Sieben Fragen an Bettine Reichelt

Bettine Reichelt und Claudia Schmid sind (mit anderen) Autorinnen der Anthologie "Mörderische Prachtbäder". Herausgegeben von Friederike Schmöe und Petra Steps im Gmeiner Verlag.

Die Schriftstellerin, Theologin und Lektorin Bettine Reichelt wurde 1967 im Vogtland geboren. Mit ihrem Großvater reiste sie durch die Welt der Märchen.

Sie studierte Theologie und war Pfarrerin in Regis-Breitingen bei Leipzig. Während dieser Zeit kam es zur Zusammenarbeit mit dem Thomas Verlag in Leipzig, aus der der Geschenkbildband Jegliches hat seine Zeit hervorging. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven kirchlichen Dienst begann sie, nebenberuflich für die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig zu arbeiten, nahm 2001 eine Teilanstellung als Gemeindepädagogin an und veröffentlichte Gedichte, Prosa und Buchbesprechungen in der Leipziger Straßenzeitung „Kippe“.

Seit 2003 ist Bettine Reichelt freiberuflich Autorin und Lektorin und widmet sich ganz dem Abenteuer Sprache.

Für Kriminetz beantwortete Bettine Reichelt sieben Fragen.

Kriminetz: Du bist Theologin und schreibst neben anderem auch Krimis. Auf den ersten Blick wirkt diese Kombination etwas ungewöhnlich?

Bettine Reichelt: Das empfinde ich gar nicht so. Die Bibel ist voller Geschichten, die man als Krimis lesen kann. Auch die Geschichte der Kirchen, der Religionen stellen immer wieder die Frage nach der Schuld, dem Scheitern und den möglichen Lösungen. Insofern bin ich als Theologin schon von Hause aus sehr nah am Thema dran.

Kriminetz: Mit „Im Himmel ist die Hölle los“ hast du Krimis aus der Bibel veröffentlicht. Welche Vorlage hat dich dabei am meisten beschäftigt?

Bettine Reichelt: Das Buch ist über mehrere Jahre entstanden. Je nach Arbeitszeitraum wechselten die Geschichten – und damit auch die Intensität, mit der ich mich mit den Texten auseinander gesetzt habe. Die erste Geschichte, die ich geschrieben habe, war eine Neuerzählung von Kain und Abel. Sehr lange haben mich „Nabots Weinberg“ und das Buch Ester beschäftigt. Ich hatte in dieser Zeit sehr engen Kontakt zu einer Gruppe Kongolesen und war durch meine Kirchgemeinde in Kontakt mit einer Straßenkinderprojekt im Kongo. Meine Gesprächspartner haben mir viel über ihr Land, ihren Weg durch das Land und auch ihre Flucht erzählt. In dieser Zeit kaufte ich mein erstes Handy und es wurde mir klar, dass an allen diesen Geräten Blut klebt. Ich gehe anders mit den Geräten um und frage mich, wie man hier in Europa etwas bewirken kann, das Menschen in der Grenzregion zwischen Kongo, Uganda und Ruanda wirklich hilft. Da die Morde und der immer wieder aufflammende Bürgerkrieg ein Dauerthema sind, lässt mich diese Geschichte nicht ganz los.
Ähnlich ergeht es mir mit der Geschichte der Ester. Ich setze mich seit vielen Jahren mit der Frage nach dem Umgang mit strukturierter Gewalt auseinander. Ein Thema ist dabei der Völkermord an den Armeniern. Man kann die Texte, die Berichte und Dokumente nicht ohne tiefe Betroffenheit lesen. Umso mehr berühren mich Menschen, die in dieser Zeit sich nicht von der Katastrophe zerstören ließen, sondern bewusst nach Wegen zum Überleben gesucht haben. Es war die Stunde der großen Frauen.

Kriminetz: Du hast in der kürzlich erschienenen Anthologie „Mörderische Prachtbäder“ einen Kurzkrimi mit dem Titel „Frau Goethins letzte Liebe“ veröffentlicht. Darin verliebt sich eine reife Dame in einen jungen Mann. Ist eine Kur in Marienbad so belebend?

Bettine Reichelt: Unbedingt! Marienbad ist ein wunderbarer Ort. Die Gegend einfach traumhaft schön. Zugleich ist der Ort so entspannend, dass man sich auf die verrücktesten Geschichten einlässt. Wie Herr Goethe offensichtlich auch.

Kriminetz: Dein Krimi „Tendenz steigend“ hat Chemnitz als Handlungsort. Weshalb hast du diese Stadt als Schauplatz deines Krimis gewählt?

Bettine Reichelt: Zunächst war es ganz banal ein Auftragswerk des Verlages. Spannend war für mich daran von Anfang an, in eine Stadt zu gehen, die heute eher einen schlechten Ruf hat. Wenn man sich auf sie einlässt und sich auf Entdeckungsreise begibt, kann man aber eine sehr eigne Schönheit entdecken. Die Recherche war für mich eine Neuentdeckung einer Stadt, die ich eigentlich gut zu kennen glaubte.

Kriminetz: Du hast, wie ich auch, ein Buch über Philipp Melanchthon verfasst, den wichtigen Wegbegleiter Martin Luthers. Was hat dich am meisten an diesem Reformator beeindruckt?

Bettine Reichelt: Melanchthon steht heute eher im Schatten Luthers. Aber er hat die Reformation und vor allem unsere Sicht darauf zutiefst geprägt. Das verkennt man schnell. Beeindruckend finde ich an ihm, wie er trotz seiner gesundheitlichen Probleme mit Disziplin und Klarheit sich einer Aufgabe stellt, die seinem Wesen nicht entspricht. Und berührt hat mich immer wieder, wie er nach friedlichen Möglichkeiten suchte. Er wurde schwer angegriffen, auch von früheren Freunden und Weggefährten und hat dennoch immer um Versöhnung und Gemeinsamkeiten trotz der Unterschiede gerungen. Insofern war er seiner Zeit weit voraus.

Kriminetz: Du bietest einen Lektoratsservice an. Mit welcher Art von Texten kann man sich an dich wenden?

Bettine Reichelt: Als Theologin befasse ich mich Texten aus dem Bereich spirituelles Sachbuch. In diesem Bereich bearbeite ich Aufträge aus dem buddhistischen Bereich, über christliche Texte bis zu Texten aus dem muslimischen Kontext. Zum anderen habe ich mich intensiv mit Biographik und Biographiearbeit befasst.

Kriminetz: Könntest du dir auch vorstellen, woanders als in Leipzig zu wohnen? Falls ja, wo wäre das?

Bettine Reichelt: Darüber habe ich länger nicht nachgedacht. Ich mag Leipzig sehr. Es ist so groß, dass man sich nicht auf die Nerven geht, und so klein, dass man sich noch trifft. Es hat viele grüne Bereiche und mittlerweile viele Seen. Ich habe hier meine Freunde, wichtige Kontakte. Meine Kinder leben in dieser Stadt. Es spricht viel für Leipzig.

Eine Stadt, in der ich zumindest zeitweilig wohnen könnte, wäre Paris. Leipzig wirklich für immer zu verlassen, kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen.

Kriminetz: Vielen Dank, Bettine Reichelt, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Zur Website von Bettine Reichelt hier klicken