Sieben Fragen an H. P. Karr

Das Foto zeigt H. P. Karr. Foto: © Carina Faust

H. P. Karr ist eines der Pseudonyme von Reinhard Jahn, der auch noch als John Miller seine »kriminelle Seite« ans Licht lässt. Der Schriftsteller studierte Publizistik, Germanistik und Anglistik und schloss dieses mit dem Magister-Examen ab. Er ist Mitbegründer des Bochumer Krimi Archivs, in dem alle Informationen, die die deutsche Krimiszene betreffen, gesammelt werden und die jährlich die Vergabe des Deutschen Krimi Preises organisiert. Die Veröffentlichungsliste des in Essen lebenden Schriftstellers ist immens, sie umfasst Kriminalromane, Stories, Hörspiele, Herausgeberschaften und das Lexikon deutscher Krimiautoren.

H.P. Karr verfasste auch gemeinsam mit seinem SYNDIKATS-Kollegen Walter Wehner viele Hörspiele und Romane. Für ihren Thriller Rattensommer aus der Reihe um den freien Videokameramann »Gonzo« Gonschorek erhielt das Autorenteam Karr & Wehner 1996 den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte »bester Krimi des Jahres«. Die beiden erhielten zudem gemeinsam den Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen (1989), den Literaturpreis Ruhrgebiet (2000) und 2012 den Westfälischen Kurzhörspiel Award und den Urban Crime Stories Award von neobooks und Literatur Quickies-Verlag.

Aktuell sind von H. P. Karr 30 Krimi-Rätsel aus dem Revier mit Vera Falck im Gmeiner-Verlag erschienen. Und als E-Book gibt es die Kriminalstories Agentur Lux - Volles Risiko.

Für Kriminetz beantwortete H. P. Karr sieben Fragen.

Kriminetz: Dein berufliches Leben ist Verbrechen gewidmet. Was hat dich dazu gebracht?

H. P. Karr: Ich habe schon immer gern spannende Geschichten gelesen und auch früh damit begonnen, Geschichten zu schreiben. So kam dann eins zum anderen. Meinen ersten Krimi habe ich in der Frauenzeitschrift veröffentlicht, die meine Mutter abonniert hatte und mein erstes Jugendbuch war zuvor eine Geschichte, die ich meinen jüngeren Geschwistern zum Einschlafen erzählt hatte.
An Krimis und am Verbrechen interessiert mich, dass es dort eigentlich immer um existenzielle Situationen geht: Was bringt einen Menschen dazu, einen Mord zu begehen? Und was wird alles getan, um einen Mord aufzuklären. Diese Faszination ist bis heute geblieben

Kriminetz: Ich habe gelesen, du hättest über 1000 Krimirätsel verfasst. Wie findest du zu dieser Fülle an kriminellen Ideen?

H. P. Karr: Das ist ganz einfach - die Zeitungen sind jeden Tag voll davon. Es sind oft Polizeimeldungen, die die Grundidee für einen Rätselkrimi liefern. Und zwar nicht nur die Meldungen über große Verbrechen wie Mord und Totschlag, sondern meist die »kleinen« Meldungen. Wie etwa ein Bericht über einen Einbruch in einen Getränkemarkt bei dem nur Leergut geklaut wurde, oder ein Bericht über einen gesprengten Geldautomaten, an denen deutlich sichtbar das Schild »Defekt« hing und so weiter und so fort. Außerdem habe ich ein Archiv mit vielen, vielen Meldungen auf die ich im Notfall zurückgreifen kann.
Zudem geht es ja bei 1000 Rätselkrimis nicht darum, 1000 verschiedene Mordmethoden zu (er)finden, sondern um interessante Personenkonstellationen, originelle Situationen oder überraschende Entwicklungen. Und da findet man jeden Tag eine Idee, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht.

Kriminetz: Dürfen sich deine Leser auf einen neuen Fall mit der Essener Kommissarin Vera Falck freuen?

H. P. Karr: Natürlich. Bis jetzt ist Vera Falck ja »nur« als Heldin der Ratekrimis in »Vera Falck ermittelt« aufgetreten, aber die Reaktion der Leser und des Verlags war so positiv, dass ein Roman mit Vera Falck von der Soko Ruhr in Planung ist. Darin wird es um einen brutalen Serientäter gehen, dessen Tatorte im ganzen Ruhrgebiet verteilt sind und der Vera Falck herausfordert.

Kriminetz: Am 12. und 13. April findet in Berlin das Symposium Krimis machen 1 statt. In diesem Rahmen wird eine Bestandsaufnahme der Produktions- und Vermarktungsbedingungen für Krimis in Deutschland angestrebt. Was ist dein Part bei diesem Symposium?

H. P. Karr: Ich bin eingeladen, um etwas über die Situation und die Position der Autoren in der gegenwärtigen Krimilandschaft zu sagen. Als Mitbegründer des Deutschen Krimipreises und Gründungsmitglied der Autorengruppe DAS SYNDIKAT habe ich die Szene seit Mitte der Achtziger im Blick und ich denke, das war der Grund, mich als Teilnehmer zu einem der Panels einzuladen.
Eine solche Bestandsaufnahme der Krimiszene ist gerade im Moment, wo die Buchbranche eine tiefgreifende Wandlung durchmacht, absolut notwendig. Nicht nur der »Krimiboom«, der inzwischen mit fast 2000 Neuerscheinungen im Jahr zu einer »Krimiflut« geworden ist, in der Gutes neben weniger Gutem erscheint, stellt eine Herausforderung dar. Auch die Krise der Verlage und des Buchhandels angesichts der neuen elektronischen Publikationsformen muss besprochen und bewertet werden.
Aber natürlich wird auf den Tagungen sicher auch außerhalb der Panel-Diskussionen intensiv der informelle Austausch über die Krimiszene gepflegt - mittags beim Essen und abends an der Bar. Da werden Kontakte geknüpft und alte Freund- und Feindschaften gepflegt.

Kriminetz: Wo schreibst du am liebsten – zuhause am Schreibtisch oder an einem anderen Ort?

H. P. Karr: Ich schreibe eigentlich nur am Schreibtisch, nachts, wenn alles ruhig ist und man nicht gestört wird. Ich bin nicht der Typ, der sich mit dem Laptop ins Café setzt, um zu schreiben. Da könnte ich mich gar nicht konzentrieren, weil ich in Cafés und Restaurants immer mit einem Ohr zuhöre, was am Nachbartisch besprochen wird.

Kriminetz: Mein Montagmorgen beginnt meist mit dem Lesen deiner »Tatort-Nachtkritik« auf facebook. Wie wichtig findest du soziale Netzwerke im Leben eines Autors?

H. P. Karr: Soziale Netzwerke und überhaupt alle Kommunikationsformen des Netzes sind absolut wichtig, interessant und voller Möglichkeiten und Herausforderungen. Ich bin seit Anfang an in Autorenforen und ähnlichen Gruppen dabei gewesen - von den »Compuserve-Gruppen« bis heute zum »mordsforum« des Syndikats.
Dort und in anderen Kreisen findet man Gleichgesinnte, kann Recherchefragen stellen oder sich informieren, wenn man wegen bestimmter vertraglicher Fragen unsicher ist. Bei facebook schätze ich besonders die Möglichkeit, dass die Leser meiner Tatort-Kritik gleich darauf reagieren können - mit Zustimmung oder vehementer Ablehnung. Ich war ganz erstaunt, wie schnell sich da ein Kreis von mehr als 600 »Abonnenten« für meine Kritiken gebildet hat - alles Menschen, die offenbar interessant finden, welche Filme ich sehe und welche Bücher ich lese.
Den wirklichen persönlichen Kontakt kann facebook natürlich nicht ersetzen - deshalb gibt ja auch Autorentreffen wie etwa die CRIMINALE, die dieses Jahr in Bern stattfindet.

Kriminetz: Was gefällt dir besonders am Ruhrpott und hält dich dort seit vielen Jahren?

H. P. Karr: Ich schätze die Region, die sich seit Jahrzehnten im Wandel befindet - weg von Bergbau und Schwerindustrie hin zu einer neuen, urbanen Vielfalt aus Dienstleistung und Zukunftstechnologie. Und besonders schätze ich die Menschen hier - klar, offen, zuverlässig, also »korrekt«, wie man sagt. Und bei aller Liebe zur Sternegastronomie, die wir natürlich auch haben: es geht nichts über eine reelle Currywurstpommesdoppeltmayoscharfmachen.

Vielen Dank, H. P. Karr, für die Beantwortung der sieben Fragen.

Zur Autorenwebsite

Infos zum Autorenteam Karr & Wehner

Das Krimilexikon

Alles zum Deutschen Krimipreis