Gert Weihsmann, 1961 in Villach geboren, lebt seit mehr als 30 Jahren in Wien. Als erfahrener On-Trade-Field-Manager bei einem großen internationalen Getränkekonzern tätig, ist der Autor bestens mit dem österreichischen Tourismus in all seinen Facetten vertraut. „Ischgler Schnee“ ist sein erster Kriminalroman. Nicht nur eine „Whodunit“-Geschichte, sondern auch ein analytischer Blick hinter die Kulissen des High-Energy-Wintertourismus. Und einer Hochgeschwindigkeitsgesellschaft, die auf trügerischen Superlativen aufgebaut ist und dem eigenen Ende entgegenrast.
Für Kriminetz beantwortete Gert Weihsmann sieben Fragen.
Kriminetz: Ischgl, Österreichs bekanntestes High-Energy-Ski-Resort, ist der Schauplatz deines Krimis „Ischgler Schnee“. Bist du selbst quasi mit Skiern auf die Welt gekommen?
Gert Weihsmann: In Sichtweite von Skiern zumindest: in der Nähe meines Geburtsortes Villach liegen Skigebiete wie die Gerlitzen, das Dreiländereck oder Bad Kleinkirchheim. Außerdem führte ein Onkel die Skischule auf dem Nassfeld/Karnische Skiregion. Dort habe ich das Skifahren gründlich erlernt. Die Begeisterung dafür ist bis heute geblieben.
Kriminetz: Hinter der mondänen Kulisse des Apres-Skis werkeln viele hilfreiche Geister, die alles am Laufen halten. War es möglich, Einblicke in die Welt hinter dem glänzenden Vorhang zu gewinnen?
Gert Weihsmann: Beruflich hatte ich fast zwei Jahrzehnte mit der Gastronomie in ganz Österreich zu tun, in den kühleren Jahreszeiten mit dem Fokus auf Parade-Skigebiete wie Kitzbühel, St. Anton, Sölden, Lech oder auch Ischgl, dem Epi-Zentrum des Aprés-Ski. Über den Beruf habe ich viel über die beinharten Arbeitsbedingungen hinter den Kulissen erfahren dürfen – es ist alles andere als leicht, hundertfünfzig Partyabende hintereinander zu schmeißen. Und dabei einigermaßen sauber zu bleiben. If you can make it there, you can make it everywhere…
Kriminetz: Harald Selikovskys 2. Fall, „Wiener Lied“, führt ihn in die österreichische Hauptstadt. Das Mordopfer verfügte über eine Inselbegabung. Was hat dich daran gereizt, Menschen zu porträtieren, die so ganz anders sind als das, was gemeinhin unter „Norm“ verstanden wird?
Gert Weihsmann: Gerade weil diese Menschen anders sind. Und mit ihrer Existenz die sogenannte „Norm“ hinterfragen. Vor allem war es mir ein Anliegen zu zeigen, dass man durch jede Hölle gehen muss, um etwas Großes, Außerordentliches und Schönes wie ein Kunstwerk (im Roman eine Totenmesse) zu schaffen: PER ASPERA AD ASTRA (dt. „über raue Pfade zu den Sternen“), wie das auf Seneca zurückgehende lateinische Sprichwort lautet.
Ich selbst war im Kindesalter Autist und habe bis zu meinem fünften Lebensjahr kein Wort gesprochen. Die Schuhbänder konnte ich mir als Kind und Jugendlicher auch nie zubinden – genau wie die Hauptfigur Alexander Kugler, der übrigens ein fiktiver Nachfahre des gleichnamigen Friedhofwärters ist, der in St. Marx Wolfgang Amadeus Mozarts heute noch dort befindliche Gedenkstelle am vermuteten Ort des originalen Schachtgrabes errichtet hat. Ein absolutes Muss für jeden Wien-Besucher.
Kriminetz: Du bist ein Experte für Whisky. Hast du eine Empfehlung zum Einstieg in den Genuss? Gibt es ein absolutes „No go“ im Umgang mit dem edlen Getränk?
Gert Weihsmann: Um – schottischen – Whisky in zwei Gläsern einigermaßen zu begreifen: einen sehr alten, Sherry-Fass gelagerten Whisky (18 Jahre aufwärts, bevorzugt aus dem Speyside) und einen ganz jungen, rauchigen Single Malt aus Islay. Dann hat man die beiden Geschmackspole vor sich und kann entscheiden, in welche Richtung man weiter genießen möchte. Und an die Quellen fahren – erst der Besuch einer oder mehrerer Destillerien erschließt dem Neueinsteiger das Universum Whisky so richtig. Einziges No-Go: Eiswürfel in einen guten Single Malt. Killt die Primäraromen und bringt sie auch nach dem Schmelzen nicht wieder zurück.
Kriminetz: Was sollte man bei einem Besuch von Wien unbedingt frönen?
Gert Weihsmann: Die Leidenschaft für Musik. Unbedingt eine Vorstellung in der Staatsoper, im Musikverein, im Konzerthaus oder auch an einem kleineren Veranstaltungsort besuchen. Das Wiener Publikum ist sehr musikalisch. Keinesfalls einen der vielen stimmungsvollen Friedhöfe (wie in St. Marx oder den Zentralfriedhof) auslassen. Wien ist ohne den Tod kaum zu begreifen. Und damit es nicht zu jenseitig wird: die Wiener Süßspeisen probieren. Und hinterher auf einen „Last Word“ in eine Cocktailbar. Womit wir dann doch wieder beim Abgründigen angelangt wären…
Kriminetz: Wir hatten uns bei der 75. Frankfurter Buchmesse am Messestand des SYNDIKATs getroffen. Was bedeutet dir die Mitgliedschaft im SYNDIKAT?
Gert Weihsmann: Als neues Mitglied bin ich von der überwältigenden Hilfsbereitschaft und Anteilnahme der Kolleg:innen fasziniert: wie wunderbar man miteinander umgeht und wie herzlich Novizen wie ich im SYNDIKAT aufgenommen werden - Mord verbindet halt doch.
Kriminetz: Verrätst du deiner Leserschaft, woran du derzeit arbeitest?
Gert Weihsmann: Der dritte und letzte Band der Selikovsky-Trilogie ist bereits fertiggestellt und wird in Lech am Arlberg spielen, Erscheinungstermin Herbst 2024, wieder im Gmeiner-Verlag – vielen Dank an meine Lektorin Claudia Senghaas an dieser Stelle. Im dritten Selikovsky-Krimi mit dem Arbeitstitel „Lecher Gipfeltreffen“ geht es um den Wettbewerb in Österreichs Wintersport-Tourismus – was nicht alles dafür getan wird, um die betuchten Gäste aus dem Arlberggebiet in andere Hotspots zu locken: ein humorvoller, kulinarischer und beinahe leichenfreier Krimi aus Österreichs Bergen. Prädikat: besonders unterhaltsam.
Kriminetz: Vielen Dank, Gert Weihsmann, für die Beantwortung der sieben Fragen.