Sieben Fragen an Catrin George Ponciano

Die Schriftstellerin Catrin George Ponciano lebt an der Algarve in Portugal. Foto: © Marion Louca

Die Schriftstellerin Catrin George Ponciano, geboren 1967 in Bielefeld, lebt seit zwanzig Jahren an der Algarve in Portugal. Portugal ist ihr Metier. Seit 2006 veröffentlicht sie literarische Reiseführer und Reportagen über ihre Wahlheimat, unter anderem 111 Orte an der Algarve die man gesehen haben muss. Im Mai dieses Jahres erscheint mit Leiser Tod in Lissabon ihr Debüt als Krimi-Autorin. Ein weiteres Reisebuch über den Alentejo in Portugal sowie ein Literarischer Essay in der Reihe „wegmarken“ im A.B. Fischer Verlag in Berlin über Das Lissabon des Fernando Pessoa werden im März 2021 veröffentlicht. Als Studienreiseleiterin entführt Catrin George Ponciano ihre Gäste in die mystisch-magische Welt Portugals, bringt Reisenden die Geschichte des Landes, aber vor allem die Seele der Portugiesen nahe. Als Landesvertreterin der Deutsch-Portugiesischen-Gesellschaft Berlin e.V. organisiert die deutsch-portugiesische Literatursalons, Lesekreise und Vorträge über zeitgenössische Themen in Zusammenarbeit mit portugiesischen Kulturstellen und Institutionen.

Für Kriminetz beantwortete Catrin sieben Fragen.

Kriminetz: Du lebst seit zwei Jahrzehnten in Portugal. Vermisst du etwas aus Bielefeld?

Catrin George Ponciano: Ich gestehe, darüber muss ich nachdenken. Vermissen ist vielleicht ein Hauch zu schwermütig formuliert. Wenn ich vermisse, dann Menschen. Meinen Mann. Meine Schwester. Unsere verstorbenen Eltern. Mein Wandergeist hat mich mit achtzehn in die Welt hinausgeschickt. Einmal einen Ort verlassen, war diese Seite meines Lebensbuches umgeblättert. Bielefeld ist eine Stadt mit Geschichte und eine von dieser geprägten Atmosphäre. Ich hege starke Erinnerungen an die Sparrenburg, den Teutoburger Wald, an das Theater und an die Altstadt rund um den Kastanienwall. Der Geruch nach frisch kandierten Paradiesäpfeln an einer Imbissbude neben dem Einstieg zum Fußgängertunnel am Jahnplatz. Das Kling und Klong der Stimmen der durch den Fußgängertunnel unter dem Jahnplatz eilenden Menschen. Mein Friseur von damals. Das Schwimmbad am Kesselbrink. Freunde, von denen eine ganze Familie und eine Schulfreundin tatsächlich meinen turbulenten Lebensweg bis heute begleitet und mich nie aus ihren Herzen verloren haben. Die jüngste Erinnerung an Bielefeld ist die traurigste. Unsere Mutter verlor im September 2017 dort nach vielen Krankenhausaufenthalten den Kampf gegen ihre Krankheit.

Kriminetz: Die Seele der Portugiesen – wie würdest du die beschreiben?

Catrin George Ponciano: Wenn Leute mich fragen, sagen Sie mal, warum ausgerechnet Portugal?

Meine Entscheidung, letztendlich auf meiner Reise zu mir in Portugal Wurzeln zu schlagen, habe ich damals unbewusst getroffen. Die Seele der Portugiesen hatte gleich am allerersten Tag im Algarve, etwas in mir zum Schwingen gebracht, wobei ich erst später erkannte, was. Menschliche Güte.

Zuvor habe ich in Spanien und davor in Bayern gelebt. In Spanien kochte mein Blut mit dem Takt des Flamenco, mit dem ständig gerollten R. Der Singsang des Spanischen timbriert so aufregend dynamisch zwischen caramaba und guapa, zwischen hart und weich. So habe ich mich etliche Jahre lang selbst gefühlt, als ich noch nicht wusste, was ich wirklich von mir wollte, oder wo meine Position in dieser Welt lag. In Bayern blieb ich zehn Jahre lang die „Zug`reiste“. Mir blieben ein paar bayerische Kraftausdrücke.

Von Spanien, von Sevilla aus, bin ich mit dem Auto nach Portugal gekommen. Es war Heiligabend 1999 und ich auf der Autobahn Richtung Westen unterwegs. Prince`s Hit, ninetyninteynine, sang ich vor mich hin. Laut, inbrünstig, voller Abenteuerlust. Die Brücke über den Grenzfluss Guadiana brachte mich von Andalusien in Spanien in den Algarve im Süden Portugals. Und ganz dort hinten am Horizont, ganz weit im Westen, dort, wo Europa aufhört, leuchtete der Himmel feuerrot. Sonnenuntergang. Im Winter im Algarve derart feuerfarben gewaltig, dass es zum Weinen schön ist. Und genau das habe ich gemacht. Geweint.

Ich bin weitergefahren, und weiter, und habe das Licht verfolgt. Bis zur Costa Vicentina in Sagres am südwestlichsten Kardinalpunkt des europäischen Kontinents, bis dorthin, wo die Erdengeschichte das Schlangenland wie es die alten Griechen getauft haben, aus dem Meer emporgeschleudert hatte. Der Atlantik rollte ohne Eile heran, brach sich in funkelnd tintenblauen Wogen über fünfzig Meter unter mir an den Klippenzähnen, seine Übermacht vibrierte durch meine Fußsohlen in mich hinein.

Angekommen.

Die Klarheit dieser Erkenntnis öffnete etwas in mir. Etwas Unbekanntes. Eine kleine, noch niedrige Pforte zu einer emotionalen Ebene, die bis dato verschlossen gewesen ist. Zaghaft, schüchtern, sehr vorsichtig öffnete sich diese Pforte. Einen Spalt breit bloß. Ich war 33 Jahre jung, stand am Ende von Europa und dachte das erste Mal über meine Zukunft nach - und über mich.

Die gütige Seele der Portugiesen erinnert mich täglich an genau diesen Moment. Die portugiesische Seele jedoch zu ergründen, hat etwas länger gedauert und so richtig fertig bin ich damit noch nicht. Mit mir auch nicht. Ich fühle mich wohl in Portugal. Darf ganz ich selbst sein. Das habe ich definitiv von den Portugiesen gelernt.

Der Portugiese ist Lusitaner. Und Lusitaner bilden so ziemlich das stolzeste Völkchen in Europa. Und eines der ältesten Volksstämme im ältesten Nationalstaat von Europa. Ihr Stolz besitzt etwas Archaisches, nach innen gerichtetes, stets verbunden mit einem Seufzen darüber wie es ist, wie es war, wie es sei könnte.

Weitläufig als die Sehnsucht der Portugiesen betitelt. In der portugiesischen Sprache >saudade< genannt. Jeder Lusitaner wird damit geboren, denn er ist, was er ist, durch seine Erinnerungskultur. Und die hat einzig mit dem eigenen Land und seiner Kulturvermischung mit den Römern, den Westgoten, den Sarazenen, den Sepharden und all den anderen Zuwanderern aus dem Orient, dem Okzident, aus dem Süden und aus Norden der Welt zu tun. Entstanden aus drei Weltreligionen, hat sich diese Nation als katholisches Königreich emporgehoben, hat aus drei Sprachen eine neue Sprache entwickelt, ist in Nussschalen über die Weltmeere gefahren, hat die Welt neu vermessen, hat Länder evangelisiert, hat sich gegen Napoleon behauptet, die Spanier mehrfach wieder aus ihrem Territorium hinausgedrängt. Die Portugiesen konnten sich unter umstrittenen Umständen aus dem zweiten Weltkrieg heraushalten, das Volk hat gemeinsam mit Verbündeten im Militär die Revolution 1974 gegen die Diktatur gestemmt, und sich auch in der jüngsten Wirtschaftskrise 2008 am eigenen Haarschopf aus dem Sumpf gezogen.

Das Landeswappen zeigt ein Knappenschild. Seit 1143. Es symbolisiert das Zusammenstehen der Portugiesen gegen wen auch immer. Wer den Portugiesen ihre Souveränität abspenstig machen will, wer ihre Individualität beschneiden, oder wer gar ihren freien Willen zu unterwerfen versucht, wird hinausgedrängt. Daher stammt das Sprichwort, »Portugal ist stolz - allein.«

Portugiesen fühlen sich jedoch mitnichten als Helden, sie möchten nicht heroisiert werden. Sie fühlen sich als ein Volk, das von jeher für sich selbst aufstehen musste. Das macht Portugal so anders im Gegensatz zu anderen empirischen Ex-Königreichen. Portugiesen sind sich des vergossenen Blutes bewusst, das in der Vergangenheit für ihr Volk und ihr Land geflossen ist, und sie wissen, dass Blut für den Erhalt der Freiheit weiter fließen muss, heutzutage natürlich in anderer Form.

Episch verewigt in „Die Lusiaden“ hat der Nationaldichter Luis de Camões die Seele des Portugiesen. Metaphorisch interpretiert für das 20. Jahrhundert hat Fernando Pessoa die alma portuguesa in seinem lyrischen Werk “Nachrichten”.

Obwohl trotzig allein gegen den Rest der Welt, heißen Portugiesen jeden Zugereisten und Reisenden liebevoll willkommen. Sie laden ein zu Tisch, und zum Schnack, und überhaupt, »erzähle etwas von deiner Welt, Reisender, Besucher. Brauchst du Hilfe? Geht es dir gut?«

Diese in der heutigen Zeit eher ungewohnt unvoreingenommene Gastfreundlichkeit gepaart mit Hilfsbereitschaft ohne finanzielle Anreize, charakterisiert Portugals Herz von Norden bis Süden.

Wenn da diese Seelenzwickmühle nicht wäre, diese düstere Wolke über dem Herzen der Portugiesen. Dieses sich gleichzeitig sehen und dehnen nach der glorreichen Vergangenheit und einer hoffentlich bessern Zukunft. Tränen sind Regen. Sind Segen. Deswegen singen Portugiesen Fado oder Cante Alentejano oder Volkslieder. Der stärkste Sturm mit Wind und Regen hört beim Singen auf, die Wolke verschwindet, der Wind legt sich, der Sturm zieht weiter, die Sonne scheint. Und damit die portugiesische Seele. Sie leuchtet rein und hell wie der Abendstern, der den Portugiesen ihren Weg um die Welt zeigte.

Kriminetz: In Bälde erscheint dein Krimi-Debüt »Leiser Tod in Lissabon« im Emons-Verlag. Verrätst du unseren LeserInnen, worum es darin geht?

Catrin George Ponciano: >Leiser Tod in Lissabon< findet leise in einer Kirche statt, während draußen vor der Kirche lauter Tourismusalltag tobt. Die Szene am Tatort erzählt meiner Ermittlerin eine Geschichte von Schuld, von Sühne, und von der verzweifelten Suche des Mordopfers nach Vergebung. Die Indizien führen meine Protagonistin jedoch in eine andere Richtung in die politische Elite in Lissabon mitten hinein in ein Machtgeflecht aus Korruption und zu alten Seilschaften, die zurück bis in das Revolutionsjahr 1974 reichen und in die Gegenwart in die höchsten Etagen des Justizapparates führen.

Sensibles Terrain, warnt sie ihr Chef gleich zu Beginn ihrer Ermittlungen; warnt sie der Staatsanwalt; warnt sie der Polizeichef.

Das kitzelt den Jagdtrieb meiner Protagonistin erst recht. Aber nach und nach begreift sie, wie sensibel das Terrain tatsächlich ist und überlegt in einem verzweifelten Moment, ob es gesund ist, weiter zu ermitteln. Ihr Gerechtigkeitssinn besiegt ihre Zweifel. Sie will den Ring der Korruption um jeden Preis sprengen. Der Tribut könnte hoch ausfallen, sie könnte suspendiert, sogar vor einen internen Untersuchungsausschuss gestellt werden. Behutsam tastet sie sich gemeinsam mit ihrem Inspetor vorwärts. Doch erst ein intimes Geständnis, eine Lüge, und ein altes Foto bescheren ihr die Wegweiser bis zu dem Mann, der im Hintergrund des konspirativen Geflechts die Strippen zieht. Über die meine Protagonistin beinahe stolpert, bevor sie den Kopf der Bande überführen kann. Die Sache hat bloß einen Haken. Der Mörder ist er nicht.

Kriminetz: Hast du die Idee zu deinem Krimi schon länger mit dir „herumgetragen“ und sie ist über einen längeren Zeitraum gereift oder gab es einen konkreten Auslöser dafür, ihn zu schreiben?

Catrin George Ponciano: Ich liebe Lissabon, weil Lisboa eine der ältesten Städte Europas ist, eine Fülle fester Größen der Weltgeschichte in sich birgt, gepaart mit Noblesse Oblige und einzigartigen Visionen für eine neue Zukunft. Die politische Vergangenheit Lissabons liest sich hingegen wie ein Politkrimi. Dort verbirgt sich Zündstoff ohne Ende für Dokumentationen - und für Fiktion.

Dieses Potenzial hat mich vor vielen Jahren gepackt und Portugals politische Vergangenheit gehört mittlerweile zu meinem Metier als Journalistin und Essayistin. Den Wunsch etwas Fiktives über gewisse Zusammenhänge zu erfinden, kitzelte mich in der Tat seit Langem.

Besonders spannend finde ich den „heißen Sommer von Lissabon“, der durch das politische Zerwürfnis der Übergangsregierung zwischen 1974 und 1975 zu einem Militärputsch geführt hat und Portugal beinahe eine kommunistische Regierung eingebracht hätte.

Rund um diesen Militärputsch herum wollte ich einen Kriminalfall konstruieren, aber mir fehlte der packende Impuls. Den bekam ich von einem Augenzeugen, den ich über die Ereignisse am 25.11.1975 in der Calçada da Ajuda Kaserne in Lissabon interviewt habe. Er war Militärpolizist und er ließ mich durch seine echten Erlebnisse an dem Tag, an dem Portugiesen auf Portugiesen geschossen haben, teilhaben. Er erzählte mir von seiner Wut über das was ihm wiederfahren war, über das was an diesem Tag wirklich passiert ist und was alles von der damaligen Regierung vertuscht worden war.

Er weihte mich ein, wie das Gift des Zorns seinen Glauben an die Freiheit geraubt und sein Vertrauen in die Justiz zerstört hat, bis er eines Tages Liebe fand, und die Wunde in seinem Inneren heilen konnte.

Ich triumphierte. Da war sie! Die Ruptur, nach der ich suchte, um einen Mordfall zu konstruieren, der auch 45 Jahre später noch ein derart starkes emotionales Konfliktpotenzial enthält, damit der Mord plausibel wird.

Die Idee war geboren. Der Plot wuchs rasend schnell. Der Tatort sollte auf jeden Fall in der Alfama Lissabons liegen, damit ich den Leser mitten durch die Altstadt und das Gassenlabyrinth von Lissabon, durch de Unterstadt, und zu den großen Plätzen führen kann. Die Figuren freundeten sich gänzlich ohne meinen Einfluss sozusagen über Nacht miteinander an.

Dora Monteiro, meine Inspetora-Chefe, stand eines Morgens in meinem Kopf auf und sagte hallo, hier bin ich. Der Bildhauer, dessen Ruptur die Leserinnen durch das Buch führt, entstand in einem derart rasanten Tempo, dass mir schwindelig wurde. Sein Kamerad, der Barbier, ist eine echt schrullige Type und er und sein Compadre, der Bildhauer, halten zusammen ohne Wenn und Aber. Inspetor Cardoso ist Doras rechte Hand, er ist ein logisch Denker. Auf Doras Seelenheil passt ihr Großvater Maurice auf, weil ihr Vater tot ist und ihre Mutter weltfremd. Afonso-Henrique, Doras Kolkrabe, bewacht ihren Schlaf. Und der Chef der Spezialeinheit in Lissabon ist vernarrt in Dora, gibt es aber niemals zu.

Ich musste dieses Buch schreiben. Es war kein Wunsch, es war ein innerlicher Zwang, ein bis dato mir völlig fremder Sog, der mich erfasst hatte.

Kriminetz: Du hast auch Bücher mit Rezepten zur portugiesischen Küche veröffentlicht. Was isst man gerne an der Algarve?

Catrin George Ponciano: Grundsätzlich isst man sowieso gerne und immer und wenn möglich s t u n d e n l a n g!!

Genauso ausdauernd redet man über Essen und Kochen und Rezepte. Neben Fußball und wer krank, tot, verheiratet, oder geboren wurde, ist Kochen und Essen das Thema und durch und durch ernst. Beim Kochen hört der Spaß auf! Sonst können Portugiesen über alles herzhaft ausdauernd lachen. Aber nicht übers Essen.

Portugiesen im Algarve essen im Sommer jeden Tag Gegrilltes, wenn möglich auf einem tragbaren Rost mit Holzkohle befeuert vor der Haustür auf dem Bürgersteig gegrillt, um sich mit der Nachbarin zu „besprechen“. Im Winter isst Algarve Topfgerichte, damit es kuschelig im Hauptraum des Hauses in der Küche ist, wenn der Topf stundenlang auf kleiner Flamme simmert. Süßes gibt es jeden Tag. Kuchen, Törtchen, Gebäck. Im Miniaturformat. Dann kann man auch mal zwei oder drei Teilchen naschen. Im Algarve gibt es speziell hausgemachtes Marzipan aus Süßmandeln, Kuchen aus Johannisbrot, Konfekt aus Feigen und Gebäck mit Orange.

Als Magenöffner nascht man Hausmacher Schinken und Käse. Oliven isst man sowieso und jeden Tag. Im Algarve isst man mehr Fisch als Fleisch. Im Sommer Sardinen, wie auch in >Leiser Tod in Lissabon< beschrieben, das gesamte Jahr über Bacalhau, das portugiesische Nationalgericht aus gesalzen/getrocknetem Kabeljau. Und natürlich und mit Vorliebe alles andere, was aus dem Meer kommt auch, und dazu, was im Gemüsegarten hinter dem Haus gerade so wächst. Eine puristisch gesunde, gehaltvolle, und schmackhafte Küche, die durch ihre Simplizität überzeugt. Mein Erstling, ein Reisebuch mit Rezepten „Algarve genießen“ aus dem Reisebuch Verlag, bekommt 2020 eine Neuauflage mit neuem Outfit und zusätzliche Mehr-Wert-Tipps.

Kriminetz: Verrätst du uns deinen ganz persönlichen Lieblingsort an der Algarve?

Catrin George Ponciano: Es gibt zwei. Einen für jedes Temperament in mir.

Die Ponta da Atalaia, ein spiritueller, einsamer Ort an der Costa Vicentina. Dort erde ich mich und befreie mich von Konventionen und Oberflächlichem.

Die Korkeichenwälder in den Bergen und Tälern in Monchique. Dort finde ich meine Figuren.

Kriminetz: Was empfiehlst du Menschen, die auswandern wollen?
Catrin George Ponciano: Die Bereitschaft so rasch als möglich die Landessprache zu lernen. Die eigenen Gewohnheiten zu Hause lassen und die neue Umgebung samt ihrer Gepflogenheit neugierig unvoreingenommen erkunden. Man sollte mit den Menschen gemeinsam essen, denn beim Essen entstehen Freundschaften. Wer auswandern will und bleiben möchte, lernt sich und seine eigene Identität neu kennen, und gesteht sie bitte den anderen auch zu. Wer auswandern möchte und bleiben, braucht die Bereitschaft, zu dienen, um sich einzugewöhnen und um sich zu integrieren, sowie die Bereitschaft oftmals doppelt so viele Stunden zu arbeiten, in Jobs, die nicht dem eigenen Berufsbild oder Standard entsprechen, bei gleichzeitig halbierter oder gar noch weniger Entlohnung.

Wer in ein Touristenland auswandert, sollte unbedingt für die maue Zeit seelisch stabil sein und etwas mit sich anzufangen wissen, wenn keine Touristen da sind. Manchmal monatelang. Dann gibt es keine Arbeit, vielleicht schlechtes Wetter, und kaum Abwechslung durch Events. Das halten nicht alle Geldbeutel aus. Und sind ruckzuck leer. Nichts ist für einen jungen Menschen, der eine neue Zukunft sucht, schlimmer als ein zerplatzter Traum und ein leerer Geldbeutel.

Zwei persönliche Tipps: Bitte den ausgetreckten Finger einklappen. In einem fremden Land ist man Gast, nicht Schulmeister. Leben und leben lassen. Lass dich anstecken von der hiesigen Lebenslaune, auch wenn sie dir fremd ist. Dann bist du bald nicht mehr fremd, sondern Freund.

Kriminetz: Vielen Dank, Catrin, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Catrin George Ponciano: Sehr gerne, liebe Claudia!

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"Leiser Tod in Lissabon" ist das Krimi-Debüt von Catrin George Ponciano im Emons Verlag.