Sieben Fragen an Christian Bachhiesl

Christian Bachhiesl, der Leiter des Hans-Gross-Kriminalmuseums der Karl-Franzens-Universität Graz. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Christian Bachhiesl studierte Rechtswissenschaften und promovierte mit der Arbeit „Zur Konstruktion der kriminellen Persönlichkeit. Die Kriminalbiologie an der Karl-Franzens-Universität Graz“. Einem Studium der Alten Geschichte und Altertumskunde sowie der Geschichte folgte die Habilitation. Er arbeitete neben anderen beruflichen Stationen mit bei der Erweiterung und Neukonzeption des Hans-Gross-Kriminalmuseums der Karl-Franzens-Universität Graz, das er leitet. Seit November 2011 ist Christian Bachhiesl Stellvertretender Leiter der Museen der Universität Graz. Zudem ist er Lektor am Institut für Geschichte und am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der KFU Graz.

Gemeinsam mit dem Journalisten und Krimiautor Robert Preis rief er in Graz das Krimifestival Fine Crime ins Leben, das 2017 bereits zum dritten Mal über die Bühne ging.

Für Kriminetz beantwortete Christian Bachhiesl sieben Fragen.

Kriminetz: Woher rührt dein Interesse für Kriminelles?

Christian Bachhiesl: Ich bin da nolens volens hineingetaucht worden in die Kriminalgeschichte – an der Uni war damals kein anderer Job zu haben, und so fand ich mich plötzlich im Team wieder, das für den Wiederaufbau des Hans Gross Kriminalmuseums zuständig war. Bald aber merkte ich, wie interessant die Kriminalgeschichte ist – Sozialgeschichte, Mentalitätsgeschichte, Rechtsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Technikgeschichte, Psychologie, Medizin, Erkenntnistheorie, ja auch die Erforschung des Aberglaubens – es gibt kaum einen Bereich des menschlichen Lebens, der hier nicht relevant wäre. Meinen „polyhistorischen“ Interessen kam das sehr entgegen. Und natürlich entfalten die alten, im Museum dokumentierten Fälle eine eigene Dynamik, wenn man einmal eingestiegen ist in die Quellen. Hoch spannend ist auch das Arbeiten mit den Objekten – die im Kriminalmuseum versammelten Objekte formieren sich durchaus zu einer Art „Persönlichkeit“, und manchmal kann einen schon der Gedanke beschleichen, dass man plötzlich Dinge erforschet und in Bahnen denkt, die nicht dem eigenen Sinnen entspringen. Kurzum: Die Geschichte der Kriminalität und der Kriminologie umschließt eine thematische, methodische und darstellerische Vielfalt, die einen großen Reiz ausübt. Und ganz klar: Man findet immer wieder Gestalten, sei es auf Seiten der Kriminalisten, der Täter oder der Opfer, mit denen man sich identifizieren mag. Da hat man dann auch eine Brücke zur Krimi-Literatur vor sich.

Kriminetz: Übst du mit der Leitung des Hans-Gross-Kriminalmuseums deinen Traumjob aus?

Christian Bachhiesl: Ach, eigentlich wäre ich gerne Althistoriker geworden, die Antike, angefangen vom archaischen Griechenland bis hin zur Spätantike, fasziniert mich sehr. Aber da ist ja nichts draus geworden. Anfangs habe ich die Tätigkeit im Kriminalmuseum bloß als Übergangslösung gesehen, aber man wächst dann doch hinein. Was mir immer besonders gefallen hat, ist der ständige Kontakt mit dem Publikum, mit „normalen“ Leuten, das bewahrt vor dem Versinken in selbstgenügsamer akademischer Gravität. Bald habe ich bemerkt, dass meine Führungen gut ankommen, und die Kommunikation mit den Menschen ist etwas Wunderbares, es ist einfach schön, wenn man in den Besuchern Interesse und manchmal sogar Begeisterung wecken kann. Ein weiterer großer Pluspunkt dieser Tätigkeit ist, dass ich viel und gut forschen konnte – authentische Vermittlung muss auf einer selbst erarbeiteten Basis stehen, das ist ein Credo von mir. Es ist uns gelungen, das Grazer Kriminalmuseum zu einer Plattform der interdisziplinären und internationalen Forschung zur Kriminalität und Kriminologie zu machen, wir haben ein Netz aufgebaut, das von Praktikern aus der Polizei und der Justiz bis hin zu Wissenschaftlern aus den verschiedensten Disziplinen reicht, von West- und Mitteleuropa bis nach Osteuropa, nach Russland, aber auch in die USA und nach Asien. Wir organisieren auch immer wieder Tagungen und Kongresse zur Kriminologie und ihrer Geschichte, daraus entspringen dann Bücher, die den Forschungsstand dokumentieren – das macht schon eine große Freude. Das so erworbene Wissen dann an die junge Generation, an die Diplomanden und Dissertanten weiterzugeben, auch das ist etwas Schönes.
Freilich ist nicht alles eitel Wonne: Manchmal wurden Besucher mit dunklen Kapiteln ihrer eigenen Familiengeschichte konfrontiert, das ist dann recht heikel und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Die ständige Konfrontation mit den Abgründen des Menschseins ist auch nicht immer ganz leicht zu ertragen. Und dazu kommt organisatorisches und administratives Ungemach: Derzeit verfügen wir nicht über Schauräume (es gab da ein Feuchtigkeitsproblem in den bisherigen Räumen, weshalb das Museum geschlossen werden musste und wir derzeit nur Powerpoint-Führungen anbieten können), aber da scheint jetzt ein Licht am Horizont aufzugehen, neue Räume sind in Sicht. Wenn auch der Aufbau und Betrieb eines Museums eine ordentliche Herausforderung ist – vor allem bei unserem bescheidenen Budget, und das ist und war stets kaum vorhanden, und auch die Personalressourcen sind äußerst knapp –, so ist es doch im Grunde eine großartige Sache. Man kann also schon sagen, dass ich da einen „Traumjob“ ausüben darf – ob ich den aber mein Leben lang machen will, das weiß ich nicht.

Kriminetz: Umfasst das Kriminalmuseum auch eine Abteilung mit Instrumenten der „peinlichen Befragung“?

Christian Bachhiesl: Nein, die „peinliche Befragung“, also die Folter, ist im Hans Gross Kriminalmuseum nicht dokumentiert und nur als historische Hintergrundfolie präsent: Der österreichische Kriminologe Hans Gross (1847-1915) hat die Sammlung ja zusammengetragen, um auf die Bedeutsamkeit des Sachbeweises für die Beweiswürdigung hinzuweisen. Er war da ein Pionier, denn als er Mitte der 1870er Jahre seine Arbeit als Untersuchungsrichter antrat, da waren die starren Beweisregeln erst vor Kurzem gefallen, und nun galt es, belastbare Beweise zu sammeln, und da gehörten die Personenbeweise, also Zeugen- und Beschuldigtenaussagen, laut Gross gerade nicht dazu. Gross ist ein Vorkämpfer der Spurenkunde, ein „Papa von CSI“ sozusagen. Die peinliche Befragung gehört einer früheren Epoche an, der vormodernen Zeit, wo man sich vor allem auf Geständnisse stützte, und wenn die nicht freiwillig abgegeben wurden, dann hat man halt gefoltert, bis gestanden wurde. Der Wahrheitsfindung war das nicht unbedingt dienlich, aber das Strafverfahren kam halt an ein Ende. Damit hat die moderne Kriminalwissenschaft aber nichts zu tun (auch wenn sie sich diverser kriminalpsychologischer Finessen bedient), Hans Gross wollte aus der Verbrechensaufklärung eine Art exakte Naturwissenschaft machen. Da hat die Folter nichts verloren, und Gross war auch sehr bemüht, psychologische Tricks bei der Vernehmung von Beschuldigten jedenfalls zu vermeiden. Er war ein Mann der positivistischen Objektivität – mit all den Vorteilen und Nachteilen (naturwissenschaftlicher Reduktionismus), die diese Position mit sich bringt.

Kriminetz: Du bist Stellvertretender Leiter der Museen der Universität Graz. Welche gibt es neben dem Kriminalmuseum?

Christian Bachhiesl: Da gibt es als operative Einheiten derzeit noch zwei:
Zum einen das UniGraz@Museum, eine wissenschaftshistorische Sammlung, die die Entwicklung diverser Wissenschaftszweige an der Karl-Franzens-Universität Graz dokumentiert, vor allem der Physik – in der Physikalischen Sammlung befinden sich etwa Versuchsapparaturen von Ludwig Boltzmann und Ernst Mach, das ist eine spannende Kollektion. Weiters werden im UniGraz@Museum laufend Sonderausstellungen zu verschiedensten Themen mit Wissenschaftsbezug geboten, derzeit läuft gerade „Bist du Bibel“, eine Schau zur Kulturgeschichte der Heiligen Schrift. Weitere Sonderschauen waren z.B. „Krieg und Frieden“ zu Kriegsbildern in der Antike, „Die Vermessung der Seele“ zur Apparaturensammlung des Psychologischen Instituts der Uni Graz, oder „Portugal“, eine Schau zur Geschichte und Kultur dieses schönen Landes im äußersten Westen Europas.
Zum anderen bietet das „Haus der Wissenschaft“ Einblicke in Forschungen vor allem naturhistorischer Art, hier werden oft Ausstellungen gezeigt, die als Produkte diverser Forschungsprojekte auf Wanderschaft gehen. Auch das „Haus der Wissenschaft“ bietet ungemein spannende Zugänge zur Wissenschaft in ihren verschiedenen Erscheinungsformen.
Und dann gibt es noch etliche sogenannte „integrierte Sammlungen“, die einzelnen Instituten angeschlossen sind und dort der Ausbildung und Forschungsdokumentation dienen – hier sei nur das Gipsmuseum des Instituts für Archäologie genannt, die Abklatschsammlung der Alten Geschichte oder die Sammlung der Volkskunde/Ethnologie. Mit diesen Sammlungen sind wir nicht unmittelbar verknüpft, aber es gibt da die Möglichkeit, Kompetenzen im Bedarfsfall beizuziehen.

Kriminetz: Du hast gemeinsam mit Robert Preis kürzlich die Lange Nacht des Krimis im Theater am Lend moderiert. Ihr habt das beide so klasse gemacht – gibt es an der Grazer Uni eine Moderatorenschule oder wurde dir das Talent dazu in die Wiege gelegt?

Christian Bachhiesl: Vielen Dank für das Lob, das geht runter wie warmer Leberkäs! „Fine Crime“, das Grazer Krimi-Festival, ist vor allem das Kind des Robert Preis. Es war seine Idee, und er macht auch die Programmgestaltung. Das Kriminalmuseum ist Mitveranstalter, hilft auf der organisatorischen Ebene, und ich freue mich, mit dem Robert die Moderation machen zu dürfen – es ist immer wieder eine wahre Freude, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen, er ist immer geistreich und lustig und – das ist ganz, ganz wichtig! – kann auch über sich selber lachen. (Über andere freilich auch.) Da geht das Moderieren dann leicht von der Hand, und beim letzten „Fine Crime“ im Rahmen der „Criminale 2017“ war’s besonders lustig und angenehm, was vor allem am großartigen Publikum und an den vielen coolen Krimi-Autoren lag, da hat die Atmosphäre einfach gestimmt, besser kann’s für einen Moderator nicht laufen.
Moderatorenschule gibt’s keine an der Uni Graz, ich habe mir den Umgang mit Publikum und Vortragenden erst erarbeiten müssen. Angefangen hat das nach dem Jus-Studium bei der Gerichtspraxis, wo man plötzlich Leute befragen muss, an der Uni aber immer nur Paragraphen ins Gehirn gestopft bekommen hat, das war schon eine Herausforderung. Bei den vielen Führungen und Abendveranstaltungen im Kriminalmuseum hatte ich dann jede Menge Gelegenheit, das Moderieren zu üben. Ein bissl ein Talent dafür aber lag wohl schon in meiner Wiege – danke, Mama und Papa (Muata und Vota in meinem heimatlichen Kärntnerischen Idiom, aber das ist wohl zu viel Lokalkolorit)!

Kriminetz: Du hast Schriften zur Kriminologie verfasst. Gibt es vielleicht irgendwann einmal einen Kriminalroman aus deiner Feder?

Christian Bachhiesl: Herrje! Ich habe schon einmal angefangen, einen Krimi zu schreiben, bin aber über drei, vier Seiten nicht hinausgekommen. Ich tu mir furchtbar schwer, neben dem wissenschaftlichen Schreiben (und das nimmt nicht wenig Zeit in Anspruch) literarisch zu schreiben. Aber wer weiß, vielleicht setz ich mich mal dazu und ziehe das dann durch – ich habe schon seit einiger Zeit einen Roman im Kopf, aber das wird gewiss kein Krimi. Nach all der Beschäftigung mit den Verbrechern und mit ihren Jägern muss man dann was ganz anderes schreiben. Freilich, ein bissl kriminell ist das Leben ja immer, vielleicht könnte diese Geschichte also auch Krimilesern gefallen. Aber etwas dazu sagen tu ich jetzt nicht.

Kriminetz: Nach soviel Kriminalität – gehst du in deiner Freizeit einem Hobby nach, das gar nichts mit diesem Thema zu tun hat?

Christian Bachhiesl: Ich lese sehr viel, Wissenschaftliches, Philosophisches, Historisches, aber auch Romane und manchmal auch Lyrik. Was mich immer mehr beschäftigt, ist die Theologie, oder besser gesagt: der Glaube. Ich entdecke langsam, dass ich wirklich Katholik bin, und nicht bloß Taufscheinchrist. Sport betreibe ich auch ein wenig, Turnen und ein bissl Laufen. Aber am meisten Zeit verlangt und am meisten Freude bringt meine Familie, meine wunderbare (und natürlich die schönste, nach wie vor) Frau Sonja und unsere Kinder Theodor, Rita und Ludwig. Da ist man anständig gefordert, da liegt aber auch ganz viel Sinn und Kraft drin.

Kriminetz: Vielen Dank, Christian Bachhiesl, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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