Sieben Fragen an Andreas Stenger

Andreas Stenger ist Polizeipräsident in Mannheim und steht damit einem der größten regionalen Präsidien der Polizei Baden-Württemberg vor. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Andreas Stenger ist Polizeipräsident in Mannheim. Er trat 1981 in den Dienst beim Bundesgrenzschutz ein. 1988 erfolgte der Wechsel zur Polizei Baden-Württemberg. Nach mehreren Stationen beim Polizeipräsidium Mannheim stieg er 1998 in den gehobenen Dienst auf, 2003 nach dem Abschluss des Studiums an der Deutschen Hochschule für Polizei in den höheren Dienst. Ab 2003 arbeitete er als Referent im Innenministerium Baden-Württemberg, Landespolizeipräsidium. Ab 2005 leitete er bei der damaligen Polizeidirektion Heidelberg die Kriminalinspektionen 1 und 4. 2011 wurde er stellvertretender Leiter, 2014 Leiter des Kriminaltechnischen Instituts beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Ab 2018 übernahm er den Posten des Vizepräsidenten beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg.

Zum 1. Mai 2019 trat Andreas Stenger die Nachfolge von Thomas Köber, der in den Ruhestand verabschiedet wurde, als Polizeipräsident von Mannheim an. Das Polizeipräsidium Mannheim entstand zum Beginn des Jahres 2014 aus der Zusammenlegung der Polizeidirektion Heidelberg und des (ehemaligen) Polizeipräsidiums Mannheim im Rahmen der Strukturreform der Polizei Baden-Württemberg.

Für Kriminetz.de beantwortete Andreas Stenger sieben Fragen.

Kriminetz: Die Ernennung zum Polizeipräsidenten von Mannheim ist so etwas wie eine Heimkehr für Sie, da Sie bereits früher hier Ihre Berufstätigkeit ausgeübt haben. Wie groß ist das Gebiet, für welches das Polizeipräsidium Mannheim zuständig ist und von wie vielen Personen sind Sie jetzt – neben all Ihren anderen Aufgaben – Vorgesetzter?

Andreas Stenger: Das heutige Polizeipräsidium Mannheim entstand durch die Zusammenlegung der Polizeidirektion Heidelberg und des damaligen Polizeipräsidiums Mannheim im Rahmen der Strukturreform der Polizei Baden-Württemberg zum 1. Januar 2014. Die im Dienstbezirk des Polizeipräsidiums Mannheim liegenden Verwaltungszentren sind die Stadtkreise Mannheim und Heidelberg sowie der Rhein-Neckar-Kreis mit den großen Kreisstädten Hockenheim, Leimen, Schwetzingen, Sinsheim, Weinheim und Wiesloch. Gemeinsam bilden sie den rechtsrheinischen Teil der Metropolregion Rhein-Neckar, einem der größten Wirtschaftsräume Deutschlands. Die Gesamtfläche des Dienstbezirks beträgt 1.315,51 km², bei einer Bevölkerungsdichte von 771 Personen pro Quadratkilometer. das Polizeipräsidium Mannheim ist insgesamt für die Sicherheit von über einer Million Menschen Metropolregion Rhein-Neckar verantwortlich.

Zum Polizeipräsidium Mannheim gehören die Schutzpolizeidirektion mit insgesamt 17 Polizeirevieren, 27 Polizeiposten, die Polizeihundeführerstaffel, die Einsatzzüge in Mannheim und Heidelberg sowie die Organisationseinheiten der Verkehrspolizei. In Heidelberg hat die Kriminalpolizeidirektion, zu der auch das Kriminalkommissariat Mannheim zählt, ihren Sitz und – last but not least – gehört auch die Verwaltung, die im Wesentlichen für administrative Aufgaben bezogen auf Haushalt und Finanzen, Recht und Datenschutz, die Liegenschaftsverwaltung und das Personalmanagement zuständig ist, zum Polizeipräsidium dazu. Insgesamt bin ich für 2.650 Beschäftigte verantwortlich, damit zählt das Polizeipräsidium Mannheim zu den größten regionalen Präsidien der Polizei Baden-Württemberg.

Kriminetz: Was schätzen Sie selbst besonders an der Metropolregion Rhein-Neckar, die sich mit dem Gebiet der ehemaligen Kurpfalz überschneidet?

Andreas Stenger: In erster Linie sind das natürlich die Menschen, die in dieser besonderen Region leben. Sie sind offenherzig, freundlich, aber auch direkt, authentisch und geradeheraus. Sie sagen unverblümt was sie denken und sind dabei zumeist erfrischend aufrichtig. Weltoffenheit, Toleranz und Liberalität machen die meisten von ihnen liebenswert. Diese Eigenschaften führen dazu, dass man sich rasch heimisch fühlt und die Region nicht mehr verlassen will. Ich selbst bin ja 1988 als Saarländer nach Mannheim gekommen. Und mein Beispiel zeigt exemplarisch, über welch hohe Integrationskraft die Region verfügt. Die besondere, idyllische Landschaft, die reich an kulturellen Attraktionen ist und unendlich viele Freizeitmöglichkeiten bietet, geben der Metropolregion Rhein-Neckar dabei das ganz besondere Flair, das es mir sehr angetan hat.

Kriminetz: Sie waren während einer Station Ihrer Laufbahn Leiter des Kriminaltechnischen Instituts beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Existiert ein Museum über frühere Ermittlungstechniken?

Andreas Stenger: Beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg gibt es im Foyer eine ständige Ausstellung zur Kriminalitätsbekämpfung. Darin werden viele Exponate präsentiert, die zeigen, wie sich die Ermittlungstechniken kontinuierlich entsprechend dem technischen Fortschritt weiterentwickelt haben. Beim Kriminaltechnischen Institut gibt es zudem viele Schaukästen, die eindrucksvoll belegen, wie dank der Naturwissenschaften und mit Hilfe des allgemeinen wissenschaftlich-technischen Fortschritts sich die moderne Forensik und Kriminaltechnik im Laufe der Dekaden fortentwickelt haben. Mit ihren innovativen und vielfältigen Methoden und mit einer hochwertigen apparativen Ausstattung hat die moderne Kriminaltechnik die Verbrechensbekämpfung geradezu revolutioniert. Vor allem die Kriminaltechnik liefert heute oftmals einen objektiven Sachbeweis auf einem Qualitätsniveau, der es ermöglicht, auch die kniffligsten Kriminalfälle aufzuklären.

Kriminetz: Verschieben sich in digitalisierten Zeiten die Verbrechen mehr in Richtung Cyber-Kriminalität? Aufgrund moderner Ermittlungsmethoden wird es schwieriger, nach althergebrachter Manier kriminell zu sein. Beispielsweise verlieren Menschen ständig Hautschüppchen, die ihr oder ihm mittels DNA-Analyse zugeordnet werden können, sofern die Daten in einer Datenbank hinterlegt sind. Ganz zu schweigen von der Gesichtserkennung durch Algorithmen auf den Bildern von Überwachungskameras. Da scheint es für Kriminelle „sicherer“ zu sein, etwa mit Hilfe von Ransomware Bitcoins zu erpressen?

Andreas Stenger: Eine Verschiebung von Straftaten hin zur Cyberkriminalität lässt sich in der Tat in den letzten Jahren parallel zu der digitalen Transformation unserer Gesellschaft feststellen, auch wenn vor allem in der digitalen Welt das Dunkelfeld besonders hoch zu sein scheint. Krimielle entdecken den Cyberraum als gewinnbringendes Aktionsfeld mit guter Tatgelegenheitsstruktur und geringem Entdeckungsrisiko. Konsequenterweise verlagern sie auch ihre kriminellen Machenschaften zunehmend von der analogen in die Cyberkriminalität mit all ihren Facetten. Die Gefahren der Cyberkriminalität werden aber dennoch häufig noch unterschätzt. Dabei machen Cyberkriminelle nicht an Landesgrenzen oder vor verschlossenen Türen Halt. Überall, wo Menschen Computer, Smartphones und andere IT-Systeme benutzen – in Firmen, Behörden, Universitäten, zu Hause oder von unterwegs, überall dort entstehen auch Tatgelegenheiten. Die Täter können von jedem Ort der Welt agieren. Das Risiko Opfer einer Straftat in der digitalen Welt zu werden, ist besonders groß. Bereits mit dem Einschalten des Rechners oder Mobiltelefons ist immer damit zu rechnen, Opfer eines Angriffs zu werden. Deshalb nehmen Cyberattacken seit Jahren weiter zu, werden immer gefährlicher und verursachen höhere Schäden. Auch ohne Prophet sein zu wollen, lässt sich vorhersagen, dass mit der fortschreitenden Digitalisierung die prosperierende Cyberkriminalität eine zunehmend große Herausforderung darstellen wird und in der polizeilichen Ermittlungsarbeit einen stetig größer werdenden Raum einnimmt.

Kriminetz: Als „Chef vom Ganzen“ haben Sie längst andere Aufgaben als selbst zu ermitteln. Würden Sie manchmal die detektivische Arbeit und das Erfolgserlebnis eines Ermittler-Teams reizen?

Andreas Stenger: Ja, und wie! Schließlich bin ich unabhängig von meiner jeweiligen Funktion tief im Inneren meines Herzens immer ein Kriminalist geblieben. Besonders spannend fand ich deshalb meine Zeit als Leiter des Kriminaltechnischen Instituts beim Landeskriminalamt. In nahezu allen spektakulären Tötungsdelikten in Baden-Württemberg war das Kriminaltechnische Institut mit seiner Expertise gefordert. Das war zumeist eine detektivische Arbeit auf höchstem Niveau. Es ist und bleibt für mich ein tolles Erfolgserlebnis, wenn es gelingt, den entscheidenden Beweis in den materiellen Tatortspuren zu finden, der es ermöglicht, den Täter später zu überführen. Das Arbeiten in interdisziplinären Teams, das Ermitteln zusammen mit Wissenschaftlern, Sachverständigen, Fallanalysten und weiteren Experten hat mich gefordert, beeindruckt und oft überzeugt. Wenn es gelingt, dank neuester Methoden der forensischen Wissenschaft einen Verbrecher zu überführen, dann sind diese Ermittlungserfolge besonders motivierend und mit Blick auf mein berufliches Selbstverständnis sinnstiftend. Wenn sich mir heute die Gelegenheit bietet, schalte ich mich noch gerne in die Ermittlungsarbeit unmittelbar ein. Ich gehe meist immer noch persönlich an die Tatorte, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen und meine Erfahrungen einzubringen. Auch bei den Besprechungen der Sonderkommissionen bin ich – wann immer es geht – gerne anwesend, um mit zu diskutieren. Eigenes kriminalistisches Denken, gemeinsam mit meinen Expertinnen und Experten der Kripo die Handlungsabläufe eines Verbrechens systematisch zu analysieren, um so Täterverhalten zu rekonstruieren und möglichst konkrete Ansatzpunkte für die Ermittlungen abzuleiten, sind für mich immer noch das Salz in der Suppe und oftmals auch Erfolgserlebnisse. Auch wenn das nicht mehr mein Kerngeschäft als Polizeipräsident ist, kann und will ich nicht auf das Mitwirken an den Ermittlungen in exponierten Fallkonstellationen verzichten. Schließlich mache ich das seit nunmehr über 35 Jahren.

Kriminetz: Was liegt Ihnen in Ihrer Funktion als Polizeipräsident besonders am Herzen?

Andreas Stenger: Ich arbeite zur Lösung komplexer Probleme gerne mit kreativen Teams und mit Experten eng und vertrauensvoll zusammen. Mir ist eine Atmosphäre wichtig, die den kritischen Diskurs und auch Konflikte zulässt. Die konstruktive Auseinandersetzung muss erlaubt sein, nur unter diesen Rahmenbedingungen sind progressive Prozesse und Entscheidungen überhaupt möglich. Persönlich will ich vorangehen, entscheiden, gut repräsentieren und das Polizeipräsidium Mannheim optimal in der Sicherheitsarchitektur des Landes Baden-Württemberg mit viel Renommee und höchster Reputation platzieren. Mittelmaß stört mich, ich will mit hoher Qualität Top-Leistung generieren, die dazu führt, dass unsere Partner in den Städten und Kommunen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger mit Ihrem Polizeipräsidium Mannheim extrem zufrieden sein können. Mein Anspruch ist es, etwas zu bewegen, zu gestalten, innovativ zu sein und auch mal unkonventionelle Wege zu gehen. Diesen Anspruch erwarte ich auch von den mir anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wenn es mir dabei noch gelingt, ein Klima innerhalb der Behörde zu schaffen, das eine hohe Zufriedenheit der Beschäftigten gewährleistet, dann bereitet mir die Arbeit große Freude und schafft auch bei mir ganz persönlich ein Höchstmaß an Zufriedenheit.

Kriminetz: In Ihrer Freizeit fahren Sie gerne mit dem Rennrad – bleibt da noch Zeit zum Lesen?

Andreas Stenger: Ja, das Lesen ist meine zweite Leidenschaft. Die Bettlektüre ist für mich obligatorisch. Auch im Urlaub gehören gute Bücher für mich zwingend dazu. Sehr gerne auch Krimis, und darunter besonders diejenigen, die in der Metropolregion Rhein-Neckar spielen, denn mir gefällt der örtliche Bezug.

Das Lesen ermöglicht mir eine mentale und auch körperliche Entspannung. Einfach mal abschalten, alles vergessen, eintauchen in eine gute und spannende Geschichte. Während des Lesens erfahre ich oft Momente der Ruhe, das ist ein guter Ausgleich zu einem anstrengenden Arbeitstag. Ich bin ein passionierter Leser mit einer besonderen Leidenschaft für den Kriminalroman. Gerne auch Romane von Ingrid Noll, Claudia Schmid, Walter Landin oder Harald Schneider, um nur einige der renommierten Krimiautorinnen und Krimiautoren der Region zu nennen, die mir besonders gut gefallen.

Kriminetz: Vielen Dank, Andreas Stenger, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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