Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin und in der Bretagne. Neben Sachbüchern und Thrillern wie »Der 21. Juli« und »Das Moskau-Spiel« hat er Kriminalromane um den Historiker Josef Maria Stachelmann veröffentlicht. Seit 2014 ermittelt Eugen de Bodt erfolgreich – sein zweiter Fall »Zwei Sekunden« wurde mit dem Stuttgarter Krimipreis ausgezeichnet, zuletzt erschien »Terrorland«.
Für Kriminetz beantwortete Christian von Ditfurth sieben Fragen.
Kriminetz: In ihrem aktuellen Thriller »Terrorland« agieren starke Frauen als Protagonistinnen. Zum einen Silvia Salinger und dann Erika, die russische Auftragskillerin mit dem deutschen Namen. War es Ihnen ein besonderes Anliegen, Frauen als Agierende und nicht als Opfer darzustellen?
Christian von Ditfurth: In allen meinen Krimis oder Thrillern spielen Frauen wichtige Rollen. Eben nicht nur als Opfer oder Liebhaberin - was manchmal das Gleiche ist -, sondern als handelnde Personen, welche die Fälle voranbringen. Salinger (in allen De-Bodt-Bänden) und Katt (in vier Titeln), dazu in »Terrorland« Miranda, der eine Schlüsselrolle zugedacht ist. Nicht zuletzt die Kanzlerin, die seit Band 2 ihre schützende Hand über de Bodt hält. Es ist mir aber kein Anliegen, Frauen als Agierende und nicht als Opfer darzustellen. Die Welt, wie ich sie sehe, ist so.
Kriminetz: Mit Eugen de Bodt haben Sie einen eigenwilligen Hauptkommissar geschaffen, der bereits in sechs Bänden ermittelt. Teilt sein Autor die Vorliebe für Hegel?
Christian von Ditfurth: O ja. Das Problem ist nur: Hegel zu lesen ist ein zweifelhaftes Vergnügen. Er kann einem die Augen öffnen und einem den Abend vermiesen. Ein großer Denker, ein schlechter Schriftsteller. Ich wäre gern sein Lektor gewesen. Goethe sagte sinngemäß über seinen Zeitgenossen: Ich mag ihn, verstehe aber kein Wort. Mir geht es ähnlich. Aber ich lese immer weiter und bitte das als Heroismus zu preisen.
Kriminetz: Berlin als Drehscheibe von Geheimdiensten - versuchte Einflussnahme auf ausländische Regierungen. Inwiefern hat die Realität Ihren Plot beeinflusst?
Christian von Ditfurth: Meine Thriller mögen manchen Lesern irre vorkommen. Ich empfehle in diesem Fall die Lektüre einer guten Zeitung. Meine Büchern sind durch nichts anderes angeregt als die Wirklichkeit. Manchmal übertreibe ich ein bisschen, aber dann überholt mich die Realität doch. Wir leben in einer Welt der grünen Männchen, in der Zivilflugzeuge vom Himmel geschossen werden, in der hirnlose Versager Leuten die Köpfe abschneiden, in der angeblich zivilisierte Staaten Mörderregimen Waffen verkaufen, ohne die sie kaum Mörderregime sein könnten. In Russland regiert ein Diktator, der Leute umbringen lässt und einen ehemaligen Bundeskanzler zur Imagepflege benutzt. Peking und Pjöngjang wetteifern, wer das tollste KZ baut. In den USA … nächste Frage …
Kriminetz: In »Terrorland«. heißt der amerikanische Präsident Dump. Man darf vermutlich davon ausgehen, Sie hätten den derzeitig amtierenden Präsidenten, falls sie wahlberechtigter Amerikaner wären, nicht gewählt?
Christian von Ditfurth: Sie wollen doch nicht etwa Dump mit Trump verwechseln? Gut, Sie haben gewonnen. Nach der Lektüre von »Terrorland« ist es fast eine geniale Schlussfolgerung, dass ich als US-Bürger Trump nicht wählen würde. Das Einzige an dieser größenwahnsinnigen Null, das mich wirklich ärgert, sind die gut 40 Prozent Amerikaner, die ihn wählen werden. Nach vier Jahren Chaos und Lügen ohne Ende. Es gibt sogar Frauen, die wählen dieses sexistische Arschloch. Das ist ungefähr so, als würde eines von Trumps Pussy-Grab-Opfern »noch mal« sagen, wie ein fünfjähriges Kind beim Ballspielen.
Kriminetz: Vor wenigen Tagen verstarb in USA die hochverehrte Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court. Der amerikanische Präsident nominierte Amy Coney Barrett als Ihre Nachfolgerin. Die Richterin soll Medienberichten zufolge Mitglied einer evangelikalen Sekte sein. Was veranlasst Ihrer Meinung nach Menschen, sich einer streng hierarchischen und patriarchal geprägten Ordnung, wie sie in Sekten vorherrscht, zu unterwerfen?
Christian von Ditfurth: Es gibt zu viele Menschen, die sich in autoritären Strukturen wohlfühlen. Sie finden ihren Platz, richten sich ein. Und wenn sie gehorsam sind, werden sie belohnt. Es ist nicht viel anders als in Tierrudeln, deren Mitglieder sich in die Hierarchie eingliedern, was endlose Kämpfe verhindert und das Rudel insgesamt erfolgreicher macht. Und am Ende fällt für jeden was ab. Betrachten Sie politische Parteien oder Wirtschaftsunternehmen. Ist auch nicht viel anders, oder? Der Fall Barrett ist nur auffälliger. Ich weiß nicht, ob die Richterin wie viele Evangelikale glaubt, dass die Welt im Jahr 4004 v. u. Z. erschaffen wurde. Aber sicherlich glaubt sie, dass Gott ein Mann ist und Eva aus Adams Rippe geschnitzt wurde. Was soll man zu diesem Unfug sagen? Gut, Rotkäppchens Großmutter wurde schließlich vom Wolf gefressen. Klingt auch ziemlich unwahrscheinlich und ist trotzdem wahr.
Kriminetz: Sie erwähnen Corona in »Terrorland« lediglich kurz. Für SchriftstellerInnen ist es eine Abwägung, ihren ProtagonistInnen Gesichtsmasken und Desinfektionsmittel zu verpassen. Haben Sie sich bewusst dagegen entschieden oder fand der Schreibprozess hauptsächlich in Vor-Corona-Zeiten statt?
Christian von Ditfurth: Ich habe mit dem Manuskript angefangen, als noch niemand eine Ahnung hatte, was auf uns zukommt. Ich habe mich entschieden, in diesem Fall nicht der Aktualität hinterherzuschreiben, weil ich dann auf die Nase gefallen wäre. Ich bin nämlich kein Prophet. Ich habe das Manuskript ein Dreivierteljahr vor Erscheinen des Buches beendet. Für meine Geschichte konnte ich leicht auf den Corona-Wahnsinn verzichten. Der hätte sowieso nur abgelenkt.
Kriminetz: Im Netz ist zu lesen, Ihre Familie lebte eine Weile an der Bergstraße. Woran denken Sie besonders gerne zurück?
Christian von Ditfurth: Wir lebten ein paar Jahre am waldigen Rand eines Odenwalddorfs. Für ein Kind war das Abenteuer pur. Dann habe ich in Heidelberg Geschichte studiert, flog eineinhalb Jahre von der Uni (Diskussionsverlangen = Nötigung) und habe mir den Spaß erlaubt, mein Examen dort zu machen, wo sie mich loswerden wollten. Bewegte Zeiten.
Kriminetz: Vielen Dank, Christian von Ditfurth, für die Beantwortung der sieben Fragen.
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