Sieben Fragen an Dieter Aurass

Das Bild zeigt den Schriftsteller Dieter Aurass. Foto: © Jürgen Schmid, Kriminetz

Dieter Aurass wurde 1955 in Frankfurt am Main geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Abitur begann er seine 41 Jahre andauernde Karriere bei der Polizei. 30 Jahre lang war er Ermittler des Bundeskriminalamtes in den Bereichen Terrorismusbekämpfung und Spionageabwehr. Die letzten elf Jahre seiner Polizeikarriere arbeitete er im IT-Management der Bundespolizei. Seit fünf Jahren schreibt er Kriminalromane. Dieter Aurass ist seit 35 Jahren verheiratet und lebt mit seiner Frau und einer Boston-Terrier-Hündin in Mülheim-Kärlich bei Koblenz am Rhein.

Dieter Aurass ist Mitglied im Syndikat und im VS (Verband deutscher SchriftstellerInnen).

Für Kriminetz beantwortete Dieter Aurass sieben Fragen.

Kriminetz: Du hast dein gesamtes Berufsleben bei der Polizei verbracht. Vermisst du es im Ruhestand an manchen Tagen ein wenig?

Dieter Aurass: *lautes Lachen* Oh ja, sogar sehr oft und wesentlich mehr als nur »ein wenig«. Der Spruch »einmal Polizist, immer Polizist« ist nur zu wahr. Immer wenn ich ein Geschehen beobachte, bei dem ein Polizeibeamter einschreiten würde, juckt es mir in den Fingern. Man kann das nicht einfach ablegen. Wenn man den Beruf ernstgenommen hat, dann fühlt man auch nach Jahren im Ruhestand immer noch die Verpflichtung und den Wunsch, zu helfen oder für Recht und Ordnung einzutreten. Glücklicherweise hält mich meine Frau meist davon ab, den Dorf-Sheriff zu spielen, der in der Kleinstadt nahe Koblenz, in der wir leben – und wo jeder jeden kennt – kein wirklich beliebter Mensch wäre :-)

Kriminetz: Was bringt ausgerechnet einen Polizisten dazu, Krimis zu schreiben? Quasi die Perspektive zu wechseln?

Dieter Aurass: Nein, das war es nicht. Ich wollte schon immer Bücher schreiben, am liebsten »Science Fiction«. Als ich dann im Alter von 59 Jahren damit anfing, war ich aber der Überzeugung, dass man gerade zu Beginn über etwas schreiben sollte, von dem man wenigsten ein wenig Ahnung hat. Da bot sich für mich der Krimi als Genre natürlich an.

Zudem hat mich in vielen Romanen und Filmen schon immer gestört, dass oft Arbeitsweisen, Zuständigkeiten oder fachliche Begriffe so grauenhaft falsch dargestellt wurden. Das war eine der Maßgaben, die ich mir selbst gegeben habe, dass ich so realitätstreu wie möglich schreiben wollte. Natürlich muss man dennoch manchmal ein wenig die schriftstellerische Freiheit walten lassen, weil sonst ein Plot nicht funktioniert oder das gewünschte Handlungsziel nicht erreicht werden kann.

Kriminetz: Bei den Krimi-Quickies, die auf dem Youtube-Kanal des Syndikats zu sehen sind, liest du aus »Jeden 3. Tag«. Der Thriller ist im Niemeyer-Verlag erschienen. Worum geht es darin?

Dieter Aurass: Der Roman handelt von einem Serienkiller, einem hochintelligenten Soziopathen, dessen Ziel es ist, die Polizei als unfähig bloßzustellen, seine grenzenlose Überlegenheit zu beweisen und dadurch als der größte Serienkiller aller Zeiten in die Geschichte einzugehen.

Gleichzeitig hat der Roman – wie fast alle meine Bücher – eine oder mehrere Botschaften, die ich quasi spielerisch in die Handlung einbauen und so vermitteln wollte. Bei diesem Roman handelt es sich um folgende:

  • Man sollte Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Jugend unterschätzen.
  • Jeder Mensch – sogar PolizistInnen – haben ihre Qualitäten, auch wenn sie nicht gleich von jedem erkannt werden.
  • Ein guter Vorgesetzter bei der Polizei muss auch zuhören und seinen MitarbeiterInnen etwas zutrauen können. Ein schlechter Vorgesetzter hält sich für den Besten.

Lustigerweise war in der Kritik einer Bloggerin zu lesen, dass der im Roman vorkommende Vorgesetzte lächerlich überzeichnet und absolut unglaubwürdig sei – und ausgerechnet dieser Charakter war nahezu 1 zu 1 einer lebenden Person aus meiner beruflichen Vergangenheit nachgebildet :-) Daraus habe ich wieder mal gelernt, dass die Wahrheit oft unglaubwürdiger ist als die Fiktion.

Aber der Roman spiegelt viele meiner eigenen Erfahrungen wider und einige der handelnden Personen sind an real existierende ehemalige Kollegen von mir angelehnt.

Kriminetz: Einige deiner Krimis, wie »Frankfurter Kaddisch«, »Frankfurter Blutspur«, »Frankfurter Schattenjagd« (die Titel verraten es bereits), handeln in Frankfurt. Weshalb hast du dich nun mit »Jeden 3. Tag« für Koblenz als Handlungsort entschieden?

Dieter Aurass: *Lächeln* Auch das liegt daran, dass ich zu Beginn meiner Laufbahn als Autor meine Handlungen an einem Ort spielen lassen wollte, wo ich mich auskannte – schließlich hatte ich die ersten 18 Jahre meines Lebens in Frankfurt gelebt.

Als aber die Zahl von Lesungen zunahm, die zumeist im Rhein-Main-Gebiet stattfanden, artete die Fahrerei soweit aus, dass ich mir vornahm, die nächsten Romane in der Region spielen zu lassen, wo ich inzwischen seit über 35 Jahren lebe.

Kriminetz: In Krimis hält sich das Klischee des einsamen Ermittlers oder der einsamen Ermittlerin, die sich wider besseres Wissen in Gefahr bringen. Bei realer polizeilicher Ermittlungsarbeit sind vermutlich Team-Player gefragt?

Dieter Aurass: Da hast du absolut recht. Alleingänge sind einfach zu gefährlich, allerdings führen sie in Krimis eben die Situationen herbei, die dann eine Gefahr darstellen oder die Protagonisten in brenzlige Situationen bringen. Trotz dieser falschen Darstellung lese und sehe ich liebend gerne Krimis, aber eben als Unterhaltung und nicht als »Fachliteratur«.

Es nervt mich allerdings wahnsinnig, wenn KollegInnen, die seit Jahren zusammenarbeiten, per SIE miteinander reden. Sowas gibt es in der Realität nicht. KollegInnen, die gemeinsam unterwegs sind, bilden eine Gefahrengemeinschaft … und da bleibt man nicht per SIE.

Kriminetz: Woran arbeitest du derzeit?

Dieter Aurass: Wie fast immer, laufen mehrere Projekte nebeneinander ab. Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass 2020 lediglich ein Buch von mir erschien, dafür aber 2021 aber mindesten drei neue Bücher:

  • Im August 2021 erscheint mein Adventskalender-Auftrennbuch mit 24 Kurzkrimis von mir … einer für jeden Tag des Advents.
  • Im Herbst 2021 erscheint die Fortsetzung von »Jeden 3. Tag« unter dem Titel »Zwang zu töten« im Niemeyer-Verlag.
  • Noch im ersten Halbjahr soll das spannende Projekt von WOOBOOKS (Kick-Verlag) in Zusammenarbeit mit der Crowdfunding-Plattform STARTNEXT beginnen. Dort sollen Interessierte einen Roman kaufen, den es noch gar nicht gibt.Erst wenn genügend Interessenten gekauft haben, wird das Buch geschrieben. Ein wirklich interessantes Konzept, auf das ich sehr gespannt bin. Wenn sich nicht genügend Interessierte finden, bekommen natürlich alle ihr Geld zurück.
  • Und dann habe ich natürlich auch schon begonnen, das 3. Buch um den Koblenzer Leiter der Mordkommission Ulf Auer zu schreiben.
  • Zusätzlich wage ich mich erstmals in ein Roman-Genre, dass nicht Krimi ist. Dazu darf ich aber noch nicht viel sagen.

Kriminetz: Wir waren gemeinsam in der Jury für den Roman-Glauser-Preis 2021 des Syndikats. Die Zusammenarbeit aller war überaus angenehm. Was nimmst du für dich persönlich mit aus dieser Zeit?

Dieter Aurass: Die Lehre für mich war, dass die Geschmäcker – auch unter AutorInnen – doch sehr verschieden sein können, was den Schreibenden dahingehend Mut machen sollte, dass sich auch für ihren Roman jemand finden wird, der oder die das Werk toll und spannend findet.

Dass wir uns in dieser bunt gemischten Truppe von fünf JurorInnen dennoch auf einen Siegertitel einigen konnten, lag sicherlich daran, dass unserer Ansprüche an Qualität und unser Empfinden von Außergewöhnlichkeit dann doch sehr ähnlich waren.

Es war eine wirklich angenehme Zusammenarbeit, die mir sehr viel Freude gemacht hat.

Kriminetz: Vielen Dank, Dieter Aurass, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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