Sieben Fragen an Anne-Kathrin Koppetsch

Das Foto zeigt Anne-Kathrin Koppetsch.

Die Schriftstellerin Anne-Kathrin Koppetsch ist studierte Theologin. Das schimmert auch in den Titeln ihrer Bücher durch. Ihr erster Kriminalroman hieß „Blei für den Oberkirchenrat“, dem ließ sie den „Blues im Pfarrhaus“ folgen. Mit „Der Himmel drückt ein Auge zu“ veröffentlichte sie bei Knaur einen Liebesroman. Ihre historischen Kriminal-Romane um die junge Pastorin Martha Gerlach erscheinen im Kölner Emons-Verlag.

Aufgewachsen ist Anne-Kathrin Koppetsch im idyllischen Sauerland, wo sie 1963 geboren wurde. Lebensstationen führten sie über Münster, Tübingen, Heidelberg, Jerusalem und Berlin nach Dortmund, wo sie seit dem Jahr 2000 lebt. Viele Jahre war sie als Pfarrerin zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Dortmund-Mitte-Nordost. Seit August 2012 wirkt sie in der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde.

Für Kriminetz beantwortete Anne-Kathrin Koppetsch sieben Fragen.

Kriminetz: In deinen jüngsten Kriminalromanen ermittelt die Pastorin Martha Gerlach im Ruhrpott der sechziger Jahre. Seit wann gibt es denn überhaupt Pastorinnen in Deutschland?

Anne-Kathrin Koppetsch: Theologie studieren können Frauen seit Anfang des 20. Jahrhunderts. In den kirchlichen Dienst eingesegnet wurden Theologinnen ab 1930, ABER: sie führten nicht den Titel Pastorin, sondern wurden Vikarin genannt - auf deutsch: Stellvertreterin. Die Bezahlung war schlechter und sie hatten nicht dieselben Rechte wie die männlichen Amtsbrüder. Ab 1964 gab es in der westfälischen Kirche Pastorinnen. Allerdings mit Einschränkungen, die Gravierendste: mit der Eheschließung mussten die Theologinnen den Dienst quittieren. Es galt vorübergehend das Zölibat für Pastorinnen. In dieser Zeit wirkt übrigens meine Protagonistin Matha Gerlach. Seit 1974 sind westfälische Pfarrerinnen gleichberechtigt. Wir feiern in diesem Jahr also ein Jubiläum.

Kriminetz: Wie kam Martha Gerlach zu dir? Wie hat sie sich in deinen Kopf geschlichen?

Anne-Kathrin Koppetsch: Während eines Interviews! Ich sprach vor einigen Jahren mit Renate Krull, die 1965 als erste Pastorin in eine Dortmunder Gemeinde gewählt worden war. Als sie erzählte, sprang in meinem Kopf das Kino an. Besonders die verschnupften Reaktionen einiger Amtsbrüder entlockten mir ein Schmunzeln. Die Gemeinden hatten weniger Probleme mit Frauen im Pfarramt. Netteste Anekdote: Ein alter Hagestolz verstarb. Die Kinder baten Frau Krull um Entschuldigung, weil sie den männlichen Kollegen um die Traueransprache baten. Augenzwinkernd meinten sie: "Da würde sich unser Vater im Grab umdrehen, wenn ihn eine Frau beerdigen würde!"
So entstand die Romanfigur Martha Gerlach. Mitten in einer Handwerker- und Arbeitersiedlung: meine 60er-Krimis singen das "Lied der kleinen Leute".

Kriminetz: In den Sechzigern herrschte eine andere Stimmung im Ruhrpott als heute, auch wenn ständig leichter Kohlenstaub durch die Luft schwebte und seine Spuren hinterließ. Was fasziniert dich an dieser Zeitspanne, in welche du bei deinen Recherchen eintauchst?

Anne-Kathrin Koppetsch: Ich bin ja in den Sechziger Jahren aufgewachsen, wenn auch nicht im Kohlenpott. Da kommen Kindheitserinnerungen auf, nostalgische Gefühle. Als es noch Platten gab statt CDs, als junge Frauen Fräulein genannt wurden, das Fernsehen Schwarzweiß war, man aus Telefonzellen anrief und zwischen Blümchentapeten die Käseigel auf dem Resopaltisch servierte....macht Spaß zu recherchieren, sich zu erinnern, zu lesen und vorzulesen. Das finden die Leser/innen auch.

Kriminetz: Das Alte Testament erzählt gleich nach der Schöpfungsgeschichte von einem Brudermord. Dieses Kapitel ist ja eigentlich auch ein Krimi?

Anne-Kathrin Koppetsch: In der Bibel gibt es reichlich Krimis. Mord, Totschlag, Ehebruch: alles, was man sich vorstellen kann. Denken wir an König David, der sich in Bathseba verliebte, die Frau eines Feldherrn. Er gab diesem Feldherrn ein Himmelfahrtskommando, um den Ehebruch zu vertuschen. Auch über Vergewaltigungen wird berichtet: Tamar wird von ihrem Halbbruder Amnon geschändet. Die Bibel beschönigt nichts. All diese Geschichten machen die Bibel ja auch so lebensnah. Deshalb liebe ich es so sehr, zu predigen!

Kriminetz: Welche weiteren Pläne hast du? Kommt Pastorin Martha Gerlach nach "Kohlenstaub" und "Linienstraße" noch einmal zum Einsatz?

Anne-Kathrin Koppetsch: Ich schreibe gerade Martha Gerlach III, "Septemberstreik". 1969 wurde bei Dortmunds größtem Arbeitgeber gestreikt, dem Stahlriesen Hoesch. Das nehme ich als Ausgangspunkt. Der Sohn eines Betriebsrats wird während der Feier nach dem Streik von einer Lok auf dem Betriebsgelände überfahren. Selbstmord, Unfall, Mord? Martha gerät selbst in Bedrängnis. Ist sie dem jungen Mann zu nah gekommen?
Voraussichtlich wird das der letzte Band dieser Reihe. Aber keine Angst: Martha Gerlach stirbt nicht.
Außerdem organisiere ich gemeinsam mit dem Literaturhaus, das Dortmund endlich hat :-) den Krimitag am 8. Dezember, dem Todestag Friedrich Glausers. Der findet ja in vielen Städten Deutschlands statt, organisiert von Syndikatsmitgliedern. Lesen für den guten Zweck!

Kriminetz: Auch während der Reformationszeit gab es starke Frauen. Welche davon fasziniert dich am meisten?

Anne-Kathrin Koppetsch: Argula von Grumbach natürlich, die erste Publizistin! Schülerin Georg Spalatins, des Beichtvaters von Kurfürst Friedrich dem Weisen. 1523 forderte sie - als Frau! - die Professoren der Universität Ingolstadt heraus! Sie wollte sich mit ihnen theologisch über Luthers Lehren und die Ideen der Reformation auseinandersetzen. Welch eine Chuzpe!
Der Disput an der Uni Ingostadt fand nicht statt. Doch mit den Flugschriften, die Argula unter ihrem Mädchennamen von Stauff veröffentlichte, erreichte sie damals rund 30.000 Leserinnen und Leser! Beachtlich!!
Für ihre Zivilcourage bezahlte sie einen hohen Preis. Ihre Ehe mit einem katholischen Adeligen wurde zerrüttet. Noch im hohen Alter von 71 Jahren wurde sie verhaftet, weil sie den katholischen Glauben behindert habe.

Kriminetz: Du hast ein Jahr in Jerusalem verbracht. Was hat dich dort besonders beeindruckt?

Anne-Kathrin Koppetsch: Ich habe in den 80er Jahren dort studiert. Die unglaubliche Sinnlichkeit und Intensität dieser Stadt auf dem Berge hat mich umgehauen! Gerüche, Farben, Märkte, vegetarische Falafel und saftiges Obst, die vielen Sprachen. Ein Ort voller Geschichte und Religion.
Vor vier Jahren war ich mal wieder da - nach 16 Jahren Abstinenz. Ich habe einen langen Spaziergang gemacht: Von den orthodoxen Vierteln über den jüdischen Markt, die orientalisch-jüdischen Viertel, ankommen am Damaskus-Tor mitten in der arabischen Welt, über die Via dolorosa zum Felsendom, zur West(Klage)mauer. Der ganze Kosmos in drei Stunden Spaziergang. Faszinierend. Da brennt die Luft!
... und sie brennt ja wirklich im Heiligen Land. Jetzt ist wieder Krieg und so viel Hass. Traurig!

Kriminetz: Vielen Dank, Anne-Kathrin Koppetsch, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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