prinzip Hoffnung«. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Der Hessische Rundfunk kam in Bus-Stärke zur Vorführung von »Murot und das Prinzip Hoffnung« auf die Ludwigshafener Parkinsel. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz
Im Filmgespräch zu »Murot und das Prinzip Hoffnung« (links beginnend): Moderatorin Julia Teichmann, die Schauspielerinnen Karoline Eichhorn und Friederike Ott, Drehbuchautor Martin Rauhaus, Regisseur Rainer Kaufmann, Schauspielerin Barbara Philipp, vom HR als Produzent und Redakteur Jörg Himstedt und Moderator Rüdiger Suchsland. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz