Günter Neuwirth wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Der Autor arbeitet als Informationsarchitekt an der TU Graz und wohnt am Waldrand der steirischen Koralpe. Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat in jungen Jahren in Wiener Jazzclubs auf. Während einer Schaffensphase trat er als Solokabarettist auf zahlreichen Kleinkunstbühnen auf. Seit 2008 publiziert er Romane, hauptsächlich im Bereich Krimi.
Für Kriminetz beantwortete Günter Neuwirth sieben Fragen.
Kriminetz: Kürzlich ist mit „Die Frau im roten Mantel“ dein neuer Krimi im Gmeiner-Verlag erschienen. Was hat es mit der Frau im roten Mantel auf sich?
Günter Neuwirth: Alice Berg, so heißt die Frau im roten Mantel, ist die weibliche Hauptfigur in diesem Kriminalroman. Alice ist Schweizerin, lebt aber seit 15 Jahren in Wien in der dunklen, mit Antiquitäten vollgestellten Villa ihres Mannes. Jürgen Berg ist Antiquitätenhändler. Das Ehepaar hat zwei Kinder, die Tochter Corinne ist schon ein Teenager, der Sohn Oscar noch im Volksschulalter. Alice ist eine geheimnisvolle Frau, sie hat Erinnerungslücken, neigt zu unvorhersehbaren Handlungen und irrt bewaffnet durch die winterliche Stadt. In meinen Krimis kommen immer wieder seltsame, schräge oder abgründige Figuren vor, deren Lebensweisen so gar nicht mit dem Alltagstrott der Masse zusammenpassen. Die Frau im roten Mantel ist eine solche Figur. Sie verwickelt Inspektor Hoffmann in Fragen und reichlich in Probleme. Figuren wie Alice Berg machen das Krimischreiben für mich spannend. Und das ist schon mal eine gute Voraussetzung für eine spannende Geschichte.
Kriminetz: Inspektor Wolfgang Hoffmann ermittelt in Wien. Weshalb hast du dich für diese Stadt als Handlungsort entschieden?
Günter Neuwirth: Aus einem sehr einfachen Grund: ich kenne Wien. Zwar lebe ich schon einige Jahre im Süden Österreichs in der sonnigen Steiermark, aber in bin in Wien aufgewachsen, meine familiären Wurzeln sind in Wien und ich habe langjährige gute Freunde in der Stadt. Ich habe zwei Krimiserien entwickelt, einerseits die klassischen Wiener Großstadtkrimis mit Inspektor Wolfgang Hoffmann, andererseits die Serie mit der ehemaligen Polizistin Christina Kayserling, für die keine fixe geografische Zuordnung vorgesehen ist.
Kriminetz: Du veröffentlichst auch Kurzgeschichten. Was reizt dich an der kurzen Form?
Günter Neuwirth: Die Kurzgeschichte eröffnet viel kreativen Freiraum. Bei meiner Romanarbeit ist sehr viel Planung, Disziplin und Sitzfleisch im Spiel. Vor allem bei Kriminalromanen muss ich immer wissen, wo ich beginne, wo ich hin will und wo ich aufhöre. Bei der Kurzgeschichte reicht oft eine spontane Idee oder gar nur ein einziger Satz, der mir im Kopf umgeht. Wobei ich manchmal Kurzgeschichten mit beispielloser Langsamkeit schreibe, jeden Beistrich auf die Goldwaage lege, Passagen mehrmals überarbeite, manchmal aber schreibe ich Kurzgeschichten aus einem Guss.
Und ich kann in Kurzgeschichten meinen verrückten Humor ausleben. Ich schreibe keine witzigen Krimis, weil die bei mir furchtbar skurril werden würden, und das kann ich dem Publikum (und mir selbst im Schreibprozess) nicht zumuten, aber eine durchgeknallte Kurzgeschichte geht immer, macht Spaß und lockert mein Handwerk und auch so manche Anthologie auf.
Kriminetz: Du hast mit anderen gemeinsam die Criminale des Syndikats in Graz organisiert. Hast du einen Tipp für „Nachfolge-Organisatoren“?
Günter Neuwirth: Ein paar sogar:
- Plant groß, aber nicht unüberlegt – alle Rechnungen müssen bezahlt werden!!!
- Arbeitetet in einem Netzwerk von motivierten und verlässlichen Leuten.
- Rechnet damit, dass die CRIMINALE ein Jahr eures Lebens bestimmen wird.
- Werft die Nerven nicht weg, selbst wenn es mal irgendwo eng wird (und das wird es garantiert).
- Wundert euch nicht, wenn nach langen langen Vorbereitungen die paar Tage der CRIMINALE wie im Zeitraffer an auch vorbeiziehen, und die CRIMINALE eine Stunde nach Abreise des letzten Gastes Schnee von gestern ist.
- Rechnet damit, dass viele Kolleginnen und Kollegen dich für immer tief in ihr Herz geschlossen haben – das ist der eigentliche Lohn für alle die Arbeit!
Kriminetz: Du bist Informationsarchitekt an der TU Graz. Ist das fiktionale Schreiben ein Ausgleich zur strengen Struktur von Informationsarchitekturen, die es strikt einzuhalten gilt?
Günter Neuwirth: Ich mag Strukturen, vielleicht liebe ich deswegen auch die Musik des Barock so sehr. Mathematische Schönheit kann mich faszinieren. Ich bin ein wissenschaftlich denkender Mensch, ich komme seit meiner Schulzeit mit Technik gut zurecht und ich habe einen Beruf an der Schnittstelle von Technik und Sprache. Strukturen sind ein kostbarer Teil meines Lebens. Ein anderer ist Phantasie. Mein Geist produziert pausenlos Geschichten. Die Angst, in eine Schreibkrise zu verfallen, kenne ich nicht, ich habe das gegenteilige Problem, nämlich zu viele Geschichten und Ideen für die lächerlichen 24h pro Tag – wer hat den Schwachsinn mit den 24h Tagen eigentlich erfunden, verdammt noch mal! Also hier Struktur, dort Phantasie, mit diesen Fähigkeiten fühle ich mich im Kriminalroman sehr wohl. Ein guter Krimi hat auch immer beides: eine wohldurchdachte Struktur und aus kraftvoller Phantasie gespeiste tiefschürfende Emotionen. Also um die Frage zu beantworten: Der Job als Informationsarchitekt ist kein Ausgleich, sondern eine Facette.
Kriminetz: Auf deiner Website bezeichnest du dich selbst als „Waldschrat“. Ich selbst halte mich auch sehr gerne im Wald auf. Was gibt dir der Wald?
Günter Neuwirth: Manche Menschen lieben die Städte, manche das Meer, manche zieht es in den Süden, ich liebe den Wald. Aus mehreren Gründen. Da sind einmal die hervorragenden Leistungen des Waldes. Bäume filtern Unmengen Staub aus der Luft. Bäume sorgen für erstklassiges Wassermanagement im Boden. Wälder bieten Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere. Der alpine Wald ist einfach ein extrem gut funktionierendes Ökosystem, das sogar harte Eingriffe von Menschen aushält.
Als ich in früheren Jahren noch über eine robuste Gesundheit verfügt habe, habe ich mich mit endlosen Wanderungen in den steirischen Bergwäldern topfit gehalten. Es erscheint mir nicht sehr reizvoll, Fitness in einem klimatisierten Studio aufzubauen, wenn es ein Fußmarsch über einen Bergrücken auch macht.
Und dann die Stille im Wald. Stille ist der geistigen Arbeit zuträglich. Viele meiner Geschichten habe ich bei Fußmärschen durch den Wald ausgetüftelt. Bäume und ich, wir passen gut zusammen, da die hölzernen Riesen, dort der zweibeinige Holzkopf.
Kriminetz: Was erwartet die Gäste deiner Lesungen?
Günter Neuwirth: Da ich über keine auffällig schöne oder wohlklingende Stimme verfüge und ich das schon früh bemerkt habe, habe ich schon vor Jahren in meiner Zeit als Kabarettist gezielt an der Vielfältigkeit der Modulation gearbeitet. Meine Stimme ist bei Lesungen ein Musikinstrument, auf dem ich spiele. Und ich darf behaupten, dass mir dieses Spiel leicht fällt. Und insgesamt komme ich mit der Bühnensituation gut zurecht. Ich denke, ich übertreibe nicht sehr stark, wenn ich auf die Frage wie folgt antworte: Die Gäste erwartet ein hochproduktiver und bühnenerfahrener Autor, der seine Geschichten für die Dauer der Lesung Wirklichkeit werden lässt. Zumindest ist das mein Plan bei Lesungen. Die Leserinnen und Leser mögen sich bitte selbst davon überzeugen, ob mir das gelingt oder nicht.
Kriminetz: Vielen Dank, Günter Neuwirth, für die Beantwortung der sieben Fragen.
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