Sieben Fragen an Gerhard Loibelsberger

Gerhard Loibelsberger (rechts im Bild) im Café Sperl gemeinsam mit David Schmitz, der derzeit die "Naschmarkt-Morde" ins Englische übersetzt. Foto: © beim Autor

Gerhard Loibelsberger, geboren 1957 in Wien, startete 2009 mit den Naschmarkt-Morden eine erfolgreiche Serie historischer Kriminalromane rund um den schwergewichtigen Inspector Joseph Maria Nechyba im Gmeiner-Verlag. Im Jahr 2017 erschienen der Italien-Thriller Im Namen des Paten – als Fortsetzung des Venedig-Thrillers Quadriga – sowie der erste Nechyba-Comic Der Bankert vom Naschmarkt. Zu Loibelsbergers 60. Geburtstag erschien der Lyrik-Band Ants & Plants als E-Book. 2018 folgten der sechste und letzte Nechyba-Roman Schönbrunner Finale sowie der Lyrik- & Kurzprosaband Young Dummies. 2019 erschien ergänzend zu den Nechyba-Romanen der Kurzgeschichtenband Mophium, Mokka, Mördergeschichten, in dem Nechybas Entwicklung vom 13jährigen Buben zum 57jährigen Grantler geschildert wird.

Im Haymon-Verlag erschienen aus seiner Feder Killer-Tschick: Ein Donau-Soko/Soko-Wien-Krimi sowie Im Namen des Paten und das E-Book Krazy Words

2010 wurde sein historischer Kriminalroman "Die Naschmarkt-Morde" für den Leo-Perutz-Preis der Stadt Wien nominiert. 2014 wurde "Todeswalzer – ein Roman aus dem alten Wien" mit dem HOMER Literaturpreis in Silber in der Kategorie Krimi & Thriller ausgezeichnet und 2016 "Der Henker von Wien – ein Roman aus dem alten Wien" als bester historischer Krimi mit dem HOMER Literaturpreis in Gold.

Für Kriminetz beantwortete Gerhard Loibelsberger sieben Fragen.

Kriminetz: Joseph Maria Nechyba, der Held deiner erfolgreichen Reihe im Gmeiner Verlag ermittelt im alten Wien, zu einer Zeit, die bei einigen Sehnsüchte nach Vergangenem hervorruft. Wie kamst du auf diese Figur? War die eines Tages einfach in deinem Kopf?

Gerhard Loibelsberger: Nicht eines Tages sondern eines Morgens im Halbschlaf. Da hab’ ich den Dicken vor mir gesehen, wie er in seinem Büro sitzt, sein Gabelfrühstück verzehrt, ein Bier trinkt und anschließend eine Virginier raucht. Am selben Vormittag habe ich dann diese Szene – sie ist das Kapitel 1 der „Naschmarkt-Morde“ – in meinen Mac getippt. Meine damalige Ehefrau hat das bemerkt und nach einem Blick auf den Bildschirm geschimpft: „Was machst denn da schon wieder für einen Blödsinn. Schreib was, womit Du Geld verdienen kannst.“

20 Jahre später habe ich über 30.000 Stück davon verkauft und zu meiner großen Freude erscheinen die „Naschmarkt-Morde“ im Herbst 2020 nun auch in einer edlen Hardcover Ausgabe.

Zum Thema Sehnsüchte nach Vergangenem:
Die hatte ich nie. Sehr wohl aber ein großes Interesse für die Regierungszeit von Kaiser Franz Josef I. (1848 -1916). Das hat wohl auch damit zu tun, dass meine Großmütter (beide wurden 1896 geboren) mir als Kind und Jugendlicher viel über „damals“ erzählten. Und so las ich schon während meiner Schul- und Studentenzeit Kafka, Roth, Herzmanovsky-Orlando, Doderer, Musil, Torberg, Rilke, Trakl etc. Mir wurde dank dieser Lektüre allmählich klar, dass die „gute alte Zeit“ nur alt aber nicht gut war. Dieser Verklärung der Vergangenheit zu widersprechen war schließlich eine starke Motivation, die sechsbändige Nechyba-Saga plus zwei Nechyba-Kurzgeschichtenbände zu verfassen.

Kriminetz: Nechyba ist ein Freund lukullischer Genüsse. Sein Autor ebenfalls? Wo kaufst du am liebsten ein? Ich sehe dich in meinen Gedanken mit einem Korb am Arm über den Naschmarkt spazieren, um den Wien wirklich zu beneiden ist. Passt dieses Bild zu dir?

Gerhard Loibelsberger: Grundsätzlich ja. Nur dass ich mit dem Rucksack einkaufen gehe. Das hat vor allem damit zu tun, dass ich beim Einkaufen immer meinen Hund dabei habe und eine Hand für die Leine benötige.

Was den Naschmarkt betrifft, so war das bis vor einigen Jahren tatsächlich so, dass ich hier oft und gerne eingekauft habe. Mittlerweile sind etliche Stände, die Lebensmittel verkauft haben, verschwunden. Stattdessen gibt es immer mehr Gastronomiebetriebe sowie Kitsch- und Klumpert-Stände (Klumpert = Wiener Ausdruck für wertloses Zeug), die in jeder Hinsicht uninteressant sind. Auch mein Lieblingsstand „Beim Georg“, wo ich jahrelang unzählige Achterln Wein mit Freunden getrunken habe, ist neu übernommen worden und nicht mehr das, was er einmal war.

Da sich meine Wiener Wohnung am Rande der Innenstadt – in unmittelbarer Nähe des Naschmarkts – befindet und die Innenstadt von Touristenhorden mehr und mehr überrannt wird, habe ich mittlerweile eine Wohnung im südlichen Niederösterreich am östlichen Rand der Alpen bezogen. Hier kaufe ich bei einem Biobauern Eier, Würste, Käse und Fleisch vom Angusrind ein. Es gibt eine Gärtnerei mit wunderbarem naturnah angebauten Gemüse, zwei gute Bäcker, zwei sehr gute Konditoreien, einen Imker, einen Schnapsbrenner, der köstliche Destillate herstellt und einen Fleischhauer (=Metzger), der noch eigene Produkte erzeugt und bei dem ich unter anderem hausgemachte Wildwürstel, luftgetrockneten Gams- und Hirschschinken, Lardo vom Mangalitza Schwein sowie eine herrliche Wildpastete bekomme.

Was die lukullischen Genüsse betrifft, so ich kaufe fast ausschließlich Bio-Produkte. Sie schmecken einfach besser. Und was Kalb-, Rind-, Schweinefleisch, Geflügel und Eier betrifft, hasse ich die Vorstellung, dass ich etwas esse, das von gequälten Tieren stammt. So leben die Angusrinder meines Biobauern die meiste Zeit des Jahres auf der Weide rund um dem Hof, der auf ca. 800 m Seehöhe liegt. Das schmeckt man. Der feinere Geschmack und die intensivere Aromatik sind auch bei Bio-Gemüse und Bio-Obst, das es in Österreich in den Supermärkten in recht großer Auswahl gibt, intensiv erlebbar.

So wie Nechyba koche auch ich oft und gerne. Und wie man sagt, auch recht gut. Wenn nicht alle Stricke reißen, wird nächstes Jahr ein Nechyba Kochbuch mit Altwiener Rezepten erscheinen. Kochen und Schreiben sind meine zwei großen Passionen.

Kriminetz: Neben deiner erfolgreichen Reihe im Gmeiner-Verlag hast du im Haymon-Verlag Killer-Tschick: Ein Donau-Soko/Soko-Wien-Krimi sowie Im Namen des Paten veröffentlicht. Weshalb hast du dich beim Schreiben für das Genre Kriminalroman entschieden?

Gerhard Loibelsberger: Alles begann mit den „Naschmarkt Morden vor rund 25 Jahren. Damals hat es bei weitem noch nicht die Schwemme an Krimis gegeben, die heute den Buchmarkt überflutet. Wer damals – so wie ich – gerne Krimis las, hatte die Chance, KriminalLITERATUR in die Hände zu bekommen. Mich haben Autoren wie Leo Perutz, Georges Simenon, Fruttero & Lucentini, Liza Cody, Raymond Chandler und Jim Thompson fasziniert. Besonders beeindruckt haben mich „Die neuen Geheimnisse von Paris“, die Leo Malet verfasst hat. Sie inspirierten mich dazu, Wien-Krimis zu schreiben, in denen ich sehr genau auf bestimmte Bezirke meiner Heimatstadt eingehe.

Da immer das Gleiche schreiben fad ist, habe ich mir in den letzten Jahren gelegentlich Ausflüge ins Thriller-Genre erlaubt. Dazu zählen meine beiden Venedig Bände „Quadriga“ und „Im Namen des Paten“ sowie der an die Soko Donau/Soko Wien-TV-Serie angelehnte Band „Killer-Tschik“. Sie sind temporeicher und zum Teil auch brutaler als die Nechyba-Bücher. Dass diese Ausflüge bei so manchem Nechyba-Fan nicht auf große Begeisterung stoßen werden, war mir von der jeweils ersten geschriebenen Zeile dieser Bücher an klar.

Kriminetz: Zu deinem 60. Geburtstag erschien der Lyrik-Band »Ants & Plants« als E-Book. Ist damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen?

Gerhard Loibelsberger: Natürlich. Da ich jahrzehntelang nicht nur Romane und Kurzgeschichten sondern auch Kurztexte und Lyrik geschrieben habe, hat es mich gefreut, dass diese Arbeiten einmal veröffentlich werden. Noch mehr freute es mich, dass Gmeiner ein Jahr später das E-Book „Young Dummies“ mit meinen Jugendtexten wie z.B. meiner ersten Kurzgeschichte „30 Stunden Erde“ veröffentlicht hat. Es gibt auch noch ein drittes E-Book mit Lyrik und Kurztexten aus meiner Feder. Es heißt „Krazy Words“ und ist bei Haymon erschienen.

Kriminetz: Angenommen, jemand hat einen Tag Zeit, um Wien zu besuchen. Wo sollte sie oder er unbedingt hin?

Gerhard Loibelsberger: Ich empfehle einen Rundgang durch das historische Herz der Stadt. Vom Stephansplatz (genaugenommen von dem Teil, der Stock-im-Eisen-Platz heißt) führt die Route die Singerstraße hinab bis zur ersten Quergasse (Liliengasse). Diese kurze Gasse entlang, dann links und gleich wieder rechts in die Rauhensteingasse. Hier biegen wir bei der ersten Möglichkeit links in die Blumenstockgasse ein, die wir entlang zur Ballgasse gehen. Die führt uns in ein Durchhaus, durch das wir auf den Franziskanerplatz gelangen. Den überqueren wir und kommen wieder zur Singerstraße, wo wir uns nach rechts wenden. Auf N° 28 befinden sich die „3 Hacken“, eines der schönsten historischen Beisln (=Kneipen) der Stadt. Hier empfiehlt es sich eine Pause zu machen und Altwiener Köstlichkeiten zu genießen. Solchermaßen gestärkt gehen wir ein Stück zurück und biegen bei der ersten Möglichkeit rechts in die Kumpfgasse ein. Die gehen wir jedoch nicht entlang, sondern biegen gleich links zur Grünangergasse ab. Hier eröffnet sich vor uns ein Durchgang, der uns durch mehrere Hinterhöfe in die Blutgasse führt. Die gehen wir nach rechts zur Domgasse. Am „Figarohaus“ (Wohnung von Mozart) vorbei geht es in ein Durchhaus, das uns zur Rückseite des Stephansdoms und damit zum Ende dieses Spaziergangs führt. Viel Vergnügen!

Kriminetz: Du machst zusätzlich zur Schriftstellerei Musik und spielst in einer Band namens „Der dritte Mann“. Wohnen zwei künstlerische Seelen in deiner Brust?

Gerhard Loibelsberger: Nein. Ich betrachte Musik als eine hervorragende Möglichkeit, meine Songtexte bzw. meine Lyrik akustisch umzusetzen.

Kriminetz: Worauf dürfen sich deine Leserinnen und Leser als nächstes aus deiner Feder freuen?

Gerhard Loibelsberger: Auf das Prequel zur Nechyba-Serie. Es ist ein historischer Wirtschaftskrimi und hat den Titel „Alles Geld der Welt“. Die Geschichte handelt vom großen Börsenkrach am 9. Mai 1873 mit dem die Wiener Gründerzeit beendet wurde. Unzählige Banken, Geschäfte und Unternehmen gingen zugrunde. Die Gier, die damals Wien uneingeschränkt regierte, stürzte Zehntausende ins Verderben. Eine Geschichte von Börsenspekulanten, Immobilienhaien und Glücksrittern. 150 Jahre zurück und doch unglaublich aktuell. „Alles Geld der Welt“ erscheint Anfang Juni 2020.

Kriminetz: Vielen Dank, Gerhard Loibelsberger, für die Beantwortung der sieben Fragen.

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