Sieben Fragen an Daniel Carinsson

Das Foto zeigt den Schriftsteller Daniel Carinsson. Foto: © Sarah Koska

Daniel Carinsson ist in Berlin geboren. Gelernter Tontechniker, später Musikproduzent, Werbetexter, zwischenzeitlich Hiker in den USA, dann PR-Profi, Veranstalter sowie Betreiber eines Musiklabels in Wien und schließlich Web-Contentmanager, Blogger und Schriftsteller. Heute lebt er an einem Ort an der Donau, nahe der slowakischen Grenze, im Lichtatelier einer Jahrhundertwendevilla mit bewegter Vergangenheit. Neben seinem Autorenblog veröffentlicht er auch Artikel und Kurzgeschichten in Publikationen, wie dem Standard oder der Zeit.

Er ist einer der Sprecher des SYNDIKATS, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur, und Mitglied im Vorstand des SYNDIKAT e.V.

Für Kriminetz beantwortete Daniel Carinsson sieben Fragen.

Kriminetz: In deinem Krimi „Goldregen“ ermittelt Musikmanager Adam Wischnewski aus Wien. Sind da eigene Erfahrungen aus dem Musikmanagement eingeflossen?

Daniel Carinsson: Absolut, ja. Nicht im kriminalistischen Sinn zwar, aber das Genre, die Atmosphäre, die Charaktere der Nebenfiguren und vor allem auch die Regionen und Locations, das habe ich zum größten Teil aus meinen Erlebnissen geschöpft. Es fiel mir daher beim Schreiben auch immer recht leicht, wieder in die Szenerien einzutauchen. Nachdem „Goldregen“ und auch dessen Vorgänger „Baro Drom“ erschienen waren, haben mir viele Leserinnen und Leser gesagt, dass sie die lebensechten Schilderungen der Gypsy-Musik-Szene und der Landschaften in Osteuropa sehr genossen hätten. Das hat mich natürlich immer ungemein gefreut.

Kriminetz: Was hat dich von der Spree an die Donau gebracht?

Daniel Carinsson: Auf diesem Weg gab es zunächst einmal etliche Zwischenstationen. Ich habe viele Jahre in Bayern gelebt und bis Ende des letzten Jahrhunderts in München gearbeitet. Dann bin ich zur Jahrtausendwende nach Los Angeles gezogen, weil ich dort schon immer mal leben wollte und weil es natürlich außerdem für mich die Musikhauptstadt der Welt ist. Ich habe dort extrem viel gelernt und erlebt. Nach Wien bin ich dann des Herzens wegen gezogen. Die Telefonrechnungen für mich und meine damalige Freundin, die in Wien studierte, wurden einfach zu hoch. Ich muss allerdings sagen, dass ich schon vorher ein großer Wien-Fan war und in Nordeuropa für mich schon immer nur zwei Städte in Frage kamen, um dort wirklich länger zu leben und das waren Berlin und Wien.

Kriminetz: Du hast ein „Kickstarter-Projekt“ ins Leben gerufen, um einen 3D-Kalender zu produzieren. Magst du etwas darüber erzählen?

Daniel Carinsson: Ja, gerne. Das ist wieder etwas ganz Neues und sehr Spannendes. Dabei treffen sich zwei Interessensgebiete, nämlich die Fotografie – ich fotografiere schon immer ausgesprochen viel und wenn ich den Rückmeldungen von Freunden oder auch auf Facebook zum Beispiel glauben darf, auch gar nicht schlecht – und das Interesse an Geschichte. In dem Fall vor allem an der Spätantike und der Völkerwanderungszeit. Dieses Interesse ist so richtig erst erwacht, seit ich aus Wien ein wenig auf’s Land gezogen bin. Auf den Boden, auf dem ich jetzt lebe, stand bis vor 1.600 Jahren eine der größten und wichtigsten Städte entlang des östlichen Limes – der römischen Reichsgrenze – Carnuntum. Über 50.000 Menschen lebten dort, für damalige Verhältnisse eine Metropole. Es gibt eine großartige Ausgrabungsanlage gleich bei mir um’s Eck. Dort hat man zum Teil die ausgegrabenen Fundamente wieder zu kompletten Gebäuden rekonstruiert. Zum Beispiel gibt es dort eine voll funktionstüchtige Therme. Faszinierend, diesen antiken Luxus quasi „in echt“ zu sehen.

Und dieses „in echt“ möchte ich in Bildern noch auf die Spitze treiben, daher habe ich angefangen mich mit 3D-Fotografie zu beschäftigen und den Möglichkeiten, diese gedruckt erlebbar zu machen. Die Ergebnisse begeistern mich wirklich.
Dummerweise kann man 3D-Drucke nicht im Copyshop machen. Die Technik ist recht aufwändig und daher nicht gerade billig. Um das zu ermöglichen habe ich jetzt eben ein Kickstarterprojekt auf den Weg gebracht. Infos Kickstarterprojekt

Ich hoffe sehr, dass es genug Unterstützer findet, damit ich diesen ersten Kalender realisieren kann. Wenn das klappt, dann werde ich das Kalenderkonzept, das ich „12 Fenster“ getauft habe, noch weiter ausbauen und weitere Motivserien ins Bild setzen. Wobei ich über die Kalender hinaus dann noch mehr mit 3D Fotografien vorhabe.

Kriminetz: Du bist einer der Sprecher des SYNDIKATS, der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur. Was umfasst dein Aufgabenbereich?

Daniel Carinsson: Mein Schwerpunkt beim SYNDIKAT ist vor allem die Website. Nicht inhaltlich, da haben wir mit Nadine Buranaseda eine großartige und engagierte Chefredakteurin, aber technisch. Ich habe vor 2 Jahren die Arbeitsgruppe geleitet, die das Konzept für einen Relaunch der SYNDIKATs-Website erstellt hat und dieses habe ich dann gemeinsam mit einer externen Agentur, der Firma Feenders aus Berlin, umgesetzt. Außerdem kümmere ich mich auch um die sonstigen Applikationen und Tools, die wir im SYNDIKAT zum Einsatz bringen, wie unser Verwaltungsprogramm, das Anmeldetool für die CRIMINALE, unser jährliches, großes Krimifestival, oder unser Umfragetool, mit dem wir Feedback von unseren Mitgliedern einholen, aber gerade jetzt zum Beispiel auch verbandsübergreifend im Rahmen des Netzwerk-Autorenrechte.de eine große Befragung starten, unter den gut 7.000 Autorinnen und Autoren, die Mitglieder in verschiedenen, im Netzwerk vertretenen Organisationen sind. Dabei geht es um die Honorare bei Lesungen. Im SYNDIKAT führe ich diese Befragung zu dem Thema jährlich bereits seit 2015 durch und jetzt wollen wir das auf eine statistisch noch breitere Basis stellen, um daraus wirklich signifikante Schlussfolgerungen ziehen und ggf. auch Aktionen setzen zu können.

Kriminetz: Als wir uns bei der Criminale in Graz unterhielten, bekam ich den Eindruck, du interessierst dich ebenfalls für historische Stoffe?

Daniel Carinsson: Ja, das stimmt. Als Jugendlicher habe ich vor allem Historienromane verschlungen und, wie gesagt, das beschriebene Kalenderprojekt ist nur ein erstes Ergebnis meiner Recherchen zur Spätantike und Völkerwanderungszeit. Ich habe in den letzten zwei Jahren einen Roman geschrieben, der im Jahr 468 n.Chr. spielt und für den ich jetzt beginne, einen Verlag zu suchen.

Kriminetz: Wenn alte Häuser erzählen könnten, würden sie uns all die Geschichten über ihre früheren Bewohner erzählen, von Leben, Lieben, Leid, Glück und Freuden. Was flüstert dir das Lichtatelier der alten Villa, in dem du lebst?

Daniel Carinsson: Was heißt da „wenn sie könnten“, also die alte Villa spricht wirklich ständig und viel. Wenn ein wenig Wind draußen geht, dann lebt das Gebälk auf und will gar nicht mehr aufhören, Klänge von sich zu geben. Die Villa wurde 1902 gebaut und hat eine Menge Abenteuerliches, aber auch Skurriles, zum Teil aber auch sehr Trauriges zu berichten. Die Gemeinde hat sie einst einem Bildhauer geschenkt. Toll, denkt man. Allerdings war es nicht ein Geschenk angesichts seiner künstlerischen Verdienste, die haben zu seinen Lebzeiten quasi kaum jemanden interessiert, sondern dafür, dass er als „Turnvater“ in der Gemeinde so große Verdienste erworben hatte. Tragisch eigentlich. Gleichzeitig steckt da auch viel – durchaus ambivalente – Geschichte drin.
Und nicht nur das Haus, der ganze Ort, in dem es steht, hat etwas herrlich Morbides. Die Gegend war schon bei den Römern für ihre Heilthermen bekannt, zur Zeit der K&K Monarchie war das dann ein mondänes Kurbad. Die erste österreichischen Dampfeisenbahnlinie fuhr aus Wien dorthin und wir haben heute einen großen „toten“ Nebenarm der Donau, also ein Flussstück, das nicht wieder in den Hauptfluss zurückfließt, das war vor 100 Jahren ein riesiges Freibad mit Sandstrand. Da wo heute an schilfigem Ufer Biber die Bäume umnagen, flanierten also damals die Herrschaften der besseren Wiener Gesellschaft in der Sommerfrische, mit Schirmchen und Picknickkorb. Von alle dem gibt es heute nur noch vergilbte Postkarten. Aber es ist außerordentlich spannend, dort entlang zu spazieren und sich das vorzustellen.

Kriminetz: Woran arbeitest du neben deinem Kalenderprojekt derzeit?

Daniel Carinsson: Zum einen werde ich in den nächsten Monaten Verlage abklappern, um ein gutes „Heim“ für den besagten Historienroman zu finden, dann erscheint im Oktober eine Kurzgeschichte von mir in der Anthologie „Blood on the tracks“, die mein SYNDIKATs-Kollege Günter Neuwirth als Herausgeber zusammengestellt hat. Sehr spannend für mich, da es lauter Geschichten sind, die mit Popmusik zu tun haben. Eine weitere Kurzgeschichte schreibe ich wohl im Winter für die kommende CRIMINALE-Anthologie und dann, wenn alles gut geht, werde ich Adam Wischnewski mal wieder anklingeln und ihn auf eine neue Reise und in ein neues Abenteuer schicken. Dann stehen für ihn Moskau und Paris auf dem Plan und er wird es mit es mit einer ganzen Reihe ziemlich gerissener Frauen zu tun bekommen.

Kriminetz: Vielen Dank, Daniel Carinsson, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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